Der Bombenkrieg gegen Afghanistan

von Ansgar Schmidt
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In der Weltöffentlichkeit wird der Bombenkrieg gegen Afghanistan dargestellt als "Vergeltungsschlag" der "Anti-Terror -Koalition" auf Grund der Terroranschläge vom 11. 09. 2001. Durch die Ausschaltung des Taliban-Regimes wurde dieser Krieg zum "Befreiungskrieg", also einem gerechten Krieg. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Krieg um die Speerspitze eines über 20 Jahre andauerndem US-amerikanischen Strebens nach Macht und Einfluss in der zentral-asiatischen Region.

Selbst wenn Bin Laden gefasst oder getötet wird - "dead or alive" (G.W. Bush im September 2001) - der Krieg gegen den "internationalen Terrorismus" geht in den kommenden Jahren weiter. Der Krieg gegen das Taliban-Regime in Afghanistan war nur die erste Etappe des "Global war against terrorism".

Der "internationale Terrorismus" soll ja noch in anderen Staaten, wie z.B. dem Sudan oder Somalia seine Stützpunkte haben. "The Telegraph", 11/12/2001 zitiert US-General Tommy Franks. Er gibt Auskunft über die US-Pläne der Ausweitung des globalen Anti-Terror-Krieges. Rainer Rupp kommentiert am 11/12/2001 (friedens_info [at] gmx [dot] de) in seinem Beitrag ´Somalia - das nächste Angriffsziel`: "Auf die Frage, welche anderen Länder sich im Visier seiner Militärplaner befinden, nannte er Somalia, Sudan und Irak. (...) Zugleich berichtete die britische Nachrichtenagentur Reuters aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu, dass sich letzten Sonntag 5 Vertreter des US-Militärs mit Kriegsherren der Opposition zu Gesprächen getroffen hätten, um potentielle Terrorziele zu identifizieren. Offensichtlich will das amerikanische Militär in Somalia nach dem afghanischen Modell vorgehen und lokale Oppositionskräfte dafür gewinnen, für die US-Interessen den gefährlichen Bodenkampf zu führen. (...)"

Die CIA agiert schon seit 20 Jahren im zentral-asiatischen Raum
In Afghanistan herrschten in den vergangenen 20 Jahren fortwährend Kriege zwischen zahlreichen Miliz-Gruppen mit verschiedenen religiösen, politischen und sozialen Ausrichtungen. In den 80er Jahren regierte in der Hauptstadt Kabul das Mohammed-Nadschibulla-Regime, welches durch die damalige Sowjetunion unterstützt wurde. Der Einfluss dieser Regierung reichte jedoch nur regional. Im Norden herrschte die Mehrheit der ethnisch verwandten Tadschiken und Usbeken, im Süden die paschtunische Mehrheit unter Hekmatjar sowie zahlreiche andere Milizen in ganz Afghanistan verstreut, alle mit unterschiedlichen internationalen Verbindungen.

Über Pakistan und Saudi-Arabien hatte die CIA im Süden Afghanistans schon vor 20 Jahren ihren Einfluss geltend gemacht und stattete die Mudshahidin-Krieger in ihrem "heiligen Krieg" mit technischem Gerät und Waffen aus. 1992 wurde das SU-gestützte Regime Mohammed Nadschibulla gestürzt. Kabul wurde darauf zu einem Schlachtfeld rivalisierender Milizen. Unter ständig wechselnden Koalitionsverhältnissen stellte letztendlich Burhanuddin Rabbani den Kopf der Regierung. Rabbani stand den ethnisch verwandten Usbeken und Tadschiken aus dem Norden Afghanistans vor.

Im Süden Afghanistans entstand im Jahre 1994 die Taliban-Bewegung. Die Taliban-Bewegung wurde in den folgenden Jahren ebenfalls massiv aus dem benachbarten Pakistan, aus Saudi Arabien sowie vom US-amerikanischen Geheimdienst unterstützt. Die Unterstützung erstreckte sich im Waffenbereich von Kampfflugzeugen, Panzer, Handfeuerwaffen bis hin zu zahlreicher personeller Unterstützung, die aus einer Schar von Guerilla-Kämpfern eine hoch qualifizierte Kampftruppe machte.

