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Den inneren Kriegszustand überwinden
von"Die Glaubwürdigkeit der friedlichen Absichten eines Staates ist entscheidend abhängig von der Friedensfähigkeit seiner Gesellschaft", stellte ein Kollege aus der christlichen Friedensbewegung der DDR 1983 in einem Gespräch fest. Diesen Anspruch habe ich bezogen auf die DDR und die damals bittere Auseinandersetzung über den Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen" nachvollziehen können. Für die politische Situation in der Bundesrepublik auf dem Höhepunkt der "Nachrüstungs"debatte war er nicht einleuchtend für mich; die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zur Kriegsfähigkeit schien mir in unserer Republik auch nicht so drastisch deutlich. Meine Einschätzung hat sich an diesem Punkt sehr geändert.
Spätestens seit dem Einzug der rechtsextremen "Republikaner" in das Berliner Abgeordnetenhaus und in das Europaparlament ist offensichtlich, daß sich die Gesellschaft der Bundesrepublik quasi im Kriegszustand befindet. Die Frustration vieler Menschen, die sich in ihrer Sicherheit durch Arbeitslosigkeit und Armut bedroht fühlen, hat ein politisches Sprachrohr mit dieser Partei und der Liste D-DVU gefunden. Der verdrängte geistige und seelische Müll der nationalsozialistischen Propaganda ist die Basis heute politikfähiger menschenfeindlicher und haßerfüllter, entsolidarisierender Politikstrategien der Rechten. Abgesehen von revanchistischen Forderungen nach der Zurückgabe deutschen Territoriums, die unsere polnischen Nachbarn 50 Jahre nach dem Überfall auf Polen in Schrecken versetzen, schüren diese Parteien den Ausländerhaß und die Verdrängung gesellschaftlicher Realitäten, wie zum Beispiel der, daß die Wohnungsnot nicht Schuld der Türken, sondern Folge verfehlter Wohnungsbaupolitik oder Arbeitslosigkeit nicht den Ausländern in "unseren" Jobs anzulasten ist, sondern z.B. der Fehlinvestition von Steuergeldern in Aufrüstung.
In Berlin wurde im Juni ein junger Türke von einem jungen Deutschen auf offener Straße ermordet, weil er ein Türke war. An anderen Orten wurden wiederholt Brandanschläge auf Wohnheime von AsylbewerberInnen durchgeführt. Kleine Kinder und Jugendliche mit "fremdem" Aussehen haben Angst, ihre Wohnungen zu verlassen. Auseinandersetzungen gehen schnell auf die Ebene körperlicher Gewalt.
Dieser Entwicklung in unserer eigenen Gesellschaft darf die Friedensbewegung nicht tatenlos zusehen. Sie kann auch nicht darauf vertrauen, daß sich neben der Friedensbewegung schon eine Antifa-Bewegung gründen werde. Das Potential von Menschen, die sich die Zeit nehmen, engagiert in ihren Lebenszusammenhängen für ein friedliches und gerechtes Leben zu arbeiten, hat Grenzen. Die Forderung nach der Überwindung des Systems der Abschreckung und der Gestaltung eines friedlichen Zusammenlebens der Menschheit über Grenzen, Systeme und Nationen hinweg hängt inhaltlich eng mit dem Engagement für eine multikulturelle Gesellschaft hier zusammen. Menschen, die sich aus ihren Ländern hierher flüchten, fliehen oft vor Kriegen, die mit Waffen aus der BRD geführt werden. Das heißt, die Forderung nach dem sofortigen Stopp von Rüstungsexporten bedingt die Solidarität mit den Geflohenen.
