Beträchtliche Risiken beim Tarnkappenbomber

Der F-35-Bomber ist teuer und hat zahlreiche Mängel

von Simon Bödecker

Im Rahmen ihres 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungspaketes hat die Ampel-Regierung eine Bestellung von F-35-Tarnkappenbombern bei Lockheed Martin beschlossen. Diese sollen im Rahmen der nuklearen Teilhabe als Trägerflugzeuge für US-Atombomben dienen. Da die Beschaffung im Foreign Military Sales-Verfahren erfolgt, muss der US-Kongress sie billigen. Ein Vertragsabschluss wird im Herbst 2022 erwartet; das erste Flugzeug erhofft sich die Bundesregierung 2026. Allein für Beschaffung, Ausstattung und Bewaffnung der 35 Bomber stehen geschätzte Kosten von 8,5 Milliarden Euro im Raum. Doch dabei wird es nicht bleiben.

Der Jurist und Friedensforscher Johannes Mikeska hat das vermeintlich „modernste Kampfflugzeug der Welt“ für seine Studie „Die F-35: Viel Geld für wenig Sicherheit“ einer umfangreichen Analyse unterzogen. Demnach erfüllt der Flugzeugtyp – obwohl er bereits seit über zehn Jahren im Einsatz ist – bis heute nicht die Anforderungen an ein ausgereiftes Flugzeug. Die Liste der Mängel ist lang. Besonders gravierend: unzuverlässige Triebwerke, eine erschreckend geringe Einsatzbereitschaft und schwerwiegende Probleme bei der Softwareentwicklung. „Die Bundesregierung erwägt also den Kauf eines Kampfflugzeuges, das seine vorgesehenen Aufgaben möglicherweise gar nicht oder nur ab und zu wird erfüllen können“, schlussfolgert Mikeska.

F-35 nicht vor 2029 voll einsatzbereit
Im Anschluss an die milliardenschwere Beschaffung und mögliche kostspielige Nachrüstungen muss die Bundeswehr zudem mit hohen Betriebskosten für die F-35 rechnen. Mikeska veranschlagt hier sehr vorsichtig 14,25 Milliarden Euro für eine Nutzungsdauer von 30 Jahren, betont jedoch zugleich: „Die Risiken noch weiter steigender Betriebskosten sind bei der F-35 beträchtlich.“ Zunächst jedoch bleibe völlig unklar, wann die Entwicklung des für Deutschland vorgesehenen Flugzeugmodells F-35A Block 4 überhaupt abgeschlossen werde. Ein Datum vor 2029 sei unrealistisch.
Diese Unsicherheit beeinflusst vermutlich auch die geplante Stationierung neuer US-Atombomben vom Typ B61-12 in Deutschland. Die neuen Bomben sollen alle bisher in Europa lagernden B61-3 und B61-4 ersetzen. Die B61-12 lässt sich zielgenauer navigieren und verfügt über eine variable Sprengkraft. Kritische Stimmen wie Ohne Rüstung Leben warnen schon seit langem, dass dies keine positiven Eigenschaften sind. Im Gegenteil: Es ist zu befürchten, dass mit den vermeintlich kontrollierbareren neuen Atombomben auch die Hemmschwelle für ihren Einsatz sinkt. Die Gefahr, dass die Politik willentlich das Risiko eines Atomkrieges eingeht, nimmt dadurch auf bedenkliche Weise zu. Und sie würde künftig auch von Büchel ausgehen.

Katastrophale humanitäre Folgen
Es sind jedoch auch positive Entwicklungen zu erkennen: Die deutsche Bundesregierung sucht offenbar aktiv die Rolle als Vermittlerin zwischen den Staaten des UN-Atomwaffenverbotsvertrages (AVV) und den Atomwaffenstaaten in der NATO. Das ist ein wichtiger Fortschritt, zumal die Überprüfungskonferenz des zweiten zentralen Rüstungskontrollabkommens – des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) – im August 2022 erneut ergebnislos zu Ende ging. Und auch die wichtigste Botschaft des AVV scheint endlich in Berlin angekommen zu sein: Atomwaffen haben katastrophale humanitäre Folgen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach twitterte beispielsweise im August sichtlich beeindruckt über eine Simulation der gravierenden Klimafolgen eines Atomkrieges: „Milliarden Menschen würden unter der Rußschicht verhungern“.

Bundesregierung hat es in der Hand
So befindet sich die Ampel-Regierung an einem Scheideweg: Sie kann weiter auf die irrationale „nukleare Abschreckung“ vertrauen. Dann würden die neuen B61-12-Bomben in Büchel stationiert und die F-35-Kampfflugzeuge, sobald sie einsatzbereit sind, für die nächsten Jahrzehnte die Rolle des deutschen Atomwaffenträgers übernehmen. Deutschland bliebe potenzielles Ziel und potenzieller Ausgangsort atomarer Angriffe. Ein krasser Gegensatz zu allen Versprechen der Ampel-Parteien, sich aktiv für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen.

Doch so muss es nicht kommen. Deutschland könnte auch dem Weg der Annäherung an den AVV weiter folgen. Damit einhergehend wäre es durchaus möglich – wie im Friedensgutachten 2022 gefordert – die US-Atomwaffen bis 2030 aus Deutschland abzuziehen. Die F-35-Bomber müssten dann gar nicht erst für Atomwaffen ausgerüstet werden, sondern könnten andere Aufgaben übernehmen. Die Bundesregierung hat es in der Hand. Und Ohne Rüstung Leben arbeitet als deutscher ICAN-Partner weiter mit aller Kraft daran, dass sie sich für den zweiten, den vernunftgeleiteten Weg entscheidet.

Dieser Artikel erschien im Oktober 2022 in den „Ohne Rüstung Leben-Informationen“ (https://www.ohne-ruestung-leben.de/fileadmin/user_upload/zeitung/orl-inf...).

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Simon Bödecker koordiniert als hauptamtlicher Mitarbeiter die Öffentlichkeitsarbeit von Ohne Rüstung Leben und ist verantwortlicher Redakteur der Website unter www.ohne-ruestung-leben.de.