Die Coordination gegen  Bayer-Gefahren e.V.

von Axel Köhler-SchnuraUwe Friedrich

Der "Arbeitgeber", eine Fachzeitschrift für Unternehmer etc., berichtet, daß bei Bayer mitunter bis zu 300 Leuten damit beschäftigt sind, die Akti­vitäten eines Bayer-kritischen Netzwerkes, der "Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V.", zu beobachten und Gegenstrategien zu ersinnen. Ein absolutes Novum in der Geschichte nicht nur dieses Multis.

Es begann im Mai 1978. Im Wupper­taler Bayer-Werk flogen die Fenster­scheiben rund um das Werk zu tau­senden raus: Bei Bayer war ein Kessel explodiert und versetzte die Bevölke­rung in Angst und Schrecken. Einige Wochen später fielen die Vögel tot vom Himmel und auf den Balkonen verwelkten die Petunien: Eine bei Bayer ausgetretene Giftwolke be­drohte die Anwohner des Werkes. Einen Tag nach dem zweiten "Störfall" gründete sich auf einer gut besuchten Versammlung empörter Bayer-Nach­barn die "Wuppertaler Bürgerinitiative gegen Bayer-Umweltgefährdung".

Die Wuppertaler lernten rasch, worauf sie sich eingelassen hatten. Ging es anfangs nur um die Produktionssi­cherheit im Werk, kamen rasch wei­tere Arbeitsgebiete hinzu: Umweltver­suchung, Medikamentebsicherheit, Gefährdung der Arbeitsplätze, soziale Sicherung, Transportunfälle, politi­scher Machtmißbrauch usw. Und vor allem erkannte die Bürgerinitative (BI), daß sie einem global agierenden Chemie-Giganten gegenüberstand, der in allen Ländern der Welt vertreten ist. Und was sich hierzulande abspielt, ist im Vergleich zu den Verhältnissen in den Ländern der "Dritten Welt" nur die Spitze eines Eisberges.

Aber die BI lernte auch Gleichge­sinnte kennen. öberall im In- und Ausland wehrten sich Menschen gegen den Chemie-Multi.

1983 wurde die "Internationale Coor­dinationsstelle - Aktiv gegen Bayer-Umweltgefährdung e.V." gegründet, die heutige "Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V.". Bereits bei der Eintra­gung des Vereins beim Amtsge­richt Solingen merkte das neugegrün­dete Netzwerk, mit welchem Gegner es zu tun hatte. Die Vereinseintragung war mit Hilfe einer einstweiligen Verfü­gung durchsetzbar, die Gemeinnützig­keit ist dem Netzwek bis heute ver­wehrt. In der Akte fand sich bereits 1984 ein Dossier des Polizeipräsiden­ten Wuppertal: "Bei dem neugegrün­deten Verein handelt es sich eine wei­tere, kommunistisch gesteuerte Initia­tive, deren einziges Ziel Agitation ge­gen die Fa Bayer AG ist." Und weiter: "Der ...postulierten Gemeinnützigkeit wird nachdrücklich widersprochen." 

Mittlerweile verfügt das Netzwerk über rund 4.000 Partner in ca. 40 Län­dern. In Vorstand, Projekt- und Standortgruppen im In- und Ausland arbeiten Menschen und Organisatio­nen unterschiedlicher Weltanschauun­gen zusammen. Der bedeutsamste Effekt unseres Selbsthilfe-Netzwerkes dabei ist wohl dabei ist wohl, daß wir den Menschen in aller Welt Mut ma­chen, sich gegen die scheinbare All­macht des Bayer-Konzerns - und auch anderer Konzerne - zu wehren.

Die "Kritischen Bayer-Aktionäre" (KBA) sind eine Projektgruppe der "Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V.". In ihr arbeiten rund 60 Bayer-Aktionäre zusammen. Aktiv unter­stützt wird sie von 700 weiteren Bayer-Aktionären. Sie haben es sich zur Auf­gabe gemacht, auf den jährlich Aktio­närsversammlungen des Bayer-Kon­zerns quasi als Gewissen des Kon­zerns das Wort zu ergreifen und die im Ge­schäftsjahr eingetretenen Probleme für Mensch und Umwelt in der Dis­kussion über Gewinn und Verlust zu erzwin­gen. Sie verweigern dem Vor­stand und den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat die Entlastung, weil sie dort die Ver­antwortlichen für die sich mit Bayer verbindenden ökologischen, sozialen und sonstigen Mißstände se­hen.

Es ist nicht Anliegen der KBA , die Mehrheitsverhältnisse bei Bayer zu verändern. Bei einem Grundkapital von ca. 3 Mrd. DM bzw. mehr als 50 Millionen Aktien † DM 50.- ist stets eine sichere Mehrheit in den Händen von wenigen Dutzend Großbanken und anderen Kapitaleignern. Den KBA geht es um die direkte Anspra­che der Verantwortlichen im Konzern. Wenn sich diese keinem öffentlichen Dialog um die sich mit Bayer verbin­denden Probleme stellen, so ist es we­nigstens auf den Hauptversammlungen möglich, sie direkt, persönlich und öf­fentlich anzusprechen. So mußte sich z.B. 1988 der Bayer-Vorstand die lange Liste der Mißstände bei Bayer/Peru aus erster Hand anhören. Auf Einladung der KBA sprach der peruanische Gewerkschaftssekretär des dortigen Bayer-Werkes.