Die Friedensbewegung hat durch ihre jahrelange Kontinuität erheblich dazu beigetragen, ein Klima zu erzeugen, in dem Menschen aussprechen, was sie denken, und Politik verantwortlich mitgestalten. Das hat dabei geholfen, den Boden für die Initiativen der Sowjetunion fruchtbar zu machen und das System unserer "Verteidigungs"politik zu diskreditieren. Dieser Boden muß nun quasi beackert werden, indem Friedensinitiativen auf inzwischen kaum übersehbare öffentliche Informationen über das politische Fehlverhalten der Verantwortlichen politisch reagieren: Briefe, Treffen mit den jeweiligen Bundestagsabgeordneten, Kleindemos, Öffentlichkeitsarbeit über Alternativen zur bestehenden Politik, Blockaden etc. Alle diese Aktivitäten dürften derweil zur Routine von Friedensinis gehören. Sie kosten auch nicht soviel Kraft und Energie wie die Arbeit vor 1983. Diese Arbeit ist meiner Meinung nach nicht mehr ausreichend. Hinzu kommen muß die antifaschistische Arbeit der Friedensinitiativen.
Damit meine ich die Ausdehnung der Aufgabenstellung vor allem auf Fragen der "Menschenrechte - Recht auf Asyl" und "Fremdenfreundlichkeit". Die Bündnisse der Friedensbewegung müssen erweitert werden um Bündnisse von Gruppen, die mit ImmigrantInnen und AusländerInnen arbeiten. Aktionen zum Stopp der Tiefflüge können im breiten "multikulturellen" Bündnis ebenso gemacht werden wie Aufklärungsarbeit über Fluchtgründe oder die tatsächliche Bedeutung von "Gast"-arbeit hier. Die Auseinandersetzung mit dem Vorurteil "Ausländer nehmen unsere Arbeitsplätze weg" führt logischerweise zum Rüstungshaushalt und der Forderung nach seiner Kürzung sowie zur Struktur des Gesamthaushaltes. Dies kann gut zusammen mit Interessensvertretungen ausländischer ArbeitnehmerInnen erarbeitet werden. Feste, bei denen sich die Kulturen begegnen, sind nicht nur Spaß, sondern ein kleiner Vorgeschmack auf die Zeit, wenn alle Völker diese Erde miteinander tanzen.
Durch diese multikulturelle Qualität des Engagements aufgrund der Erweiterung der Bündnisse und Aufgabenstellungen wird bewirkt, daß neben der jeweiligen inhaltlichen Forderung deutlich signalisiert wird: in unsere Gesellschaft haben alle Platz. Wir begrüßen die Fremden, die unsere Freunde, Brüder und Schwestern sind.
Die Friedensbewegung wird in der Gesellschaft der Bundesrepublik jetzt dringend als anti-faschistische Kraft gebraucht. Sie ist eine antifaschistische Kraft und muß diese Stärke zeigen. Das soll nicht geschehen, indem sie die Abrüstungsdebatte den PolitikerInnen überläßt, sondern indem sie die Begründung ihrer abrüstungspolitischen Forderungen mit der Entwicklung und dem Engagement von uns für eine friedensfähige Gesellschaft verbindet. Wenn die jeweiligen Bewegungen an strukturell offensichtlichen Knotenpunkten zusammenarbeiten und zusammenwirken, verändert das das gefährliche (un)rechte politische Gebräu, das immer mehr Menschen zu sich nehmen. Die Rechten haben einfache Antworten und starke Identifaktionsmöglichkeiten für komplexe Probleme und Identitätsverluste. Die Friedensbewegung steht in den kommenden Jahren vor der Aufgabe, zusammen mit anderen sozialen Bewegungen die anderen, komplizierteren, aber friedensfähigen und menschengerechten Wege aufzuzeigen und zu vermitteln.
Auf diesem Hintergrund hat die AS/F die "Erklärung zur 10. bundesweiten Friedenswoche" verfaßt (die im Wortlaut von uns bezogen werden kann: Friedensforum, Römerstraße 88, 5300 Bonn 1). Ich hoffe, daß sie für viele Bündnisse sinnvoll ist und sie motiviert, die notwendige Energie und Klarheit zu mobilisieren.