6x jährlich erscheint unsere Zeitschrift "FriedensForum" und informiert über Neuigkeiten aus der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeheft zu!
Der Jahresbericht der Jugendoffiziere 1988
Ein Jammerlied der Unlust
vonEnde Juli haben die Jugendoffiziere der Bundeswehr ihren Jahresbericht 1988 vorgelegt. Alle Jahre wieder berichten die Propaganda-(Unter-)Offiziere von ihren Bemühungen, den Sinn des militärischen Dienens den Jugendlichen dieser Republik zu verdeutlichen. Dazu setzt die Bundeswehr 66 hauptamtliche, ungefähr 650 nebenamtliche Jugendoffiziere und fast 650 nebenamtliche Jugendunteroffiziere ein. Dieses gewaltige Propaganda-Heer darf im Einvernehmen mit den Kultusministerien an bundesdeutschen Schulen Werbung für die Streitkräfte und deren Auftrag machen, während wehrkritischen Gruppen die Schultore weiterhin versperrt bleiben. Die Hauptaufgabe der "Träger der Öffentlichkeitsarbeit" ist die Darstellung militärischer und sicherheitspolitischer Grundsatzfragen mit dem Ziel der "junge(n) Generation und dem künftigen Wehrpflichtigen ... die Notwendigkeit des persönlichen Beitrages" zu erläutern.
Der nun vorgelegte Jahresbericht 1988 ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert, die Bilanz für die Bundeswehr verheerend. Sinkender Propagandaerfolg auf der ganzen Linie, so lautet das Fazit des Berichts.
Denn die Einsätze und die erreichten Teilnehmer der Jugendoffiziere sind in ihrer Gesamtzahl um 5% zurückgegangen. 1988 konnten die Jugendoffiziere nur noch 403.000 Schüler, Studenten und sonstige Bürger erreichen. Insbesondere der Einsatz an den Schulen hat merklich nachgelassen. Die Zahl der Einsätze ging um 7,3% und die Zahl der erreichten Schüler um 7% zurück. Nur in den Hauptschulen konnte die Bundeswehr zulegen, dies ist auch durchaus verständlich, da hier ein Klientel vermutet werden darf, daß sich vom "Arbeitsplatz Bundeswehr" eine scheinbare Fluchtmöglichkeit aus den hoffnungslosen Berufsperspektiven verspricht. Bei den Gymnasiasten ist das Interesse an den Bundeswehroffizieren am wenigsten ausgeprägt. Hier mußten die Jugendoffiziere einen Rückgang der Teilnehmer von 7% (Sek I) und 5% (Sek II) hinnehmen.
Einen wichtigen Grund für diese Tendenz sieht der Bericht in der abnehmenden Bereitschaft der zuständigen Lehrer, auf den Jugendoffizier als militärischen Fachmann zurückzugreifen. Aber auch die gravierenden Veränderungen im Ost-West-Verhältnis blieben nicht ohne Wirkung. So mußten die Jugendoffiziere in ihrem Bericht mit saurer Miene konstatieren: "Die Ankündigungen und militärpolitischen Vorschläge Gorbatschows sowie die begonnene Realisierung der ersten Abrüstungsabkommens (INF-Vertrag) haben dazu geführt, daß die Notwendigkeit bewaffneter Verteidigung weniger eingesehen und die noch bestehende Bedrohung und Fähigkeiten weniger wahrgenommen werden" (S.6)
Ein Kapitel über die Interessenlagen der Jugendlichen verdeutlicht, daß die Sicherheitspolitk und die Bundeswehr gegenüber Themen wie Arbeitslosigkeit, Umwelt, Kernenergie und Sozialabbau deutlich an Bedeutung verloren hat. Wenn ein Interesse an der Sicherheitspolitik vorhanden ist, dann steht vor allem der Wehrdienst und die Kriegsdienstverweigerung im Vordergrund. Dennoch versucht der Bericht diese Tendenz zu beschönigen. Man verweist lieber auf die leicht gestiegene Zahl erreichter Teilnehmer von Seminare, Projekttagen und -wochen oder bescheinigt den Jugendlichen einfach "durchschnittliche und geringe Kenntnisse" (S. 7). Bemerkenswerte Meinungen zur Sicherheitspolitik will man nicht zur Kenntnis nehmen. Schlagworte aus den Medien würden benutzt, Hintergrundwissen sei nicht vorhanden, allgemein hätten die Schüler und Jugendlichen nur unklare Vorstellungen von der Zielsetzung und Struktur der NATO. Daß die Jugendlichen aber durchaus in der Lage sind, sicherheitspolitische Diskussion kompetent zu verfolgen - wie viele Diskussionsveranstaltungen immer wieder belegen - wird von der Jugendoffizieren schlichtweg bestritten. Für die unterstellten Verständnisschwierigkeiten werden zum Teil absurde Gründe angeführt. Ursächlich sei u. a. die mangelnden Kenntnisse über die Systemunterschiede zwischen Ost und West und man scheut auch nicht die alte Leier vom "kaum noch vorhandenen Bedrohungsbewußtsein". So berichten die Jugendoffiziere mit Sorgenfalten, "daß weder die von der Ideologie des Marxismus-Leninismus noch dem totalitären System ausgehende militärische Bedrohung für Europa wahrgenommen werden oder wahrgenommen werden wollen." (S. 22)
Bei dieser Geisteshaltung darf man sich nicht wundern, wenn denjenigen Schülern, die zur Kriegsdienstverweigerung entschlossen sind, unlautere Gründe unterstellt werden. Das Innenleben sei wohl der Hauptgrund - "und nicht unbedingt Gewissensgründe." (S. 19). Die "realitätsgerechten" Zustandsbeschreibungen der NATO stoßen natürlich auf völliges Unverständnis bei den Jugendoffizieren, die hier ihrer eigenen Propaganda unterliegen. Dazu zwei Beispiele: "Häufig wird auch die Meinung geäußert, die NATO sei ein reines Militärbündnis und könne daher ohne weiteres mit dem Warschauer Pakt auf eine Stufe gestellt werden." (S. 20). Weiter heißt es dann: "Die NATO hat das Image einer schwerfälligen, auf östliche Vorschläge hilflos reagierenden, abrüstungsunwilligen und wenig Eigeninitiative zeigenden Organisation." (S. 20) Da bleibt den hilflosen Bundeswehr-Männern nur noch die letzte Argumentationsbastion: Die Grundlagenvermittlung sei halt so schwer, weil "die emotionale Festlegung zahlreicher Jugendlicher wenig Raum für verstandesorientierte Akzeptanz läßt." (S. 21). Bei der Dauerinflation sicherheitspolitischer Rationalitätsansprüche sind die Propaganda-Leute auch hier auf verlorenem Posten.
Ein besonders schlechtes "Wehr-Zeugnis" bekommen neben christlichen Jugendgruppen die Gewerkschaften ausgestellt. Deren Bereitschaft sei "noch geringer geworden als schon in der Vergangenheit" (S. 11). Hier mußte man sogar einen Rückgang von 30% hinnehmen. Selbst intensivste Anschmeichelungen der Propaganda-Leute ließen die Gewerkschaften kalt, man stieß - so der Bericht - "auf weitverbreitete Interesselosigkeit und zum Teil auch offene Ablehnung" (S. 11).