Goldene Nasen für die Rüstungsindustrie

Der 1. Mai – auch ein Aktionstag für „Rüstungsexporte stoppen!“

von Renate Wanie
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Während der DGB am 1. Mai, dem Tag der Arbeit und zugleich traditioneller Kampftag der Arbeiterbewegung, für „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit!“ und für gute Arbeitsbedingungen aufrief, setzte der Heidelberger Friedensratschlag (HFRS) auf mehr Sicherheit durch militärische Abrüstung! Aktuelle Anlässe wie der Krieg in Gaza gibt es genug, um z.B. zum Stopp der Rüstungsexporte aufzurufen!

Mit einer Flashmob-Aktion während der 1. Mai-Kundgebung auf dem Marktplatz im Zentrum von Heidelberg machten vier Mitglieder aus dem HFRS auf das immense Rekordhoch mit gestiegenen Umsatzzahlen der deutschen Rüstungsexporte aufmerksam. Z.B. stieg der Aktienkurs bei Rheinmetall von Anfang 2022 von 100 € auf 560,60 € im April 2024 (vgl. https://www.boerse.de/aktien/Rheinmetall-Aktie/DE0007030009) Die sogenannte „Zeitenwende“ mit zunehmenden Militarisierungsschüben und vor allem die politischen Bestrebungen, „Deutschland kriegstüchtig“ zu machen, treiben die militärische Aufrüstung voran.

Wer verdient sich Goldene Nasen?
Die Flashmob-Aktion startete am Infostand, belagert von Papp-Panzern und Papp-Raketen, sowie Infos zur aktuellen Aufrüstung und konkret über Rüstungs- und Kriegswaffenexporte aus Deutschland in Kriegsgebiete wie nach Gaza und in die Ukraine. Die Aktion erreichte große Aufmerksamkeit auf dem Kundgebungsplatz: Mit umgehängten Sandwichplakaten, den Gewinnzahlen der deutschen Rüstungsindustrie, großen goldenen Nasen, die wir uns als Akteur*innen aufsetzten, und dem Slogan „Wer verdient sich Goldene Nasen?“. Informiert wurde auch über den aktuellen Umsatz von Rüstungsproduzenten: Rheinmetall hatte z.B. im Jahr 2023 einem Umsatz von 7,2 Mrd. €. (1) Zudem wird Rheinmetall bis 2025 seine Produktion auf jährlich 700.000 Schuss Munition (pro Geschoss 3.600 €) verdreifachen. Die hohe Nachfrage nach Munition hat dem Rüstungskonzern Rheinmetall einen kräftigen Wachstumsschub gegeben. Im ersten Quartal 2024 ist der Umsatz in der Munitionssparte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent auf 362 Millionen Euro gestiegen. Der Gesamtumsatz stieg im ersten Quartal 2024 Firmenangaben zufolge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro, das operative Ergebnis schnellte um 60 Prozent auf 134 Millionen Euro nach oben. (2) Am 10. April 2024 berichtete die Süddeutsche Zeitung: „Nach einem Höchststand 2023 sind die Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter zu Beginn dieses Jahres wegen der zunehmenden Waffenlieferungen an die Ukraine weiter gestiegen. Vom 1. Januar bis zum 27. März 2024 erlaubte die Bundesregierung die Ausfuhr militärischer Güter für mindestens 4,89 Mrd. € und damit fast so viel wie im ersten Halbjahr 2023 mit 5,22 Mrd. €." Mit einem unfreiwillig sarkastischen Zitat auf der Website wirbt die Rüstungsfirma Rheinmetall: „Mit unseren Technologien, unseren Produkten und Systemen schaffen wir die unverzichtbare Grundlage für Frieden, Freiheit und für nachhaltige Entwicklung: Sicherheit.“ (3) Und ein weiteres Zitat aus der SZ vom 12. Mai 2024: „Je schlechter es der Welt geht, desto besser geht es der Rüstungsindustrie. Und gerade geht es ihr ganz ausgezeichnet. Ein Besuch beim Hensoldt-Konzern, wo sie sagen: Unsere Technik rettet Menschenleben. Bleibt die Frage: Gibt es das? Gute Waffen?
Und auch die Grüne Rüstungslobby trommelt weiter: Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte in der Zeitschrift „Das Parlament“ für einen EU-Verteidigungsfonds in Höhe von bis zu 400 Mrd. € für gemeinsame Rüstungsprojekte. Aus dem Fonds sollen gemeinsame EU-Rüstungsprojekte und weitere Unterstützung der Ukraine finanziert werden. (4)

Aufforderungen an die Bundesregierung
Ein Anlass für die Aktion am 1. Mai in Heidelberg war u.a. der Offene Brief von 37 Organisationen und Netzwerken aus der Entwicklungs-, Friedens- und Menschenrechtspolitik sowie von humanitären Hilfsorganisationen, an dem die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ mitwirkte. (5) Der Offene Brief wendet sich an die Mitglieder der Bundesregierung, da sie in ihren Funktionen für Rüstungsexportgenehmigungen nach Israel, die Einhaltung von völkerrechtlichen Verpflichtungen und die Finanzierung von humanitärer Hilfe Deutschlands verantwortlich sind. Die Mitglieder des Bundessicherheitsrates entscheiden über Rüstungsexporte. Sie könnten, gemäß des Appells von UN-Expert*innen vom Februar 2024, „individuell strafrechtlich für die Beihilfe von Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord verantwortlich sein“. (Vgl. FN 5)
In dem offenen Brief wird der brutale Terroranschlag der Hamas und islamistischer Gruppen am 7. Oktober gegen Israel uneingeschränkt verurteilt. Das Recht Israels, sich zu verteidigen, wird anerkannt. Verurteilt werden hingegen die militärischen Maßnahmen der israelischen Regierung in Gaza, die gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verstoßen, wie die gezielte Bombardierung ziviler Ziele. Gemäß dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sind seit Beginn des Krieges mindestens 34.000 Palästinenser*innen getötet und über 77.000 verletzt worden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, „umgehend die Genehmigung und den Export von Rüstungsgütern nach Israel zu stoppen, die in Gaza eingesetzt werden könnten (…) und mit sofortiger Wirkung alle Waffenlieferungen an Israel zu stoppen!“ Hintergrund für diese Initiative war die gerade ergangene Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs im Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen möglicher Beihilfe zum Völkermord und anderer Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte forderte ebenfalls Staaten auf, den Transfer von Waffen einzustellen, wenn die reale Gefahr besteht, dass sie mit ihrem Einsatz das humanitäre Völkerrecht verletzen. Der Offene Brief wurde bundesweit in mehreren bundesweiten großen Tageszeitungen veröffentlicht – eine gewisse Chance für politischen Einfluss? Lokal erhielt die Flashmob-Aktion breite Aufmerksamkeit bei den Demonstrierenden am 1. Mai - in Form von Zustimmung, aber auch vereinzelten kritischen Rückfragen zum Recht auf Selbstverteidigung bei einem Angriff.  

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