"Das Sehfeld einer Panzerbesatzung sei eingeschränkt"

von Helmut Adolf
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... hieß es in einem Presseartikel vor dem 50. Friedensweg. Damit sollte noch am Vortag dieses Ereignisses davor gewarnt werden, das Gelände des Truppenübungsplatzes zu betreten. Diese Warnungen sind schon zur Tradition geworden.

Nicht nur das Sehfeld der Panzerbesatzungen ist eingeschränkt, sondern das der Militärs überhaupt. Sie können nurin militärischen Kategorien denken, die von Bedrohung bis Schießen reichen. Eben dieses Sichtfeld der Militärs will die Bürgerinitiative OFFENe HEIDe etwas erweitern helfen. Zum 50. Mal schon galt am 7. September 1997 der erste Sonntagnachmittag im Monat der Colbitz-Letzlinger Heide. Am 2. September begann die erste "richtige" Übung der Bundeswehr in der Heide. Man beachte die Nähe zum 1. September. Das ist die Traditionspflege der Bundeswehr.

Inzwischen hat sich an den Stammtischen schon so einiges getan. Mit kleinen Zugeständnissen versucht die Bundeswehr, sich die Anrainerkommunen gefügig zu machen. Da wird hier und dort mal ein Wanderweg freigegeben. Einige Lokalpolitiker wissen gar nicht, daß sie ausgenutzt werden.Selbst die rotgrüne Landesregierung hat sich von der Bundeswehr übers Ohr hauen lassen und hat mit ihr den sogenannten "Heidekompromiß" abgeschlossen, der ja keiner ist, sondern die Bankrotterklärung des Landes vor der Bundeswehr. Vergessen sind da vollmundige Wahlkampfversprechen. Nach demKompromißhat die Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide erst richtig losgelegt. Außer dem Kasperletheater mit der Freigabe von Wanderwegen (natürlich nur in übungsfreien Zeiten, die sehr rar sind, denn man will 210 Tage im Jahr üben) hat sich noch nichts vom Kompromiß realisiert. Von der "gemeinsamen Sicherstellung naturschutzrelevanter Gebiete" ist nichts zu spüren. Besondere Stilblütentreibt das Getue der Bundeswehr im ehemaligen Dorf Salchau. Dieses wurde 1936 für die Schießbahn geräumt. Mitten in der geschredderten Landschaft steht nun einsam das rekonstruierte Kriegerdenkmal dieser Gemeinde. Und zu besonderen Anlässen läßt die Bundeswehr in gönnerhafter Pose die ehemaligen Salchauer dorthin pilgern.

Ist nun der 50. Friedensweg ein Grund zum Feiern oder ein Zeichen der Aussichtslosigkeit? Wir bleiben dabei und fordern die ausschließlich zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide. Zum 50. Friedensweg hatten wir ein besonderes Programm. Bereits am Vortag hat das Buxtehuder Jugendorchester ein Benefizkonzert gestaltet, bei welchem die Kasse der Bürgerinitiative gefüllt wurde. Geld für Rundbriefe und saftige Aktionen, aber auch Geld für eventuelle juristische Auseinandersetzungen.

In der Colbitz-Letzlinger Heide übt sich die Bundeswehr in der psychologischen Kriegsführung. Mit Bildern von Munitionsbergen will sie immer wieder den Leuten zeigen, wie gefährlich es ist, das Gelände zu betreten und welch ein Segen ihre Anwesenheit ist, denn nur die Bundeswehr hat das Geld, die Heide von den militärischen Altlasten zu entsorgen. Woher hat sie nur dieses Geld? Dann werden die Stammtische der Region erobert. Die Frau des Kommandanten des Übungsplatzes wird just zur Sprecherin des Kreiselternrates gewählt, der forstliche Willensvollstrecker der Bundeswehr, der Forstamtsleiter Knüppel (Nomen est Omen) macht sich im Förderverein Schloßkirche Letzlingen beliebt und leitet den Rotaryclub der "feinen Herren" im Ohrekreis.

