Doppelte Profite mit Rüstungsexporten und mörderischen Mauern

Doppelte Profite mit Rüstungsexporten und mörderischen Mauern

von Jürgen Grässlin
Schwerpunkt
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Im November 2019 zelebrierten Millionen Menschen in Deutschland und in der äUnion die Dreißig-Jahr-Feiern zum Fall der Berliner Mauer. Beschworen wurde allseits die friedliche Revolution, maßgeblich ausgehend von der kirchlich geprägten Friedensbewegung in der damaligen DDR.

Gelernt aber hat Europa nichts Gutes aus dem Einreißen der deutsch-deutschen Grenzmauer. Längst setzen Großkonzerne in der Europäischen Union die Errichtung neuer High-Tech-Grenzsicherungsanlagen um. Allen voran profitieren die Rüstungskonzerne Airbus S.A.S., Leonardo S.p.A. und Thales Group „von millionenschweren Aufträgen, die auch von der EU und ihren Mitgliedstaaten vergeben werden“. So das Ergebnis der Studie „The Business of Building Walls“ des globalisierungskritischen Netzwerk Transnational Institute, des spanischen Friedensforschungsinstituts Centre Delàs und der niederländischen Kampagne gegen Waffenhandel (Stop Wapenhandel). (Siehe Akkerman, Mark: „The Business of Building Walls“. November 2019; https://www.tni.org/en/businessbuildingwalls])

Seit 1990 sind laut Akkerman-Studie neue Grenzbefestigungen um Europa mit einer Länge von rund 1.000 Kilometern errichtet worden – was der sechsfachen Länge der deutschen-deutschen Mauer entspricht. Würde man zudem die „maritime Mauer“ des Mittelmeers hinzuzählen, „so wären die neuen Mauern sogar noch 4.750 Kilometer länger“, schreibt die taz.

Bewirbt sich die Industrie um Aufträge der Europäischen Union, so sprudeln die EU-Mittel, wie offizielle EU-Angaben belegen. Laut Akkerman-Studie seien „mindestens 900 Millionen Euro für Grenzmauern und -zäune, 676,4 Millionen für maritime Einsätze (2006 – 2017) und 999,4 Millionen Euro für virtuelle Mauern (2000 – 2019) ausgegeben worden“. Des Weiteren hätten die partizipierenden Konzerne der Rüstungs-, Schifffahrt- und Baubranche Milliarden Euro aus dem Fonds für die Außengrenzen der EU sowie aus dem Fonds für die innere Sicherheit abkassiert. Und die Zukunftsperspektiven für die Hersteller sind glänzend. Laut neuem EU-Rahmenbudget für den Zeitraum von 2021 bis 2027 sollen monetäre Mittel für den Grenzschutz erneut ausgeweitet werden (s. den Beitrag von Karl Kopp in diesem Heft).

Mit diesem FALL 06 haben wir uns beim GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE, dem zentralen Projekt des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), die Aufgabe gestellt, an ausgewählten Beispielen zu dokumentieren, wie Konzerne in aller Welt von Waffenlieferungen und der Abschottung profitieren. Im März 2020 veröffentlichen wir neben den oben genannten Fallbeispielen weitere, z.B. die Grenzsicherungssysteme im Norden Afrikas (Maghreb) und die Grenze zwischen Indien und Pakistan). Die Publikation erfolgt in Englisch, Spanisch und weiteren Sprachen auf der Website www.gn-stat.org.

Im Folgenden sollen drei Beispiele kurz skizziert werden.

Trumps Grenze zwischen den USA und Mexiko
Der Verlauf der US-amerikanischen-mexikanischen Grenze erstreckt sich gegenwärtig quer über den Kontinent über 3.185 km vom Pazifischen Ozean im Westen bis zum Golf von Mexiko im Osten.

The „Southern Border“ oder „La Frontera del Norte“ (je nachdem aus welchem Land sie betrachtet wird) steht heute in den Schlagzeilen, einerseits wegen Tausender mexikanischer, mittelamerikanischer und afrikanischer Migrant*nnen, die diese gefährliche Linie immer wieder zu überwinden suchen. Andererseits wegen des schon vor seiner Wahl 2016 formulierten markanten Anspruchs des US-Präsidenten Donald Trump, durch den Bau einer „mächtigen und schönen“ Mauer entlang der gesamten Grenze eine dauerhafte Lösung „for a safer America“ zu liefern.

