ENAAT

ENAAT- Europäisches Netzwerk gegen Rüstungshandel

von Andrea Kolling

Das europäische Netzwerk gegen Rüstungsexporte - European Network against Arms Trade, ENAAT - ist eine Besonderheit im europäischen Raum. Es ist sicherlich eins der ältesten funktionierenden basisdemokratischen Netzwerke auf europäischer Ebene. Das ENAAT lebt ohne eine internationale formale Organisationsstruktur, was die Kommunikation erheblich erleichtert. So wurden und werden im ENAAT häufig Themen diskutiert, die sowohl national als auch international kaum bekannt sind.

ENAAT Diskussionen finden anschließend Eingang in eine breitere internationale Debatte. Genannt sei hier: "Rüstungshandel und Clean Investment", "Finanzierung des legalen Waffenhandels durch die Banken" oder "Subventionierung der Waffenproduktion durch die öffentliche Hand". 2007 haben ENAAT Mitglieder die Broschüre "Financing misery with public money" publiziert. Vorreiter war das ENAAT im Zusammenhang mit dem großen Korruptionsskandal Ende der 90iger Jahre, wo es um europäische Waffenlieferungen an Südafrika ging, in den auch deutsche Firmen involviert waren. Seit langem ist die Rolle von Rüstungshandel und Pensionsfonds im ENAAT ein Thema. In Deutschland wurde das Thema erst 2011 durch die Streubombenfinanzierung im sog. Riesterfonds bekannt.

Auf dem ENAAT Treffen in Oslo 2008 z.B. erläuterte ein Mitglied des staatlichen norwegischen Pensionsfonds ausführlich die dort geltenden ethischen Grundsätze. Grundsätzlich sind in Norwegen Hersteller von nuklearen Waffen oder Teilen, von chemischen, biologischen Waffen, von Antipersonenlandminen, von cluster bombs und Munition ausgeschlossen - also die völkerrechtlich geächteten Waffengattungen. So wurde EADS wegen seiner Beteiligung an Nuklearwaffenproduktion ausgeschlossen. Die norwegische Zivilgesellschaft hat einen Anspruch auf Information und Debatte um die Gelder des Fonds.

Neben dem BUKO aus Deutschland als einem der Gründungsmitglieder sind seit 1984 Gruppen aus England Campaign against Arms Trade den Niederlanden (Campagne Tegen Wapenhandel), Schweden (Swedish Peace and Arbitration Society), Belgien (Vredesaktie), Finnland (Peace Union of Finland), Frankreich, Italien (Banche Armate), Norwegen (Norwegian Peace Association), Spanien (Centre d`Estudis per a la Pau J.M. Del…s - Just¡cia i Pau), der Schweiz (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) als permanente aktive Mitglieder vertreten. Dazu kommen als internationale Organisationen das International Peace Bureau, War Resisters` International und die Quäker.

Die Mitglieder treffen sich mindestens einmal im Jahr, um sich auszutauschen und gemeinsame Kampagnen zu organisieren. Die interne Kommunikation läuft per Mail, und die formale und inhaltliche Gestaltung der jährlichen Konferenzen geschieht im Wechsel. So 2011 in Helsinki, 2010 in Amsterdam zeitgleich mit der EADS Aktionshauptversammlung, 2009 in Barcelona.

Ausführlich werden auf den ENAAT- Treffen immer die einzelnen Länder, ihre Rüstungsexportpolitik, Kampagnenschwerpunkte und Aktionen, als auch die Organisationsentwicklung dargestellt und diskutiert. Staatliche Subventionen, Korruption im Waffenhandel, parlamentarische Kontrolle, Transparenz und Veränderungen werden erörtert. Schwerpunktthemen sind z.B. der Rahmen und Struktur der europäischen Militarisierung, die Privatisierung des Krieges, der Waffentransit, nationalstaatliche oder industrielle Agenturen zur Förderung von Verkaufschancen ihrer Rüstungsprodukte . ENAAT-Kampagnen waren z.B. ein europäisches Waffenembargo gegen Indonesien unter Suharto und ein Waffenembargo der EU gegen Israel.

Highlights gab es viele, seitdem das ENAAT 1984 gegründet wurde. Highlights, was den Erkenntnisgewinn und was die internationale Wahrnehmung betrifft, wie die Einladung des Netzwerkes zu vielen internationalen Großkonferenzen der Sozialforen und der Anti-Globalisierungsbewegung sowie zu einer Konferenz im europäischen Parlament in Brüssel über europäischen Waffenhandel.

Ein Problem ist, dass das ENAAT-Netzwerk keine feste stabile Einbindung von Gruppierungen östlich von Berlin und Helsinki hat, was der Tatsache geschuldet ist, dass das Thema Waffenhandel dort aus Angst vor Repressalien kaum öffentlich thematisiert wird. Eindrücklich schilderte dies 2011 in Helsinki die anwesende Delegierte der sog. Soldatenmütter aus Petersburg. Sie sagte, in Russland sei es gefährlich, über Rüstungsexporte zu recherchieren, und eine offene Diskussion, wie sie das im ENAAT in Helsinki erfahren konnte, sei in Russland unvorstellbar.

Das nächste ENAAT-Treffen findet vom 14.-16.06.2012 zusammen mit Pax Christi in Berlin statt. Es beginnt am Donnerstagabend mit einem parlamentarischen Abend und am Freitagabend mit einer öffentlichen Veranstaltung zur Drohnentechnologie. Am Samstagvormittag stellen die einzelnen nationalen Kampagnen ihre Arbeit in den "country reports" vor, und am Nachmittag planen wir einen runden Tisch mit den deutschen Initiativen, u.a. zum geplanten Leopard II Export der Bundesregierung nach Saudi-Arabien.

Mehr Informationen auf der Website des ENAAT: www.enaat.org

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