Aktionstage in Büchel

Erfolgreiche Mobilisierung auch in Zeiten von Corona

von Paula Reichert
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Auch in diesem Jahr fanden eindrückliche Proteste am Fliegerhorst Büchel statt. Auf diesem Militärflugplatz lagern im Rahmen der deutschen Beteiligung an der nuklearen Teilhabe der NATO noch zwanzig US-amerikanische Atomwaffen. Im Rahmen der nuklearen Teilhabe nimmt Deutschland somit aktiv daran teil, dass Atomwaffen potenziell genutzt werden können. Deutsche Soldat*innen üben in Büchel den Einsatz von Massenvernichtungswaffen, welche die Sprengkraft der in Hiroshima eingesetzten Bomben um ein Vielfaches übertreffen. Die Stationierung steht im Widerspruch zu der Erklärung der deutschen Bundesregierung, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen (1), und dem Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 2010, der sich parteiübergreifend für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland aussprach. (2)

Um ihrer Ablehnung gegenüber der Atomwaffenstationierung in Deutschland Ausdruck zu verleihen, versammelten sich etwa einhundert Demonstrierende vom 3. bis zum 7. Juli 2020 in Büchel. Gerade in diesem Jahr stand der Protest ganz unter dem Eindruck der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den USA, die in Deutschland stationierten B61-Atomwaffen mit „zielgenaueren“ Waffen zu erneuern. Diese sogenannten taktischen Atomwaffen könnten in Zukunft dafür sorgen, dass  die Hemmschwellen für einen atomaren Angriff gesenkt werden.

Die Aktionstage konnten zur Erleichterung der Organisator*innen trotz einiger Widerstände stattfinden. Zum einen verweigerte die Wehrverwaltung die Organisation auf der Protestwiese. Ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht Koblenz sorgte dann dafür, dass die Genehmigung für die Aktionstage kurz vor der geplanten Anreise der Teilnehmer*innen erteilt wurde. Die Camp-Wiese direkt am Flugplatz konnte hingegen anders als in den Vorjahren nicht von den Teilnehmer*innen benutzt werden. Stattdessen übernachteten die meisten Demonstrierenden auf dem Campingplatz Pommern oder im Tagungshaus in Kail.

Zum anderen sorgte die Coronakrise für anfängliche Zweifel bezüglich der Durchführbarkeit der Proteste. Die Auflagen in Rheinland-Pfalz erlauben jedoch Veranstaltungen unter freiem Himmel mit bis zu 250 Personen. Aus diesem Grund wurde entschieden, die Proteste auch dieses Jahr unter besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen stattfinden zu lassen.

Bereits vor offiziellem Beginn wurde das Aktionscamp von engagierten Menschen aufgebaut. Am Freitag, dem 3. Juli reiste die Mehrheit der Aktivist*innen an. In einer ersten Erzählrunde wurde den Erfahrungen, Hoffnungen und Erwartungen verschiedener Menschen gelauscht. Am Samstag, dem 4. Juli wurden verschiedene Workshops angeboten, bei denen jeweils eine Person einen inhaltlichen Input zu einem Aspekt zu Nuklearwaffen anbot und anschließend mit den Teilnehmenden in einen fruchtbaren Austausch trat. So bot beispielsweise Sachiko Hara einen Theaterworkshop mit dem Titel „Erinnere Dich! Protestiere! Überlebe!“ an, in dem die Teilnehmer*innen gemeinsam Texte von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima lasen. Weiterhin gab es Workshops von Moritz Kütt zum Atomwaffenverbotsvertrag, von Arailym Kubayeva zum Widerstand in Mutlangen sowie von Karl-Wilhelm Koch zum Zusammenhang zwischen Kernkraft und Kernwaffen. Darüber hinaus sprach Daniel Oehler über die humanitären Folgen atomarer Einsätze und Johannes Oehler beschäftigte sich gemeinsam mit den Teilnehmer*innen mit der Tornado-Nachfolge.

Jeden Morgen wurden vor dem Haupttor Mahnwachen organisiert. Am Sonntag fand eine Friedenswanderung rund um den Fliegerhorst Büchel statt, bei der angereiste Aktivist*innen und lokale Gruppen gemeinsam ihrem Widerstand Worte verliehen. Elke Koller erzählte an verschiedenen Stationen vom lokalen Widerstand und von der Klage, die sie wegen der Atomwaffenstationierung gegen die Bundesregierung erhoben hatte.

Über das Wochenende waren die Aktivist*innen auch damit beschäftigt, die Geburtstagsfeier anlässlich des dritten Jahrestages des Atomwaffenverbotsvertrages am 7. Juli vorzubereiten. Dafür wurde eine überdimensionale Torte aus Kaninchendraht gebaut und liebevoll gestaltet. Der Vertrag wurde im Jahr 2017 wurde von 122 Staaten in der UN-Generalversammlung verabschiedet. Momentan befindet er sich im Unterschrifts- und Ratifizierungsprozess. Sobald 50 Staaten den Vertrag ratifiziert haben, wird der Atomwaffenverbotsvertrag zu geltendem Bestandteil internationalen Rechts und somit wird nicht nur der Besitz, sondern auch die Stationierung völkerrechtswidrig. Derzeit sind 40 Staaten dem Atomwaffenverbotsvertrag durch Ratifizierung beigetreten. Anlässlich des Geburtstages gab es Redebeiträge von Franca Brüggen zu den humanitären Konsequenzen von Atomwaffen, von Moritz Kütt zum Verbotsvertrag sowie von Remco Frank zur Situation in den Niederlanden. Antonia Klier und Josi Ngomo berichteten in ihrem Redebeitrag davon, wie der Atomwaffenverbotsvertrag sprichwörtlich auf die Welt kam – und welche nächsten Schritte er gehen kann.

Darüber hinaus hatten am Montag einige Aktivist*innen spontan das Tor 1 des Militärgeländes blockiert und störten somit den Zuliefererverkehr von zehn bis sechzehn Uhr. Durch diese Aktion konnten sie ihre Ablehnung gegenüber der US-Atomwaffen-Stationierung auf deutschem Boden besonders eindrucksvoll darstellen.

Musikalisch unterstützt wurden die Aktionstage in Büchel von Pablo Miró und Nicole Mercier.

Ein großes Dankeschön für die Aktionstage in Büchel gilt dem Organisationsteam (der „Nuklearen Planungsgruppe“), der IPPNW (International Physicians to Prevent Nuclear War), ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen) und nicht zuletzt den vielen Menschen, die dazu beigetragen haben, dass Büchel ein so inspirierender Protest wurde. Es gilt insbesondere hervorzuheben, dass sich jüngere und ältere Generationen in ihrem politischen Aktivismus zusammengetan haben und voneinander lernen können.

Anmerkungen
1 Die Bundesregierung (2017): Für eine Welt ohne Atomwaffen. Online unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/fuer-eine-welt-ohne-ato... [16.07.2020]
2 Der Bundestag (2010): Deutschland muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen. Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis90/Die Grünen. Online unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701159.pdf [16.07.2020]

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Paula Reichert ist Masterstudentin Internationale und Europäische Governance in Münster.