Alternative Ostermärsche

Der Ostermarsch lebt für den Frieden

von Bernhard Trautvetter
Initiativen
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Am Karfreitag, dem 15. April 1960, starteten Atomkriegsgegner*innen zum ersten Ostermarsch in Deutschland. Er endete mit einer Abschlusskundgebung am Ostermontag auf dem Raketen-Übungsgelände Bergen-Höhne. Dieses Ereignis markiert den Beginn einer Bewegung, die über Jahrzehnte hinweg durch Höhen und Tiefen einen langen Atem entfaltet hat, da die Notwendigkeit des Friedens und der Abrüstung über die Zukunft der Menschheit entscheidet.

Der alternative Ostermarsch hat 2020, sechs Jahrzehnte später, die Kreativität und Vitalität der Friedensbewegung selbst in Zeiten der Kontaktrestriktionen weiter entwickelt.

Viele Friedensfreundinnen und Friedensfreunde haben im bundesweit vom Netzwerk Friedenskooperative koordinierten „Alternativen Ostermarsch“ Friedensfahnen, -transparente, -kunstwerke oder einfache Plakate mit Friedensprüchen an Hausfassaden, wo sie wohnen, und an Brücken angebracht. Im Ergebnis zeigten sie ihre Friedensforderungen nicht den Menschen, denen sie während der Demonstration begegneten, sondern umgekehrt sahen Fußgänger*innen, die an ihren Häusern vorbei spazierten oder fuhren, die Friedenssymbole und Forderungen der Bewegung.

An mehreren Orten gab es ein Zusammenspiel der Ökologie- und der Friedensbewegung. So zum Beispiel bei der Aktion im Ruhrgebiet, die den Namen „Der Ostermarsch kommt zu Dir“ trug: Friedensaktivist*innen backten Friedenstauben und gestalteten Ostereier kunstvoll als Friedensbotschaften. Fahrradkuriere der „Parents for Future“ brachten sie zu langjährigen und teils schon älteren Friedenaktivist*innen der Ostermärsche vergangener Jahre, diesmal unter Wahrung des Abstandgebots. Der Ostermarsch lebt auch im 60. Jahr nach den ersten Ostermärschen und die Aktiven verfolgen ihr gemeinsames Ziel auch weiterhin - mit neuen Kräften als Unterstützung.

In einzelnen Städten wie Jagel, Tübingen, Duisburg oder Schwerin fanden Friedensaktionen im öffentlichen Raum unter Einhaltung des körperlichen 'Distancing' statt.

„Nicht einmal die Corona-Krise konnte die Ostermärsche im sechzigsten Jahr ihres Bestehens stoppen. Wir sind begeistert von der regen Beteiligung an den kreativen Aktivitäten rund um die diesjährigen Ostermärsche! Das war der mit Abstand beste virtuelle Ostermarsch, den es je gegeben hat!“, erklärt Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative. Das Netzwerk Friedenskooperative dokumentiert hunderte Fotos von den alternativen Ostermarsch-Aktivitäten in ganz Deutschland auf der Website (1), die es dafür extra eingerichtet hatte. Dort zeigt sich die friedlich-solidarische Kreativität der Bewegung.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag erläuterte dazu: „Die Aktionsformen entwickelten sich spontan; so durch selbst gefertigte Banner und Plakate oder bunte Pace-Fahnen aus den Wohnungen, Autos, Fahrrädern und bei Spaziergängen und in Nachbarschaftsbriefen. Besorgnis erregen Aufrufe und Maßnahmen der Regierenden, wonach wir Bürgerinnen und Bürger angesichts von Corona zu schweigen hätten. Unter Strafandrohungen wurden Ostermarschinitiativen aufgefordert, ihre Forderungen hintanzustellen. Doch, so wurde gefragt, wer hat die Defizite im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Infrastruktur, wie auch in der Bereitstellung von Medikamenten zu verantworten. Profit ging vor Menschenleben durch Abbau und Privatisierung der Gesundheitssysteme. Damit müsse Schluss sein." Die restriktiven Maßnahmen betreffen vor allem Verbote von Ostermärschen, wie Gunda Weidmüller vom Hamburger Forum im diesjährigen Ostermarsch-Video des Hamburger Forums und von Greenpeace anspricht. (2)

Die Corona-Krise legt erneut das Erfordernis einer weltumspannenden Friedenspolitik und Abrüstung offen. Viele Beiträge von Friedensaktivist*innen machten deutlich: Die Viruserkrankung würde keine Bevölkerung weltweit so heftig wie im Moment treffen, wenn die Milliarden, die für Rüstung und Krieg verbrannt werden, in eine vorsorgende Politik des Risiko-Managements und der Daseins-Vorsorge fließen würden. Die Gesundheitssysteme müssen besser ausgestattet werden; entsprechend ist eine genügende und bessere Ausstattung der Gesundheitseinrichtungen und eine angemessene Bezahlung von Fachkräften in medizinischen und pflegerischen Berufen sowie deren bestmögliche Qualifizierung unabdingbar.

