Die SPD zum Kurdenkonflikt

Auf dem Kurdistan-Hearing des Netzwerkes im Dezember 1993 referierte auch Uta Zapf, SPD-MdB, insbesondere über die Erfahrungen einer Delegationsreise nach Kurdistan. Zugleich berichtete sie über verschiedene geplante parlamentarische Initiativen zu diesen Vorschlägen interviewte das FriedensForum Frau Zapf noch einmal Mitte Februar 1994. Für das FriedensForum stellte die Fragen Redaktionsmitglied Martin Singe:

FF: Auf dem Kurdistan-Hearing des Netzwerkes Friedenskooperative im Dezember 1993 hatten Sie, Frau Zapf, eine internationale Konferenz zur Kurdistan-Frage vorgeschlagen. Welche Initiativen konkreter Art hat Ihre Partei ergriffen, um eine solche Konferenz auf den Weg zu bringen und auf welcher Ebene sollte diese Konferenz angesiedelt werden?

Uta Zapf: Die SPD-Bundestagsfraktion hat am 12.11.1992 einen Antrag in den Bundestag eingebracht (Bundestagsdrucksache 12/3720), der eine friedliche, nicht-militärische Lösung des Kurdenproblems fordert und vorschlägt, eine internationale  Konferenz unter Beteiligung aller Staaten, in denen Kurden leben (Iran, Irak, Syrien und Türkei) einzuberufen. Bei der Zusammensetzung einer Konferenz kommt es sicher nicht so sehr auf den institutionellen Rahmen an, in dem sie stattfindet, sondern darauf, daß sich die Beteiligten und neutrale Vermittler an einen Tisch setzen und eine friedliche Lösung suchen. Das größte Problem wird dabei sein, wie die Kurden aus der Türkei beteiligt werden sollen, da die PKK als Organisation von allen anderen Beteiligten nicht als Verhandlungspartner akzeptiert wird.

Dieser Antrag ist zur Zeit im Geschäftsgang und wird vom Auswärtigen Ausschuß federführend beraten. Ich bin der Meinung, daß sich der Deutsche Bundestag mit diesem Antrag der Forderung des Europäischen Parlaments nach einer solchen internationalen Konferenz anschließen sollte. Zur Zeit ist die Durchsetzbarkeit eines solchen Antrages aufgrund der Politik der Bundesregierung gegenüber der Türkei sehr schlecht. Es macht aber wenig Sinn, eine so wichtige Forderung mit der Brechstange durch das Parlament zu jagen und damit nur eine Ablehnung zu provozieren. Dies kann der wichtigen Sache nicht dienen. Soeben ist eine andere wichtige Initiative der SPD gescheitert: CDU/CSU und FDP sind von einem gemeinsamen Antrag (Bundesdrucksache 12/6728) zurückgetreten, in dem die türkische Regierung zu einer friedlichen Konfliktbeilegung des Kurdenproblems und zur  Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte aufgefordert wird. Die SPD wird diese Initiative weiterverfolgen.

FF: Warum hat die SPD die Menschenrechtsdebatte im Bundestag Anfang Dezember nicht dazu genutzt, um eine Bundestagsresolution für  das Zustandekommen einer solchen internationalen Konferenz zu verabschieden? Hätte in dieser Menschenrechtsdebatte nicht überhaupt die Kurdistan Frage eine ganz gewichtige Rolle spielen müssen?

Uta Zapf: Die SPD hat die Menschenrechtsdebatte genutzt, um eine grundsätzliche Diskussion zur Warnung der Menschenrechte und zur Weiterentwicklung von Minderheitenrechten zu führen. Nicht nur im Zusammenhang mit der Kurdenfrage beklagen "wir Mord, Folter und Mißachtung von Menschenrechten. Weltweit hat sich die Menschenrechtssituation verschlechtert (nach Angaben von ai und anderen Organisationen). Eine allgemeine Menschenrechtsdebatte hat die Pflicht, nicht nur auf ein Problem in diesem Zusammenhang hinzuweisen. Die SPD hat im Rahmen dieser Debatte auch auf das Kurdenproblem hingewiesen.

FF: Welche konkreten Initiativen hat die SPD ergriffen, um auf das Außenministerium in Sachen Rüstungsexporte in die Türkei einzuwirken?

Uta Zapf: Die SPD hat mehrfach im Rahmen der Haushaltsberatungen der letzten Jahre den Antrag auf Einstellung der Rüstungshilfe für die Türkei gestellt. Ihr Antrag (Drs.) auf Einstellung von Waffenlieferungen an die Türkei und Ersatz dieser Lieferungen durch Wirtschaftshilfe (um vor allem auch die gravierenden Wirtschaftsprobleme in den unterentwickelten südostanatolischen Provinzen lösen zu helfen) wurde von der Mehrheit des Bundestages abgelehnt.

