Embargo gegen den Irak beenden

von Joachim Guilliard
Im Blickpunkt
Im Blickpunkt
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Mehr als eine Million Menschen ließen im Irak nach Angaben von UN-Organisationen wie das Kinderhilfswerk UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation WHO als Blockadeopfer in den letzten zehn Jahren ihr Leben, darunter mehr als 500.000 Kinder unter fünf Jahren. Dem Irak wurden 1990 die umfassenden Wirtschaftssanktionen auferlegt, um ihn zum Rückzug aus Kuwait zu zwingen. Doch auch nach dem Rückzug der irakischen Truppen und der Anerkennung aller diesbezüglicher Resolutionen wurden die Sanktionen nicht aufgehoben, sondern mit neuen Forderungen verknüpft.

Diese Sanktionen sind die strengsten der Geschichte und die verhängnisvollsten: Die Kindersterblichkeitsrate hat sich mehr als verdoppelt, ein Drittel der irakischen Kinder leidet an Unterernährung und viele bleiben auf Dauer körperlich und geistig in der Entwicklung zurück. Auch die humanitären Ausnahmen vom Embargo und Hilfsprogramme, wie das Programm "Öl-für-Nahrungsmittel" können, da völlig unzureichend, die verheerenden, auch sozialen und psychischen Folgen der Sanktionen nicht verhindern.

Das Embargo gegen den Irak ist "keine Außenpolitik - es ist sanktionierter Massenmord", schrieben die US-Wissenschaftler Noam Chomsky und Edward Said.

Sanktionen mit so gravierenden Folgen für das Leben und die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung, sind mit keinen politischen oder sonstigen Zielen zu rechtfertigen. Sie verstoßen gegen fundamentale Menschenrechte und eine Vielzahl völkerrechtlich verbindlicher Konventionen und das humanitäre Völkerrecht.

So heißt es beispielsweise in Artikel 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dass "in keinem Fall ein Volk seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden darf". Und die Genfer Konvention verbietet das "Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegführung".

In einem Gutachten für den Unterausschuss der UN-Menschenrechtskommission macht der renommierte belgische Jurist Marc Bossuyt im August 2000 den Sicherheitsrat für die katastrophalen Folgen des Embargos voll verantwortlich. Bossuyt zufolge sind die Sanktionen eindeutig illegal. Da die Sanktionsmaßnahmen völkerrechtswidrig sind, dürfen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, auf denen sie fußen, nicht weiter beachtet werden. Denn der UN-Sicherheitsrat steht nicht über dem Völkerrecht. Nach Artikel 24 der UN-Charta gilt, dass er ausschließlich "in Übereinstimmung mit den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen" handeln darf.

Zudem betonen die "Prinzipien des Nürnberger Tribunals" die Eigenverantwortung gegenüber Anweisungen, die nicht mit internationalem Recht vereinbar sind. Es ist unannehmbar, dass ein Organ der UNO, wie der Sicherheitsrat, die grundlegenden Rechte der gesamten Bevölkerung eines Landes im Namen von "Frieden und Sicherheit" verletzt. Die zukünftige Nichtbeachtung der völkerrechtswidrigen Resolutionen gegen den Irak wäre daher auch ein Schritt zur Wiederherstellung der Autorität der Vereinten Nationen.

Das italienische Parlament hat sich im Juni 2000 mit großer Mehrheit gegen das Embargo ausgesprochen, ebenso im Februar des selben Jahres mehr als 70 Abgeordnete des US-Kongress. Auch Russland, Frankreich und eine Reihe anderer Staaten haben sich eindeutig für ein Ende der Sanktionen ausgesprochen. Wir fordern daher die Bundesregierung und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sich dem anzuschließen und zudem folgende konkrete Schritte zu beschließen:
 

  •  die Sanktionen gegen den Irak nicht länger zu beachten
     
  •  sich mit den europäischen Partnern, Russland, China und anderen Ländern über die Aufnahme normaler Handelsbeziehungen zum Irak zu verständigen und den Wiederaufbau des Landes mit angemessenen Mitteln zu fördern.
     
  •  sich an der Beseitigung von Umweltschäden, z.B. durch Uranmunition, zu beteiligen.
     
  •  sich für eine faire, der Leistungsfähigkeit des Irak angemessenen Neuregelung der Entschädigungszahlungen einzusetzen, die bis zur wirtschaftlichen Erholung des Iraks ausgesetzt werden.
     
  •  Den Rüstungsexport in die gesamte Region vollständig zu unterbinden und Abrüstungsmaßnahmen zu fördern.
     

Die vollständige Liste aller bisherigen Unterzeichner/innen ist zu finden unter: http://www.embargos/irak/aktionen/unterzeichner.htm

Ausgabe

Rubrik

Im Blickpunkt
Joachim Guilliard ist im Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg aktiv. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Irak und Mitherausgeber bzw. Koautor mehrerer Bücher.