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Einleitung: Zum Beispiel Jugoslawien

Nach dem Golfkrieg ist der immer weiter eskalierende Krieg in "Jugoslawien" das vielleicht schwerwiegenste Ereignis für die Friedensbewegungen Europas. Er hat das verfestigt, was so viele Menschen schon nach dem Golfkrieg, den zu verhindern sie nicht in der Lage gewesen waren, fürchteten: Krieg ist wieder zum Mittel der Politik geworden. Er ist nach dem Fall der Mauern zwischen Ost und West immer noch auch in Europa gegenwärtig; von Nordirland über Jugoslawien bis in die ehemalige Sowjetunion. Seine Auswirkungen gehen weit über die direkt betroffenen Regionen hinaus. Den nationalen Armeen wie den internationalen Militärstrukturen konnte nichts besseres geschehen, haben sie doch neue Rechtfertigungen weiterzubestehen. "Intervention" heißt das neue Zauberwort, das "Verteidigung" abgelöst hat.
Die Friedensbewegungen finden demgegenüber nur langsam zu neuen, adäquaten Reaktionsformen gegenüber politischen Ereignissen, bei denen Massendemonstrationen wenig nutzbringend scheinen. die Notwendigkeit, sich einzumischen - zu intervenieren - bestreitet ja kaum jemand. Worum es geht, ist die Wahl der Mittel. Einer derzeit anscheinend erfolgreichen militärischen Intervention, der in Somalia, stehen zehn oder zwanzig Fälle seit dem 2. Weltkrieg gegenüber, wo lediglich vorgegeben wurde, für die Menschenrechte und Frieden einzutreten, tatsächlich es aber um ganz andere Dinge, um Rohstoffe und Machtsphären ging. Und wo das Leben der lokalen Zivilbevölkerung nichts zählte.
Aber nicht nur die sozialen Bewegungen wurden von diesen Entwicklungen schwer getroffen, auch die PolitikerInnen, die ihre Hoffnung in rasch zurechtgezimmerte übernationale "Sicherheitsstrukturen" legten. Die KSZE delegierte ihre Aufgabe vorsichtshalber direkt an die Europäische Gemeinschaft; letztere gab durch ihre erfolglosen - gelegentlich dilettantischen - Vermittlungsversuche denjenigen Auftrieb, die nie viel von friedlichen Lösungen gehalten haben. Das Eingreifen der Vereinten Nationen Anfang Januar '92 schien die Lage vorübergehend zu entspannen: Für Kroatien konnte ein Waffenstillstand vereinbart werden, der - nach drei bis vier Monaten - u.a. dank der Bemühungen der UN-BLauhelmtruppe hielt. Aber dann kam es ab Anfang April zum Krieg in Bosnien-Herzegowina, in dem die UNO-Vermittler und -Soldaten die gleiche Rolle spielen wie die EG-Vermittler und -Beobachter im Jahr zuvor in Kroatien, nämlich bestenfalls Stoff für viele zynische Witze liefern. Und wie alle vorausgesagt hatten, wurde dieser Krieg um ein Vielfaches schlimmer als alles, was zuvor in Kroatien geschehen war. Derzeit, Anfang 1993, ist noch kein Ende dieses Krieges absehbar.
Wenn die PolitikerInnen versagen, ist die Stunde der BürgerInnen gekommen. Im Sommer 1991 sind in allen Teilen des ehemaligen Staates Jugoslawien zahlreiche Antikriegsgruppen entstanden. In Serbien und der Vojvodina wissen sie einen hohen Prozentsatz der Bevölkerung - vielleicht sogar die Mehrheit - hinter sich, wenngleich die meisten Menschen Angst haben, sich öffentlich zu äußern und diese Mehrheit gegen den Krieg daher derzeit noch eine schweigende ist. In Osteuropa haben aber die BürgerInnen schon mehrfach bewiesen, wozu sie in der Lage sind, wenn sie diese Angst überwinden. Jenseits aller politischen Machtkalküle stellt sich daher die Frage, ob nicht allein ein Volksaufstand, der massenhafte Widerstand von Menschen gegen den Krieg, den gordischen Knoten der verschiedenen politischen und persönlichen Interessen, Vorurteile und der tatsächlichen Wunden, die in Geschichte und Gegenwart entstanden, durchschlagen kann.
Es ist ein Stück weit wegen dieser Hoffnung, daß wir das vorliegende Themenheft zusammengestellt haben. Das Themenheft ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil, dem "Hintergrundsteil", finden sich verschiedene Artikel über die politischen Entwicklungen im ehemaligen Jugoslawien. Eine größere Rolle als in der ersten Ausgabe spielt die Debatte umd eine Militärintervention, auf die mehrere Texte aus unterschiedlichen Gesichtspunkten her eingehen. Der zweite Teil, "Widerstand im Land", stellt die Arbeit der Antikriegsbewegungen vor. Der letzte Teil schließlich befaßt sich mit Aktivitäten der deutschen und internationalen Friedensbewegung. Die Zeittafel der Ereignisse, Adressen und Literaturangaben wurden in dieser Neuauflage in einen dokumentarischen Anhang verbannt, damit sie leichter zu finden sind.
Ein großes Problem bei der Edierung eines solchen Heftes ist nicht nur die Vielfalt in der Analyse und den Lösungsvorschlägen, sondern auch die Ideologisierung vieler immer wieder auftauchender Begriffe. Dies fängt schon beim Wort "Jugoslawien" selber an. Für die einen ist "Jugoslawien" eine Bezeichnung für etwas, was nicht mehr existiert und sie lehnen deshalb die Verwendung des Begriffes ab. Die anderen haben dieselben Probleme bei Begriffen wie "Ex-Jugoslawien"; sie verweisen darauf, daß Jugoslawien völkerrechtlich ja weiter besteht. Ähnliches gilt für Ausdrücke wie "Krieg" versus "Bürgerkrieg", für die Heraushebung der Vojvodina oder des Kosovos als eigene Länder und vieles andere. Wir haben darauf verzichtet, redaktionell in diesen ideologischen Wirrwarr einzugreifen und es den AutorInnen überlassen, ihre Begriffe ihrer Sichtweise entsprechend zu wählen.
In diesem Sinne hat dieses Heft daher keine "Linie" - im Gegenteil, unser Bemühen war, unterschiedliche Positionen zu Wort kommen zu lassen. Auf der anderen Seite haben wir genauso darauf verzichtet, alle Analysen und Positionen darzustellen. Es fehlen sowohl Artikel, die aus einer stark national geprägten Sicht den Krieg beschreiben, wie Beiträge aus einer bestimmten linken Ecke, die meint, der Wahrheit dadurch näherkommen zu können, daß sie die Verantwortlichkeit für den Krieg einfach umdreht und die Interpretationen von Milosevic und Co übernimmt.
Die Redaktion des "Friedensforums"