FF: Wie stehen Sie zum Verbot der kurdischen Organisationen in der Bundesrepublik, gibt es da unterschiedliche Positionen in der SPD?                  

Uta Zapf: Zum Verbot der kurdischen Organisationen in der Bundesrepublik gibt es durchaus differenzierte Auffassungen in der SPD-Bundestagsfraktion. Einhelligkeit herrscht darüber, daß Terror, Gewalt und Erpressung als Mittel zur Durchsetzung von politischen Zielen abgelehnt werden. Wer Anschläge auf türkische Menschen und Institutionen in Deutschland verübt, wer den Tod von unschuldigen Menschen billigend in Kauf nimmt, wer mit Entführungen und Anschlägen droht, kann als Organisation keine Unterstützung finden. Von daher ist das Verbot der PKK in der Bundesrepublik gerechtfertigt. Zweifel sind erlaubt an der politischen Wirksamkeit eines solchen Verbotes: Die terroristischen Aktivitäten von Teilen der PKK werden damit nicht wirksam unterbunden werden können und gleichzeitig gibt es viele Kurden, die die gewaltsamen Mittel zur Durchsetzung ihrer gerechtfertigten Forderungen nicht unterstützen, sich aber durch das Verbot kriminalisiert sehen. Die SPD unterstützt ausdrücklich alle Parteien und Organisationen der Kurden, die sich zu einer gewaltfreien, politischen Lösung des Kurdenproblems bekennen.

In einem umfangreichen Papier der Arbeitsgruppe Kurden der SPD-Bundestagsfraktion, das kurz vor der Verabschiedung steht, haben wir dies unmißverständlich niedergelegt.

FF: Welche Bedeutung hat es, daß in der Türkei die sozialdemokratische Partei an der Regierung beteiligt ist. Erschwert oder erleichtert das aus Ihrer Sicht eine mit dem kurdischen Volk solidarische Politik?

Uta Zapf: Die Tatsache, daß die sozial-demokratische Partei in der Türkei an der Regierung beteiligt ist, kann meines Erachtens eine positive Entwicklung der politischen Betrachtung des Kurdenproblems in der Türkei befördern. Die SHP hat 1990 als erste türkische Partei sich mit dem Südost-Anatolien-Problem in einem ausführlichen Papier beschäftigt, dies zu einer Zeit, als es noch in der türkischen Öffentlichkeit ein Tabu war, die Existenz der Kurden  wahrzunehmen.  Zwar ist es das Verdienst von Turgut Özal als Ministerpräsident wenigstens das Sprachverbot aufgehoben zu haben, der Verdienst der Sozialdemokraten in der neuen Koalition war es, eine politische Lösung des Kurdenproblems in die Koalitionsvereinbarungen  einzubringen (nachdem sie eine Listenverbindung mit der HEP, der kurdischen Arbeiterpartei, die inzwischen wieder verboten wurde, eingegangen war). 

Einige der Vorhaben aus diesen Koalitionsvereinbarungen wurden auch auf den Weg gebracht, scheiterten aber im türkischen Parlament an der mangelnden Mehrheit für eine Verfassungsänderung. Ohne eine solche Verfassungsänderung ist ein öffentliches Eintreten für mehr Rechte der Kurden eine Gefährdung für jeden einzelnen Abgeordneten, der sich damit in die Gefahr begibt, aufgrund der Terrorgesetze wegen Propagierung von Separatismus sich selbst strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen. Bestes Beispiel ist dafür Fehmi Isiklar, der stellvertretende Parlamentspräsident, der seines Amtes enthoben wurde, sein Mandat und damit seine Immunität verlor und jetzt einem Gerichtsverfahren entgegensieht, in dem ihm hohe Strafe droht.

Nicht zuletzt wegen des eskalierenden Terrors haben sich die politischen Fronten in der Türkei wieder verhärtet, ist eine militärische Lösung, wie sie konservative Kräfte, die Sicherheitsorgane und das Militär wünschen, wieder mehr in den Vordergrund gerückt. Zahlreiche SHP-Abgeordnete  unterstützen dennoch  auch unter dem Risiko der eigenen Gefährdung eine politische Lösung des Kurdenproblems, wie erst vor einigen Monaten in einer (überparteilichen) Resolution einzelner Abgeordneter.

FF: Frau Zapf, wir danken Ihnen für dieses Interview.

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