Christiane Gregor von den „Parents for Future“ erklärte im Manuskript ihrer Ostermarsch-Rede den Zusammenhang von Gesundheits-, Ökologie- und Friedenspolitik: „Das Streben nach Klimagerechtigkeit und nach Frieden - das eine ist ohne das andere nicht möglich!“ (3)

Warnungen vor aktuellen Entwicklungen
Die Proteste der Friedensbewegung richteten sich ebenso gegen die aktuellen Gefahren der Militärpolitik: Silvia Rölle von der VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten wandte sich in ihrer Rede für den Ostermarsch Ruhr gegen Feindbilder wie die Dämonisierung Russlands und Chinas, die für die Hochrüstung herhält. Sie verband das mit der Erkenntnis, dass Militarismus die Demokratie zerstört und forderte konkret, dass statt Soldat*innen in Uniform medizinisches und pflegerisches Personal freie Fahrt mit der Bahn erhalten sollen.

Die Friedensfreund*innen wandten sich dagegen, dass das Verteidigungsministerium plant, 30 neue atombombenfähige Jagdflugzeuge anzuschaffen. Das steigert die Kriegsgefahr. Die Absicht vieler Militärpolitiker*innen und Militärs, Drohnen zu bewaffnen, wurde einhellig verurteilt, weil dies einen Schritt hin zu Völkerrechtsbrüchen, außergerichtlichen Tötungen und digital autonomisierten Krieg bedeutet.

Die EU-Militarisierung wurde in vielen Reden abgelehnt, ebenso das Ziel der NATO, zwei Prozent von der Wirtschaftsleistung für den Militärsektor vorzusehen.

Der SPD-Europa-Politiker Dietmar Köster forderte Klimaschutz statt Aufrüstung; dann würden auch genug Mittel zur Lösung der Flüchtlingstragödien zu Verfügung stehen.

Mehrere Redner*innen setzten sich ein für gewaltfreie diplomatische Konfliktlösungen und für die Weiterentwicklung der Abrüstungsverträge, statt ihrer Außerkraftsetzung. In vielen Online-Aktionen - viele Reden hat das Netzwerk Friedenskooperative online gestellt (4) - unterstützten die Aktiven die Forderung des UNO-Generalsekretärs nach einem weltweiten Waffenstillstand, da die Corona-Krise offenlegt, was wirklich gebraucht wird. (5)

Allseits war man sich einig, dass die Friedensbewegung mit dem Geist ihrer Solidarität und mit ihrer Jahrzehnte übergreifenden Beharrlichkeit eine Chance für die gesamte Gesellschaft darstellt. Das Motto „Ohne Frieden kippt das Klima“ umfasst im Wort „Klima“ nicht nur das meteorologische Geschehen, sondern auch das Klima zwischen den Menschen. Es wird nur dann eine Zukunft geben, wenn die Menschen sich gegenseitig als Brüder und Schwestern im Geiste  unterstützen, statt in Konkurrenz bekämpfen.

Zu dieser Botschaft der Ostermärsche 2020, bei denen Gewerkschaftler*innen, Pazifist*innen, Kommunist*innen, Grüne, Sozialdemokrat*innen und einfache Bürger*innen nun seit 60 Jahren gemeinsam aktiv waren, trug auch Konstantin Wecker bei, der seinen Liedbeitrag auf seiner Website zu Verfügung stellte. (6)

Anmerkungen
1 https://www.ostermarsch.de/,
2 https://www.youtube.com/watch?v=bhCmSsY8U7A und https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Live-Blog-Die-aktuellen-Entwicklunge...
3 https://www.friedenskooperative.de/alternativer-ostermarsch/reden/christ...
4 https://www.friedenskooperative.de/alternativer-ostermarsch/reden
5 https://unric.org/de/guterres-aufruf-zu-einem-globalen-waffenstillstand/
6 https://wecker.de/de/start.html

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Bernhard Trautvetter, Mitglied im Essener Friedensforum und Gründungsmitglied von Schule ohne Bundeswehr NRW, friedenspädagogisch und -politisch auch in der GEW NRW aktiv, Lehrer an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, Beiträge zu unterschiedlichen Themen u.a. in Zeitschriften wie neue deutsche schule, Friedensforum; eigene Website: www.fotolyrikart.eu.