Ebenfalls auf diplomatischer Ebene wurden die Taliban international anerkannt. 1996 wurde in einer Sitzung der Vereinten Nationen durch die US-amerikanische Vertreterin Robin Raphael geäußert: "Die Taliban kontrollieren mehr als zwei Drittel des Landes, sie sind Afghanen, sie sind Eingeborene, sie haben bleibende Stärke bewiesen. (...) Es ist nicht im Interesse Afghanistans oder von uns hier die Taliban zu isolieren." Ziel war es die Taliban zu instrumentalisieren, um somit eine Kontrolle über die Gesamtregion zu erstellen. Der Grund für das internationale Interesse von Seiten der Vereinigten Staaten, Russland, China, Japan sowie den europäischen Mächten, sind die größten unerschlossenen Öl- und Gasressourcen in den vor 10 Jahren neu entstandenen Republiken Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien. Seit dem Bruch der Weltordnung, dem Fall des "Eisernen Vorhangs", haben auch die westlichen Mächte direkten Zugang zu den unerschlossenen Quellen. Afghanistan galt für die westlichen Beteiligten des Wetteiferns als das scheinbar mit dem geringsten direkten Einsatz kontrollierbare Transitland. Vor Ort sollte das Taliban-Regime seine Dienste tun.

Während die Taliban-Krieger Schritt für Schritt in Richtung Kabul voranschritten, versuchten zeitgleich die Vereinten Nationen und einige andere Staatsvertreter zwischen den Taliban und dem in der Hauptstadt Kabul amtierenden Rabbani zu vermitteln. Währenddessen wurde Rabbani von Russland, Iran und Indien gegen die wachsende Taliban-Bedrohung aufgerüstet. Im August 1996 erzwangen die Taliban nach monatelanger Belagerung den Rückzug der Regierung Rabbani. Das Hoch des Taliban-Regimes mit internationaler Anerkennung dauerte jedoch nicht lange an. Im Frühjahr 1997 nahmen die Taliban-Krieger die nordafghanische Stadt Masar-i-Scharif ein und versuchten den usbekischen, tadschikischen und schiitischen Hazara, den Anhängern des Rabbani-Regimes, ihre religiösen und sozialen Zwänge aufzuerlegen; doch stießen sie damit auf Widerstand. Durch die darauf folgenden Aufstände wurden die Taliban-Krieger mit zahlreichen Opfern aus der gesamten nördlichen Region vertrieben. Diese bedeutende Niederlage veranlasste die USA zum sofortigen Abbruch sämtlicher Unterstützung. Klar war, dass das Taliban-Regime auf Dauer keine Sicherheit und Stabilität ohne Rebellion der Nord-Afghanen realisieren konnte und somit war auch das Pipeline-Projekt des US-amerikanischen Öl-Multis Unocal gescheitert - oder zunächst auf Eis gelegt. Auf internationaler Ebene änderte sich ebenfalls die Wortwahl, wenn über das Taliban gesprochen wurde. Nach jahrelanger Ignoranz der innenpolitischen Verhältnisse des Taliban-Regimes, wurde nun die Stellung der Frau im Taliban kritisiert, Verstrickungen mit dem internationalen Drogenhandel verurteilt und der Begriff "Islamischer Terrorismus" entdeckt. Einer langjährigen Kooperation folgte nun ein offener Krieg gegen Osama bin Laden und das Al Qaida Netzwerk. (1) Im August 1998 wurden in Tansania und Kenia die US-amerikanischen Botschaften bombardiert. "Es wurde niemals eine offizielle Beweisdarlegung veröffentlicht", so Stefan Gose, hauptamtlicher Mitarbeiter der "antimilitarismus information", im Dezember 2001. Die USA erklärten Osama bin Laden für verantwortlich. Es folgten Raketenangriffe gegen Al-Qaida-Zentren in Afghanistan und auf politischer Ebene wurden Wirtschaftssanktionen verhängt.

