"Der verschwiegene Atommüllkrieg - Tschernobyl in Jugoslawien"

von Veronica Engl
Schwerpunkt
Schwerpunkt

Den Einsatz radioaktiver Waffen bei den Bombardements Jugoslawiens hat die Nato bestätigt. Es sind Waffen mit sog. abgreichertem Uran (DU). Das ist eine euphemistische Bezeichnung, Es ist noch radioaktives Uran, dem nach einem Anreicherungsprozess das spaltbare Uran-235 entzogen wurde. Uran-238, Uran 234 und auch geringe Mengen Uran-235 und deren Zerfalllsprodukte sind noch darin enthalten. Da das Uran zuerst angereichert wurde, besteht es anders als das Uranerz in der Natur zu fast 100% aus Uran-238 und hat viele Vorteile für die Militärs.

Es ist billig, weil es der Abfall ist, der zu tausenden Tonnen seit Beginn der Nutzung der Atomenergie entsteht. Also wird versucht, es für zivile und militärische Zwecke zu "recyclen". Eine besonders perverse Art dieses "Recycling" ist die Herstellung und Anwendung von Urangeschossen.

Uran ist dichter und härter als Blei, es kann Bleiwände an Bunkern und Panzern durchschlagen. Beim Aufschlag entzündet es sich und verbrennt zu 20 bis 70 %. Dabei bildet sich ein radioaktives Aerosol, das vor allem Uran-238 feinstverteilt enthält. Dieses kann nun durch den Wind überall hingetragen werden. Es wird durch Menschen oder Tiere aufgewirbelt, sickert in die Erde und ins Grundwasser, wird in Flüsse und Seen gespült. Seine Halbwertzeit ist 4,5 Milliarden Jahre.

Das bei der Explosion übriggebliebene Uran wird durch die Hitze keramisiert, das heißt, es kann ganz leicht splittern. Die Splitter können mit dem Wind verweht werden, und können sich, z.B. bei der Explosion, im Körper von Mensch oder Tier festsetzen. Der feine Uranstaub aus dem Aerosol kann eingeatmet, von Pflanzen aufgenommen und eingebaut werden und in die Nahrungskette von Tier und Mensch geraten. Das ist etwas ganz anderes, als natürlich vorkommende Uranbrocken.
 

Uran-238 ist ein Alpha-Strahler, das heißt, die Strahlung hat nur eine geringe Reichweite. Aber wenn Alpha-Partikel durch Atmung, Nahrung oder Wunden in den Körper gelangen, wirken sie natürlich in ihrer Umgebung ionisierend, was die Krebsrate erhöhen kann. Dies ist bei den Golfkriegsveteranen festzustellen und auch bei der Bevölkerung des Irak.

Im Körper gelangt das Uran zuerst in die Lunge und in den Magendarmtrakt. 60% davon werden innerhalb der nächsten Wochen ausgeschieden, aber 20-40% bleiben im Körper und sind noch Jahre später nachzuweisen. Irgendwann wandert es ins Blut, verursacht Schäden am Immunsystem und überall, wo es hinkommt.

Uran ist außerdem ein Schwermetall und schädigt als solches Nieren und Harnwege besonders. Es wird vom Körper mit Calzium verwechselt und wie dieses in den Knochen eingebaut.

DU ist eine Waffe, die vor allem Frauen und Kinder angreift. Frauen haben sehr strahlenempfindliche Gewebe, z.B. in Brust und Gebärmutter, und Kinder sind näher an der Erde, atmen also mehr Uran ein, wachsen noch und haben eine längere Lebensspanne.

DU ist radiotoxisch und chemotoxisch, das heißt, es ist eine von den UN geächtete Waffe.

Selbst wenn in Jugoslawien nur ein Teil der im Golfkrieg benutzten Menge an DU abgefeuert wurde, muss das Gebiet in Jugoslawien und den benachbarten Ländern extrem belastet sein.

Unter diesen Umständen hätte man nicht zulassen dürfen, dass z.B. Flüchtlinge in ein solches Gebiet zurückkehren. Das bedeutet, sie zu Krankheit, Tod und genetischen Schäden zu verurteilen. Dies ist Völkermord.

Zum Schutz der betroffenen Menschen ist zu fordern, die Mengen der abgefeuerten DU-Munition und die betroffenen Gebiete zu veröffentlichen und eine unabhängige Kommission mit Langzeit-Untersuchungen der Radioaktivität und anderer Gifte in Jugoslawien und den Nachbarländern zu betrauen. Die Menschen dort müssen in verständlicher Sprache gewarnt, aufgeklärt und medizinisch betreut werden und die Uran-Kontamination muss beseitigt werden.

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Veronica Engl ist Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin in Bielefeld und hat sich intensiv mit den schädlichen Folgen radioaktiver Niedrigstrahlung aus med. Sicht befasst.