Die vormals „weiche Mauer“ wurde mittels mehrerer Milliarden Dollar teurer Abschottungsprogramme stufenweise in befestigte Grenzanlagen verwandelt. Hierzu zählen breit angelegte Grenzdämme aus Beton mit doppelten Reihen von Stahlgitterzäunen, die Umsetzung von menschenverachtenden Abschreckungsprogrammen, die allmähliche Militarisierung der Grenzsicherung durch die mit immer raffinierteren Waffen ausgerüstete Border Patrol und jüngst auch durch die Army National Guard.

Die Border Patrol verfügt u.a. über Ausrüstung mit Kleinwaffen US-amerikanischer Hersteller, wie Smith & Wesson und Remington Arms, sowie Fabrikaten aus der Europäischen Union mit deren US-Niederlassungen, wie Heckler & Koch Defense (in Virginia), Glock Inc. (Georgia), SIG Sauer (New Hampshire), Beretta (Italien) und der Herstal Group (Belgien).

Die „virtuelle Mauer“, umfasst den Einsatz der weit in beide Länder reichenden Überwachung mittels elektronischer Geräte unterschiedlicher Herkunft, besonders aber mittels israelischer Überwachungstechnologie, vor allem des Unternehmens Elbit.

Die US Customs and Border Protection (CBP) führt Inspektionen an der Grenze durch. CBP Air & Marine verfügt über 500 Piloten und 250 Luftfahrzeuge. Seit September 2005 sind unbemannte Drohnen des Typs Elbit Systems Hermes 450 in Arizona an der Grenze im Einsatz, zudem vier Drohnen des Typs Predator im Einsatz.

Israels allseitige Abschottung
Israel hat auf dem Gebiet der elektronischen Grenzsicherungstechnologie, aber vor allem auf dem Gebiet der Drohnen-Technologie, eine Nische besetzt, in der es als „Weltmarktführer“ auftreten kann. Diese Marktführerschaft bedeutet: Technologie-Präsenz bei der Absicherung und Abschottung von Grenzen in Territorien, in denen islamistische Terrorgruppen ihren Machtbereich zu erweitern versuchen oder ethnisch verfolgte Freiheitskämpfer*nnen – wie in Kaschmir oder in Myanmar – um ihre Unabhängigkeit kämpfen.
Vor allem aber nutzt Israel seine technologische Überlegenheit zur Sicherung der eigenen Grenzen gegen feindliche Nachbarn wie Libanon, Syrien, Irak und gegen die palästinensischen Autonomiegebiete. Die Firma Elbit Systems Ltd z.B. baut derzeit einen bis zu 40 Meter in die Tiefe reichenden Zaun an der Grenze zu Gaza.

Ein Zaun mit elektronischen Sicherungssystemen entstand bereits auf dem Sinai an der Grenze zu Ägypten, ein weiterer wurde entlang der Grenze zum Libanon und zu Syrien auf dem Golan errichtet. Jetzt wird an der Grenze zu Jordanien, rund 400 km lang, eine dritte Sperranlage gebaut. Wenn alle diese Anlagen fertig sind, ist Israel nach Norden und Osten von Zäunen oder hohen Mauern mit elektronischen Grenzschutzsystemen wie Radar, Kameras und Bewegungsmeldern umgeben. Palästinensische Enklaven wie das Westjordanland, Ostjerusalem und Bethlehem sind von bis zu zehn Meter hohen Betonwänden eingeschlossen. Die Seeseite im Westen Israels und entlang des Roten Meeres im Süden wird von Küstenradar und Drohnen wie der Aufklärungsdrohne Heron überwacht.

Saudi-Arabien – das weltweit größte Border-Security-Programm
Im Jahr 2004 zog der damalige Rüstungskonzern EADS, jetzt Airbus, einen Auftrag an Land, der bis heute als das größte Border-Security-Programm weltweit gilt. Auftraggeber war das saudi-arabische Königshaus, der Auftragswert betrug rund zwei Milliarden Euro.
Airbus verpflichtete sich zum Bau eines ca. 5.000 Kilometer langen High-Tech-Zauns an den Nord- und Südgrenzen des Landes. Als Ziel wurde angegeben, das Einsickern islamistischer Terroristen aus Ländern wie Syrien, dem Irak, dem Libanon und dem Jemen zu verhindern, Waffenschmuggel zu unterbinden und Flüchtlingsbewegungen zu stoppen.

