
Verlängerung bis Sonntag: Mehr als 1.300 Menschen haben unseren Ostermarsch-Aufruf, der in der taz, der Zeit und im Freitag erscheinen wird, bereits unterzeichnet. Bist du auch schon dabei?
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Kursbuch 2000
Wie soll die Bundeswehr weiterexistieren, wenn das Soldatenhandwerk ethisch infrage gestellt wird, zunehmend Frauen über Sicherheitspolitik mitentscheiden, die Finanzspielräume enger werden, die Konkurrenz zur Wirtschaft schärfer wird, junge Männer nicht zum Kriegsdienst "motiviert" sind? Dieser Frage geht im Diskussionspapier das Zentrum für Innere Führung nach, das im Entwurf vorliegt und auch in der Bundeswehr kontrovers diskutiert wird. Wir veröffentlichen Auszüge daraus nach einer Dokumentation der "Frankfurter Rundschau" vom 17. Juli 1989, damit unsere LeserInnen sich ein Bild über die Debatten der Militärs über eine "neue Sinngebung" und "innere Modernisierung" der Bundeswehr machen können. (GW)
Bevölkerungsentwicklung
Feststellungen
Dem Rückgang der Jahrgangsstärken steht bei derzeit gültigen Rahmenbedingungen ein nahezu konstanter Bedarf an Wehrpflichtigen gegenüber. Zum Schließen der Lücke werden neben der Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Monate körperlich eingeschränkt taugliche lebensältere sowie verheiratete Grundwehrdienstleistende und Reservisten vermehrt einberufen. Auf der anderen Seite finden Frauen verstärkt Zugang zu allen Berufen - auch bei Polizei, BGS und in verbündeten Streitkräften. Selbst Schlüsselpositionen werden zunehmend von Frauen bekleidet. Quotenregelungen sind nur ein Zwischenbehelf.
Auswirkungen
An alle Wirkungsfelder der Inneren Führung werden zusätzliche Ansprüche gestellt, vor allem an die Menschenführung. Dennoch sind Akzeptanz- und Motivationsverluste zu erwarten. Frauen werden im politisch-parlamentarischen Raum zunehmend über Streitkräftefragen mitbestimmen, ohne je mit der Bundeswehr in Berührung gekommen zu sein.
Forderungen
Wertewandel
Feststellungen
Der Wertewandel ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das bei der jungen Generation besonders ausgeprägt ist. Es handelt sich nach bisherigen Erkenntnissen weniger um eine Änderung von Werten als vielmehr um eine Änderung in der Rangfolge von bekannten Werten. Dabei läßt sich beobachten:
Akzeptanz- und Pflichtwerte (wie Fleiß, Gehorsam, Unterordnung, Pflichtbewußtsein und Ordnung) verlieren an Bedeutung, während die Bedeutung von Werten wie Selbstverwirklichung, Autonomie, Teilhabe, Kreativität und menschliche Zuwendung wächst. Die innere Bindung an Großorganisationen und die Identifikation mit Institutionen und Autoritäten nimmt ab. Überschaubares wird bevorzugt.
Der Glaube an Wissenschaft und Vernunft, an Fortschritt und Wachstum läßt nach, während der Gedanke an ein harmonisches Gleichgewicht mit der Natur und der Umwelt Anhänger gewinnt. Freizeit nimmt gegenüber Arbeit und Beruf einen höheren Stellenwert ein.
Im Beruf nimmt der Leistungsgedanke eine andere Qualität an. Man erwartet vom Arbeitsplatz weniger hohes Einkommen und Aufstiegsmöglichkeiten als vielmehr abwechslungsreiche, interessante Tätigkeiten und Teamarbeit, bei der man eigene Ideen einbringen und mitwirken kann.
Politiker aller Parteien reagieren auf diesen Wertewandel aus unterschiedlichen Gründen und machen sich daraus abgeleitete Forderungen zu eigen, z.B. Umweltschutz (Verminderung von Fluglärm, Manöverbelästigungen) oder Verzicht auf bzw. Einschränkungen von Hochtechnologien und Strategiephilosophien (Kernkraft, nukleare Abschreckung).
Auswirkungen
Die neuen Werte sind den traditionellen Erziehungszielen, dem Prinzip von Befehl und Gehorsam und der hierarchischen Struktur der Bundeswehr entgegengesetzt. Gehorsamsforderungen nur aufgrund von Amtsautoriät werden immer weniger akzeptiert oder nur noch aus Opportunismus befolgt. Hält die Bundeswehr an den traditionellen Erziehungszielen fest, besteht die Gefahr, daß sie sich von der gesellschaftlichen Entwicklung abkoppelt. Grundwehrdienstleistende, Reservisten, die jüngere Unteroffiziere und Offiziere tragen die neue Werte in die Bundeswehr hinein. Dadurch kommt es zu stärkerer Polarisierung und Pluralisierung der Meinungen. Besonders ältere Berufs- und Zeitsoldaten sind einem stärkeren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der sie zunehmend verunsichert.
Forderungen
Wehrmotivation
Feststellungen
Die Notwendigkeit von Bundeswehr und NATO wird zwar mehrheitlich bejaht, dennoch hat die Zustimmung zur Bundeswehr in der Gesellschaft abgenommen, besonders wenn ein persönlicher Beitrag zur Verteidigung gefordert wird. Je stärker die persönliche Betroffenheit und je höher der Bildungsstand, desto höher ist die Ablehnung, z.B. auch gegenüber Atomwaffen, Fluglärm, Manöverbelästigung, aktivem Wehrdienst und Wehrübung. Vorurteilsfreie Diskussion über Sicherheitspolitik ist vor diesem Hintergrund immer weniger möglich. Wehrdienst und ziviler Ersatzdienst werden im Bewußtsein der Bürger immer mehr als gleichrangig angesehen. Dem Ersatzdienst wird vielfach eine höhere moralische Qualität zugemessen. Nichtmilitärische Probleme werden als vorrangig empfunden.
Auswirkungen
Ein hoher Stand der KDV-Zahlen wird weiter erhalten bleiben. Die Rückstellungsanträge bei Einberufung zu Wehrübungen nehmen zu. Innerhalb der Streitkräfte wird über Ursachen, Bewertungen, Folgen und Abhilfemöglichkeiten kontrovers diskutiert. Daraus erfolgen Spannungen und Orientierungsprobleme sowie streitkräfteinterne Legitimationsdebatten. Militärische notwendige Rüstungs- und Strukturmaßnahmen werden erschwert. Künftige Grundwehrdienstleistende und Wehrübende bringen Motivationsdefizite mit, auch Zeit- und Berufssoldaten werden davon erfaßt. Mindere Wehrmotivation beeinflußt die Dienstmotivation negativ. Soziale Forderungen der Soldaten sind in einem Klima mangelnder Wehrmotivation schwerer durchsetzbar.
Forderungen