Das Bayer-Imperium

Der multinationale Chemie-Konzern Bayer, 1863 in Wuppertal als Kunst­farbenbetrieb infolge des steigenden Farbenbedarfs der sich explosionsartig entwickelnden Textilindustrie gegrün­det, umfaßt heute ein Imperium nach Bayer-Angaben von ca. 400 Firmen und Gesellschaften, davon ca. 300 mit Sitz im Ausland. Viele dieser Firmen und Gesellschaften haben verschie­dene Werke oder Niederlassungen, sodaß sich insgesamt ca. 600 bis 700 Fabrikationsstellen bzw. Handelsver­tretungen in allen Ländern der Erde ergeben. 

 

Daneben gibt es ein nicht unbe­trächtliches Schattenimperium, das alle Beteiligungen mit weniger als 50% aller Firmen umfaßt , die von Bayer ohne jeden Besitz dominiert werden, und alle Gesellschaften, die von Bayer einfach in den Beteiligungslisten nicht offengelegt werden. Man muß davon ausgehen, daß den jeweiligen offiziel­len Bayer-Zahlen 30 bis 50% hinzuge­rechnet werden müssen. Nach gelten­dem Recht ist der Konzern nicht ge­zwungen, seine wirtschaftliche Struktur umfassend offenzulegen.

 

Der Stammsitz des Konzerns liegt in Leverkusen, einer Kleinstadt am Rhein bei Köln. Nach offiziellen Zah­len ca. 170 Tausend, nach Schätzungen ca. eine Viertel-Million und mehr Menschen, arbeiten weltweit für die Bayer-Bilanz. Rd. 54% in der Bundes­republik, etwa 18% im restlichen Eu­ropa (incl. Türkei), ca. 13% in Nord­amerika, rund 9% in Mittel- und Süd­amerika, ca. 4% in Fernost und etwa 2% im Mittleren Osten und Afrika.

Damit ist die absolute Mehrheit der offiziell angegebenen Mitarbeiter in der BRD beschäftigt. Stellt man der Verteilung der Beschäftigten die Ver­teilung der Umsätze gegenüber, so er­hält man ein etwa anders Bild. Ledig­lich ca. 21% des Umsatzes werden in der BRD gemacht, etwa 37% im rest­lichen Europa, rund 21% in Nordame­rika, etwa 9% in Fernost, ca. 7% in Mittel- und Südamerika, und rund 5% im Mittleren Osten und in Afrika.

Auf Politik und Wirtschaft hat Bayer in seiner Geschichte stets Einfluß ge­nommen, um die eigenen Interessen optimal zu fördern. Das führt dazu, daß der Konzern bei beiden Weltkrie­gen als verantwortlicher Kriegstreiber auszumachen war und als solcher 1949 auch vor dem Nürnberger Tribunal als Kriegsverbrecher verurteilt wurde. Auch heute ist der Einfluß zu erken­nen. In Abstimmung mit Hoechst und BASF, eng erbundenen Schwestern, wurde u.a. der ehemalige BASF-Refe­rent Kohl zum Bundeskanzler und der Hoechst-beliebte Töpfer zum Umwelt­minister gemacht. Selbst Geldspritzen an Kohl in Höhe von vielen hunderttau­send DM wurde über den Bundesver­band Pharmazeutische In­dustrie be­kannt.

 

Die Bayer-Produkte

Zur Herstellung und Vertrieb seiner ca. 10.000 Produkte ist der Bayer-Kon­zern in 7 Sektoren gegliedert (alphabetisch):

  • AGFA-Ge­veaert/Film/Foto/Info­rmationstechnologie mit rund 7% des Umsatzes;
  • Anorga­nica/Polyurethaen/Lack­rohstoffe mit etwa 21%;
  • Landwirtschaft mit ca. 14%;
  • Organica/Farben mit etwa 14%;
  • Pharma mit rund 15%;
  • Polymere mit ca. 16%;
  • Sonstige mit 3% des Umsatzes.

Bayer begegnet einem nicht nur dort, wo das weltberühmte Bayer-Kreuz deutlich sichtbar ist. Der Konzern lie­fert Pharmazeutika für Menschen und Tiere, Pestizide und Farbe, Kosmetika und Kunstfasern, Fototechnik und -materialien sowie jede Menge Kunst­stoffe und Grundchemikalien für alle Zwecke und Bereiche. Insbesondere im Automobilbereich, wo Kunststoffe bereits ca. 20 bis 30% erobert haben, steht Bayer mit an der Spitze. Der neue maschinenlesbare Personalaus­weis wurde von Bayer entwickelt und auch bei der Space-Shuttle-Tour der BRD war der Konzern dabei. Ulf Merbold forscht für Bayer im Weltall.

