Das läuft wie bei "Trimm Dich"

von Werner Gaede

Über Sinn und Unsinn einer Werbekampagne gegen Ausländerfeind­lichkeit sprach die "tageszeitung" mit Werner Gaede, Prof. für Werbekommunikation.

taz: Sind Sie dafür, daß Agenturen, die sonst für Brühwürfel werben, jetzt Sym­pathien für AusländerInnen zu wecken versuchen?

Werner Gaede: Bei Profis, die wissen, wie man Kommunikation macht, liegt die Sache in den richtigen Händen. Leute mit "nur" gutem Willen haben vielleicht nicht diese Fähigkeiten.

taz: Was kann eine solche Kampagne leisten? Kann man damit Veränderun­gen der Einstellung erzielen?

Werner Gaede: Das ist arg zu bezwei­feln. Hier dreht es sich doch um Ge­fühle, Einstellungen. Die Werbung wird Andersdenkende bestätigen, die in der Mittelposition nachdenklich machen und Leute, die hassen, auf keinen Fall verändern. Nur die Schwankenden kann man erreichen. Das ist wie in der politi­schen Werbung mit den Wechselwäh­lern.

taz: Die schönste Verpackung nützt nichts ohne Inhalt, hier ist doch erst einmal die Politik gefordert. Liegt der wahre Sinn der Kampagne in der Image-Werbung für ihre Macher?

Werner Gaede: Natürlich ist der Haß auf Ausländer nur zu verhindern, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Ursa­chen verändert werden. Doch die In­strumente der Kommunikation/Werbung gehören im Verbund dazu, sollen Lö­sungen auf fruchtbaren Boden fallen. In einer Massengesellschaft haben Info-Kampagnen Sinn: Sie fassen zusammen, liefern Slogans. Zum Beispiel "Trimm Dich". Bevor es den Ausdruck gab, haben mich manche Leute schief ange­guckt, wenn ich im Wald herumlief. Seit der Kampagne sagen sie: Aha, der macht "Trimm dich"! Wenn Werbung mit konkretem Verhalten gekoppelt ist, ist die Akzeptanz größer. Im Fall "Trimm dich" bekam etwas gesell­schaftlich-sozialen Sinn. Einen Sinn, der gesellschaftlich anerkannt war. Aber ein schlechtes Produkt kann man auch nicht mit Werbung verkaufen. Regierungen und staatliche Stellen müssen Lösungen anbieten.

taz: Wie lange muß eine Kampagne laufen, um Effekte zu erzielen?      

Werner Gaede: Unter einem halben Jahr bis zu einem Jahr passiert nix. Bis auf die, die sich speziell mit dem Thema beschäftigt haben, sehen es die meisten kaum. Man muß von den Gleichgültigen ausgehen. Die Wirkung hängt von der Stärke der Widerstände (Vorurteile, Vorwissen) ab. Auch auf die Zahl der Wiederholungen kommt es an. Damit etwas gelernt wird, man wie in der Waschmittelwerbung "den Slogan sin­gen kann". Kreative Dinge wie die Idee, die so gut ist, daß man sie behält, sind entscheidend...Oder man muß die Leute anpacken: Mittels Schock, ohne Tabus zu verletzen.

taz: Wie gefällt Ihnen ein Anzeigenentwurf wie das Zeinab-Motiv?

Werner Gaede: Vorwürflich, moralischer Unterricht. Das sind genau die Sprüche, die nicht helfen. Mit Moral motiviert man nicht. Konkrete Dinge, was und wie man etwas machen kann, sind gefragt, nicht Mitleid. Ermahnun­gen stoßen auf Ablehnung oder man er­klärt sich nur theoretisch einverstanden. Wie bei den Steuern. Klar, daß jeder Steuern zahlen muß, aber wenn es dann um den Einzelnen geht...

taz: Und die "Armes Deutschland"-Reihe?

Werner Gaede: Wenn ich lese, "42 Jahre Demokratie, 1 Jahr Deutsche Ein­heit, eine Nacht Hoyerswerda, Armes Deutschland" würde ich sagen: Aus­wandern, mit den Deutschen läuft im­mer dasselbe Schema ab. Das erzeugt nur schlechtes Gewissen. Wir alle miteinander  sind "Menschen mit Herz" ist Eiapopeia, ein ferner Wunsch, Uto­pie. Der Ansatz "Ausländer raus?" vor dem Hintergrund der Weltkugel geht in die richtige Richtung. Eine kreative Idee, die sorgt, daß man darüber spricht.

taz: Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine sinnvolle Strategie aus?

Werner Gaede: Die kleine militante Gruppe im Kern wird sich so leicht nicht bekehren lassen. Erst müssen die vielen Sympathisanten gewonnen, akti­viert werden. Die brauchen Motivatio­nen, gesellschaftlichen Zuspruch, Ar­gumente. Man müßte sie psychologisch genau kennen, kommunikativ bearbei­ten. Eine aufklärerische Kampagne lie­fert da zwar Argumente, hat aber meist den Nachteil der Langeweile. Die lesen die Leute, die ohnehin der gleichen Meinung sind. Die Kommunikationsbarriere läßt sich wahrscheinlich eher durchdringen, wenn man in Zwischen­stufen emotionaler an die Sache heran­geht...Ein Stimmungsumschwung ist mit entsprechenden Taten der Regierung schrittweise möglich. Man muß sehen, daß etwas geschieht und es sinnvoll für mich selbst ist, aktiv teilzunehmen. Wie bei "Trimm Dich"."

Leicht gekürzt dokumentiert aus der "taz" vom 15.11.91. Das Interview führte Sabine Jaspers

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