Da sich Parteitage immer gut eignen, um etwas Neues einzuweihen, hatte sich ein Konsortium der Firmen DASA und ATLAS den CDU-Parteitag ausgesucht, um die erste Baustufe des lasergestützten Gefechtsübungszentrums am 15. Oktober 1997 dem Herrn Rühe persönlich zu übergeben.Damit ist erneut die Colbitz-Letzlinger Heide zum Experimentierfeld der deutschen Rüstungsindustrie geworden: der militärische Mißbrauch dieses Landstriches begann 1936 mit einer Versuchsanlage, auf welcher Krupp Gruson aus Magdeburg seine schweren Geschütze getestet hat.

Inzwischen haben die 50 Friedenswege schon die Gesellschaft zweier weiterer Friedenswege bekommen, bei denen versucht wird, immer wieder neue Stückchen des großen Areals den TeilnehmerInnen zu zeigen und den Militärs und ihren Helfershelfern etwas auf die Füße zu treten. Schließlich stand der 50. Friedensweg auch unter dem Motto "Das weiche Wasser bricht den Stein". Allmonatlich gilt es, die Suppe am Kochen zu halten, der Öffentlichkeit deutlich zu erklären, daß die Bundeswehr entgegen dem Votum der Bevölkerungsmehrheit Sachsen-Anhalts in der Heide übt. So soll auf diesen Widerspruch immer wieder hingewiesen werden.

Im Vorfeld des 50. Friedensweges hat das Landesfunkhaus Sachsen-Anhalt eine Anregung aus den Reihen der Bürgerinitiative realisiert und eine Talkrunde zu dieser Problematik produziert. Diskutanten waren Friedrich Schorlemmer, Erich Schmidt-Eenboom und Generalmajor Hans-Peter von Kirchbach. Die Menschenkulisse zu diesem Spektakel bildete eine gut ausgewählte Personengruppe. Vertreter der Bürgerinitiative OFFENe HEIDe durften erst nach Intervention rein. Die Begründung des Redakteurs, der sich übrigens mit dem stellvertretenden Kommandanten des Truppenübungsplatzes duzte, war, daß das Thema Übungsplätze in Ostdeutschland allgemein war, da hätte man ja Vertreter aller Bürgerinitiativen laden müssen. Aber die Schar der Kommunalpolitiker, denen man zwischendurch das Mikrofon zu Lobhudeleien über die Bundeswehr vor die Nase hielt, war ausschließlich aus dem Bereich der Colbitz-Letzlinger Heide. Die Farben des MDR-Logos sind zuerst schwarz, dann rot, dann gelb.

In den Reden auf dem 50. Friedensweg wurde aus verschiedenen Blickwinkeln eine Bilanz der Zeit der Bürgerinitiative gezogen und der Sinn des Friedensweges bestimmt.

Das Kinderprogramm des 50. Friedensweges waren "Die Bremer Stadtmusikanten", dargeboten von Utas Mitspielhäus`l, einer Puppenbühne, bei der das Publikum mitarbeiten muß, und wenn es auch nur wankend als Baum im Wald ist. Die Tiere in diesem Märchen haben ihre Aufgabe schon erfüllt und die Räuber davongejagt, die Bürgerinitiative muß noch weitere Friedenswege an den ersten Sonntagen um 14 Uhr durchführen, bis das Ziel erreicht ist. Dazu wird es an originellen Ideen nicht mangeln. Jetzt gilt es vor allem, die Planungen der Bundeswehr für die Errichtung des Zentrums des Truppenübungsplatzes auf bisher unerschlossenem Gebiet zu durchkreuzen und sich gegen den Bau der Eisenbahnanbindung in einem Naturschutzgebiet zur Wehr zu setzen. Weiterhin gilt unser Einsatz den möglichen Gefährdungen für das einzigartige Trinkwasser, welches 600 000 Menschen aus der Colbitz-Letzlinger Heide beziehen.

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Helmut Adolf arbeitet seit deren Gründung im Jahr 1993 in der Bürgerinitiative OFFENe HEIDe und widmet sich dort der Öffentlichkeitsarbeit. Mehr Informationen unter: www.offeneheide.de