Ein besonderer Geschäftszweig des Konzerns sind die chemischen Kampf­stoffe. Die erste dieser verhängnis­vollen Waffen kam aus den Bayer-La­bors und bis heute stammt jede maß­gebliche Weiterentwicklung von Bayer. Auch das neue VX der USA ent­springt einem Bayer-Patent.

Der Konzern - ca. Platz 30 der welt­größten Firmen , und zusammen mit Hoechst und BASF unter den ersten 5 - hat in seiner 125jährigen Geschichte noch keine ernstzunehmende Struk­turkrise erfahren.

Bayer-Pestizide töten Menschen

Pestizide sind Mittel, die Schädigun­gen von Nutzpflanzen fernhalten sol­len. Damit sollen sie in einer indu­strialisierten Landwirtschaft hohe Er­träge sichern. In der Bundesrepublik werden Pestizide von der Chemischen Industrie und den Behörden "Pflanzenschutzmittel" genannt. Tatsächlich aber müssen sie, um wir­ken zu können, lebende Organismen abtöten. Pestizide sind also Gifte. Sie werden üblicherweise nach den Orga­nismen unterschieden, die sie bevor­zugt töten.

Die meisten Pestizide wirken auf ir­gendeine Art im Stoffwechsel der Zielorganismen... und in der Regel nicht sehr spezifisch. Pestizide, die ausschließlich den Zielorganismus schädigen und sonst keine Wirkungen haben, existieren nicht. Hinzu kommt, daß sie niemals reine Wirkstoffe dar­stellen, sondern während der Produk­tion durch Nebenprodukte verunrei­nigt werden. Alle Pestizide haben durch Produktion und Formulierung (Mischung) vermeidbare oder unver­meidbare Nebenstoffe. Zum Beispiel ist in dem Pestizid 2,4,5-T grundsätz­lich das Seveso-Gift Dioxin enthalten.

Wurden 1965 weltweit etwa 2,7 Mio Tonnen Pestzide eingesetzt, so waren es 1980 bereits 4,6 Mio. Tonnen. Nach Schätzungen werden es im Jahr 1995 ca. 6,5 Mio. Tonnen sein, die global zur Anwendung kommen werden... vor allem auf den Märkten in Afrika, Asien und Latainamerika. Der Sektor Landwirtschaft bei Bayer setzte 1987 4,645 Milliarden DM um, das sind 12% des gesamten Jahresumsatzes. öber lange Jahre weltgrößter Pesti­zidproduzent, wurde der Konzern erst vor Kurzem von Ciba Geigy überholt. In der letzten Zeit fehlen die Beweise dafür, daß bundesdeutsche Unterneh­men weiterhin bei uns ver­botene oder beschränkt anzuwendende Pestizide im Ausland, vor allem in der "Dritten Welt" vertreiben. Konzerne wie Bayer halten sich diese Möglich­keit weiter offen. Der internationale Prospekt von Bayer empfiehlt den Einsatz des Schädlingsbekämpfungs­mittels Disul­foton für eine breite Pa­lette von Kul­turen und gegen eine Vielzahl von Schädlingen. In der Bun­desrepublik ist dieser Wirkstoff zwar noch für einen speziellen Anwen­dungsbereich zuge­lassen, hat für den Inlandsmarkt je­doch keine Bedeutung mehr. Ein Vertreter von Bayer er­klärte auf Nachfrage, daß der Konzern darauf Wert lege, daß sein Produkt in der Bundesrepublik zugelassen sei und bliebe. Schließlich würden einige Ent­wicklungsländer bereits überprüfen, ob die einzuführenden Pestizide auch im Herstellerland zugelassen seien. Die Weltgesundheitsorganisation WHO führt Disulfoton in der Giftklasse der extrem gefährlichen Mittel. Bayer ver­treibt es u.a. in Thailand und Kolum­bien.

Das Bayer-Produkt Aldrin, ein Chlor­kohlenwasserstoff (CKW), der sich im Boden zu dem noch gefährlicheren Dieldrin umwandelt und hoch akut to­xisch wirkt, ist in der Bundesrepublik und anderen Ländern bereits verboten, wird von Bayer aber noch u.a. in Peru verkauft.

Die Liste ließe sich fortsetzen... so ist z.B. noch immer nicht geklärt, inwie­weit Nemacur 10 von Bayer Ursache vin Vergiftungen von Tausenden Spa­niern im Jahre 1981 war. Durch das sogenannte Rapsölsyndrom wurden über 500 Menschen getötet. Welche Gefahren bei der Produktion dieser Stoffe vorhanden sind, ist spätestens seit der Katastrophe von Bhopal be­kannt. In Leverkusen, Brunsbüttel und Uerdingen produziert Bayer ca. 250.000 bis 300.000 Tonnen Phosgen jährlich - und transportiert es zum Teil per LKW über Autobahnen...

 

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Axel Köhler-Schnura ist Mitarbeiter der Cordination ge­gen Bayer-Gefahren-Gefahren e.V., Hof­straße 27a, 5650 Solingen 11, 0212/334954
Uwe Friedrich ist Mitarbeiter der Cordination ge¬gen Bayer-Gefahren-Gefahren e.V., Hof-straße 27a, 5650 Solingen 11, 0212/334954