Firmen wie Airbus profitieren bei derlei Geschäften doppelt: Sie liefern High-Tech-Waffen für Milliarden Euro an die Kriegskoalitionäre Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und weitere arabische Staaten, die seit 2015 einen Krieg gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen führen. Und sie setzen noch einmal Milliarden mit der Errichtung von Grenzschutzanlagen um, die unter anderem das Ziel haben, die vom Krieg betroffenen Menschen an der Flucht – auch nach Europa – zu hindern.

Grenzüberwachungstechnologie von Airbus wird vielfach in Deutschland entwickelt und produziert, z.B. im Werk in Immenstaad am Bodensee mit 2.250 Mitarbeiter*nnen. Laut Airbus werden dort „Führungs-, Aufklärungs- und Überwachungssysteme“ sowie „Zieldarstellungsdrohnen für zivile und militärische Kunden“ und „Plattform-Hersteller für Hubschrauber, Kampfflugzeuge, Transportflugzeuge und UAV“ (unbemannte Luftfahrzeuge, Drohnen, d.A.) entwickelt und gebaut.

Die humanitäre Situation im Jemen wird sich weiter verschlimmern. Davon ist die für den Jemen zuständige Sprecherin des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Shabia Mantoo,  überzeugt. „Seit Beginn des Konflikts wurden insgesamt mehr als vier Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, von diesen haben viele mittlerweile versucht, nach Hause zurückzukehren [...]“

Noch riegelt der Krieg die Grenze nach Norden weitgehend ab. Ist er irgendwann einmal vorbei, dann werden der High-Tech-Zaun und die Meeresüberwachungsanlagen von Airbus weiterhin Menschen an der Flucht hindern. Flüchtende aus Somalia, Dschibuti und Äthiopien, die vom Jemen aus auf die arabische Halbinsel zu entkommen versuchen, werden durch den Zaun abgefangen.

Schon jetzt kommt es zu gewaltsamen Rückführungen, oft von denselben Schleppern, die die Leute ins Land gebracht haben, weiß Shabia Mantoo. „Gemäß UNHCR sind Zehntausende von Jemenitinnen und Jemeniten nach Dschibouti, Somalia und Äthiopien geflohen. Sie leben dann oft in denselben Camps wie die afrikanischen Flüchtlinge, die aus dem Jemen zurückgekehrt sind.“

Weitere wichtige Websites sind www.rib-ev.de, www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de und www.juergengraesslin.com.

 

INFOKASTEN

Liste ausgewählter Unternehmen,
die von der Abschottung profitieren

Die Unternehmensliste lässt sich in vier Rubriken unterteilen:

1) Großwaffensysteme und Abschottungstechnologie
• Airbus Group SE • BAE Systems Plc • Elbit Systems • Leonardo SpA • FLIR Systems Inc. • General Atomics • General Dynamics Corporation • Harris Corporation • Hensoldt Holding • Israel Aerospace Industries (IAI) • L-3 Technologies Inc. • Leidos Holdings Inc. • Lockheed Martin Corporation • Northrop Grumman Corporation • QinetiQ Group • Raytheon (The Raytheon Company) • Rheinmetall AG • Rockwell Collins Inc. • Saab AB • Safran SA • Smiths Group • Textron Inc. • Thales Group etc.

2) Kleinwaffen
• Beretta Holding • Colt Defence LLC • Fabrique Nationale Herstal • Jisrael Galili • Konzern Kalaschnikow (Ischmasch) • Heckler & Koch AG • SIG Sauer Group etc.
 
3) Militärfahrzeuge
• zahlreiche Hersteller militärischer Fahrzeuge,  u.a. Mercedes-Benz Military (Daimler AG).

4) Bauunternehmen
• zahlreiche Bauunternehmen, u.a. Fisher Sand & Gravel Company.

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Schwerpunkt
Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).