Mani in anderen Bewegungen

Die Kurden sind Mani etwas schuldig

von Memo Sahin

In der Bundesrepublik lebt eine große kurdische Gemeinde. Einige von ihnen sind durch die Arbeitsimmigration in den 1960er und 1970er Jahren nach Deutschland gekommen. Ein anderer Teil ist infolge der Vernichtungs- und Vertreibungspolitik der Staaten im Orient, die Kurdistan unter sich aufgeteilt haben, wie die Türkei, Iran, Irak und Syrien, in die Bundesrepublik geflohen. Die Zahl der heute in Deutschland lebenden KurdInnen ist über die Eine Million-Marke angestiegen. Sie sind die zweitgrößte MigrantInnengruppe, werden aber von der Bundespolitik nicht als eigenständige Migrationsgruppe anerkannt. Sie werden immer noch nach ihren Pässen auseinanderdividiert und zu den Türken, Arabern oder Iranern gezählt.

In den 1980er Jahren herrschten in der Türkei die Putsch-Generäle, im Iran die Ayatollahs, im Irak Saddam Hussein und in Syrien Asad. In allen diesen vier Staaten wurden KurdInnen brutal unterdrückt, massakriert und vertrieben. Auch die darauffolgenden Jahre unterschieden sich nicht von den 1980er Jahren.

Diese massive und brutale Unterdrückung bewegte auch Mani. Zu den großen Demos in dem Bonner Hofgarten oder im Hunsrück wurden durch Manis Einsatz VertreterInnen der Kurden eingeladen, um über die menschenverachtende Politik zu berichten.

Friedenskampagne „Kurdistan: Schweigen tötet, Frieden jetzt!“
Im Jahre 1993 wurde unter Regie von Mani die von Dutzenden Friedens- und Menschenrechtsgruppen getragene Friedenskampagne „Kurdistan: Schweigen tötet, Frieden jetzt!“ gestartet.

Durch diese Kampagne und großen Einsatz von Mani und Kristian Golla wurde die damalige Hauptstadt Bonn bis Anfang der Jahre um 2000 ein Aktionsort für das kurdische Anliegen. Es wurden zahlreiche und vielfältige Aktivitäten, wie Mahnwachen und Kundgebungen vor dem Bundestag, Kanzleramt und Auswärtigem Amt, Hungerstreiks vor der Vertretung der UN, Aktionen vor der Botschaft der Türkei und des Iraks organisiert und durchgeführt. So wurde gegen die politische, wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit der Türkei und gegen die Auslieferung der kurdischen Flüchtlinge demonstriert. Kampagnen für die Gleichstellung der in der Bundesrepublik lebenden KurdInnen mit den anderen Migrantengruppen wurden initiiert, und zehntausende Postkarten, die als Beilage in den großen Tageszeitungen verbreitet wurden, an die Bundesregierung, an das Innen- und Außenministerium gerichtet.

Delegationen zu Newroz-Feiern, die damals von der türkischen Regierung brutal unterdrückt und bei denen Dutzende Menschen ermordet wurden, wurden entsandt. Dank dieser Reisen wurde z.B. im März 1994 der Einsatz der von der Bundesregierung an die Türkei verschenkten Radpanzer aus den Beständen der NVA in Kurdistan durch Fotos belegt, die in der Öffentlichkeit großes Entsetzen verursachten. Daraufhin wurden Waffenlieferungen an die Türkei zeitweise gestoppt. Im März 1992 musste wegen der heimlichen Waffenlieferung an die Türkei Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg seinen Hut nehmen und gehen.

Durch die Friedenskampagne wurde mehrmals die Auslieferung der kurdischen Flüchtlinge an die Türkei zeitweise gestoppt. Außerdem wurden Tourismusboykotts gegen die Türkei organisiert. So wurde versucht, die Bevölkerung zu sensibilisieren.

An dieser Stelle ist angesagt, eine Anekdote zu erzählen. Mani war Anfang der 2000er Jahren mit dem Vorstand von Pro Humanitate e.V. auf einer Monitoring-Reise zu unseren Projekten für die aus ihren Siedlungen vertriebene kurdische Bevölkerung in Kurdistan unterwegs. Sie haben die Projekte besichtigt und hatten ein bisschen Zeit. Ich sagte Mani, dass sie ein paar Tage an der türkischen Mittelmeerküste Urlaub machen sollten. Seine Antwort war wie ein Faustschlag auf meine Nase. „Wie kannst du es wagen, mir so einen Vorschlag zu machen. Wir waren doch diejenigen, die Tourismusboykott-Kampagnen gegen die kriegsführende Türkei organisiert haben. Und nun erwartest du von mir, dass ich in einem Kriegsland Urlaub mache.“ Nach dieser Antwort habe ich mich so geschämt, dass ich sie nie vergessen werde. So prinzipientreu war unser Mani, von dem ich unheimlich viel gelernt habe und noch vieles lernen wollte.

Dialog-Kreis und Pro Humanitate e.V.
In den 1990er Jahren tobte der Krieg der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung. Infolge dessen wurden über 4.000 Siedlungen und Dörfer vom türkischen Militär dem Erdboden gleichgemacht, über 3 Millionen KurdInnen vertrieben und etwa 40.000 Menschen ermordet.

Unter der Federführung von Andreas Buro haben wir im März 1995 einen Aufruf unter deutschen Persönlichkeiten verbreitet. „Krieg in der Türkei: Die Zeit ist reif für eine politische Lösung“ hieß die Überschrift des Appells, der innerhalb von zwei Wochen von etwa 150 Persönlichkeiten wie Günter Grass, Jürgen Habermas, Horst Eberhard Richter, Ulrich Gottstein, Johan Galtung, Hans-Peter Dürr und Irving Fetscher unterschrieben wurde. Einer der Erstunterzeichner war Mani.

Nach diesem Aufruf, dessen Resonanz so groß war und in vielen Zeitungen und Zeitschriften als Anzeige und Aufruf verbreitet wurde, haben wir im Mai 1995 die Arbeit des Dialog-Kreises gestartet. Parallel dazu haben wir im September 1996 einen Verein gegründet, mit dem wir humanitäre Hilfe für die aus 4.000 zerstörten Dörfern vertriebene Bevölkerung geleistet haben, zu dessen Gründungsmitgliedern Mani und Kristian gehörten. Seit der Gründung haben wir mit Hilfe des Internationalen Vereins für Frieden und Gerechtigkeit - Pro Humanitate etwa 60.000 vertriebene Familien, etwa eine halbe Million Menschen, u.a. mit Grundnahrungsmitteln unterstützt.

Die Arbeit des Dialog-Kreises und von Pro Humanitate e.V. wären ohne Manis Einsatz nicht vorstellbar. Er war immer der kühle Kopf der beiden Gruppen, ein Querdenker und ein Mensch mit Feingefühl und Empathie. Dutzende Unterschriftensammlungen zu unterschiedlichen Aufrufen und Flugblättern, Organisierung vieler Konferenzen und Symposien und die regelmäßig seit 1996 erscheinenden „Nützlichen Nachrichten“ wären ohne Unterstützung von Mani nicht möglich gewesen.

Bei dieser fast dreißigjährigen Arbeit für KurdInnen habe ich mich bei Manis Anwesenheit wohlgefühlt, und ich war mir sicher, dass die von Mani getragene Arbeit einen erfolgreichen Abschluss finden wird.

Ich und wir danken Dir, Mani, für Deine vielfältige Arbeit für die „Verdammten dieser Erde“.

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