Im darauf folgenden Jahr 1999 wurde kontinuierlich stärker Druck aufgebaut und die Auslieferung Osama bin Ladens gefordert. Bei einem Gespräch von Vertretern der jeweiligen Außenministerien in Pakistan wurde angekündigt, dass Afghanistan für jegliche Terroranschläge bin Ladens zur Rechenschaft gezogen werde. Im Frühjahr 2000 begannen die US-amerikanischen Geheimdienste im Süden Afghanistans damit, gezielte Militärschläge gegen das Taliban-Regime durchzuführen (2)

Am 15. März 2001 berichtet die in Großbritannien erscheinende Militärfachzeitschrift "Jane`s International Security", dass die neue amerikanische Regierung einen Zusammenschluss mit Indien, Iran und Russland ins Leben gerufen hat. So entsteht eine neue Militär-Allianz mit dem gemeinsamen Ziel der Ausschaltung des Taliban-Regimes. Indien, Iran sowie Russland stellen der Nordallianz militärisches Gerät und unterstützen von Norden die Gegenoffensive gegen die Taliban.

Der britische "Guardian" kommentiert kurz nach den Anschlägen auf das WTC und das Pentagon: "Die Kriegsdrohungen für den Fall, dass die Taliban Osama bin Laden nicht auslieferten, wurden dem Regime in Afghanistan durch die pakistanische Regierung übermittelt (im Juli 2001 auf einer Konferenz in Berlin wurde Pakistan darüber informiert - A.S.), wie gestern aus hochrangigen diplomatischen Quellen zu erfahren war. Die Taliban weigerten sich, der Aufforderung nachzukommen, doch die Schärfe der Äußerungen, die ihnen übermittelt wurden, lässt es möglich erscheinen, dass bin Laden die Angriffe auf das WTC und das Pentagon vor zehn Tagen durchaus nicht aus heiterem Himmel heraus unternahm, sondern als Präventivschlag auf vermeintliche Drohungen der USA hin.(...)"

Sekundär steht hinter der US-amerikanischen Kriegsmotivation des "Wetteiferns um Einfluss, Macht und Märkte" die Söldnerwirtschaft: Soldaten und ein gut ausgebauter militärisch-industrieller Komplex. Geht es der US-amerikanischen Wirtschaft schlecht, so muss ein Krieg her. Die USA erzielten 1991 nach dem Golfkrieg zum ersten Mal seit 1982 einen Handelsüberschuss, basierend auf den 22,7 Billionen US-Dollar, die von den Koalitionspartnern in die US-amerikanische Staatskasse geflossen sind. (3)

Finanziert wird diese "Söldnerwirtschaft" letztendlich von den Steuerzahlern der Wohlstandsgesellschaften.

Zum Beispiel von der Bundesrepublik Deutschland, deren Bundeskanzler Gerhard Schröder nach den Anschlägen auf das WTC und das Pentagon am 11. September 2001 seine "uneingeschränkte Solidarität" gegenüber dem US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush erklärt hat und dessen Regierung den "Krieg gegen den Terror" mit neuen Verbrauchssteuern finanzieren will - Steuern, welche die VerbraucherInnen unabhängig von ihrem Einkommen belasten.

Anmerkungen:
1"Die Taliban, die Vereinigten Staaten und die Ressourcen Zentralasiens", Peter Symonds, Oktober 2001 - http://www.wsws.org/de/2001/nov2001/tal1-031.shtml & http://www.wsws.org/de/2001/nov2001/tal2.n01.shtml
 

2"Der Krieg in Afghanistan wurde lange vor dem 11. Sept. geplant", Patrick Martin, November 2001 - http://wsws.org/de/2001/nov2001/plan-n22.shtml
 

3"Der Zusammenhang zwischen neoliberaler Wirtschaftspolitik und Krieg", Maria Mies, 2000, aus: "Die Wahrheit über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien" Schrift des Internationalen Vorbereitungskomitees für ein Europäisches Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien

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Ansgar Schmidt war von 1996 bis November 2001 Bundessprecher der DFG-VK. Er ist Mitunterstützer der Anzeige gegen die Bundesregierung vom 12. November 2001 wegen des Verdachtes auf Vorbereitung eines Angriffskrieg