Somaliland

Erfolgsgeschichte in neuem Licht

von Raphael Bradenbrink

Die Geschichte, die gerne über Somaliland erzählt wird, ist die eines kleinen, ruhigen Fleckchen Erde, an der Nordküste Somalias gelegen, eingeklemmt zwischen den Konflikten und Katastrophen der umliegenden Staaten. Es ist die Geschichte eines Landes, das es geschafft hat, Stabilität und Fortschrittsdenken in das von Krisen zerrissene Horn von Afrika zu bringen und das dennoch nie als Staat international anerkannt wurde. Diese Geschichte ist stark von unserem Wunschdenken geprägt. Es ist an der Zeit, Somaliland realistisch zu betrachten, mit seinen Erfolgen und seinen Konflikten.

Die Erfolge, die Somaliland seit dem Ende der Union mit Somalia im Jahr 1991 vorweisen kann, sind, gerade im Vergleich zu Somalia, beachtlich: Demokratische Wahlen, mehrere friedliche Regierungswechsel, ein eigenes Gesundheits- und Bildungssystem und eine relativ stabile öffentliche Sicherheit. Basis dafür bildet ein politisches System, das den Vertretern der Clans eine entscheidende Rolle zuspricht. Der Ältestenrat ist als eine zweite parlamentarische Kammer, dem Guurti, organisiert und bildet so eine Balance zwischen den Strukturen der westlichen Demokratie und dem traditionellen Machtgefüge. Auch wenn die aktuelle somaliländische Regierung die demokratische Entwicklung durch Wahlverzögerung gefährdet, konnte keine demokratische Regierung in Mogadischu je eine solche politische Stabilität erzeugen.

Die Geschichte vom tragischen Helden Somaliland wird dadurch komplettiert, dass bisher kein Staat der Erde Somaliland als solchen anerkannt hat. Doch das bedeutet nicht, dass Somaliland international komplett ignoriert wird. Die internationale Staatengemeinschaft sieht in Somaliland eine autonome Region des föderalen Somalias, Teil des Somali Federal Government (SFG) in Mogadischu. Somaliland kann durchaus als internationaler Akteur agieren, wenn auch nicht als souveräner Staat. Die Regierung in Somalilands Hauptstadt Hargeisa unterhält Vertretungsbüros in einigen Staaten, sowie diplomatische Verbindungen zur Arabischen Liga, den Vereinten Nationen und der EU.

Internationale Anerkennung eines Staates bedeutet auch die Anerkennung seiner Grenzen, und Grenzziehung in Afrika ist ein hoch sensibles Thema. Um Grenzkonflikte nicht zu verstärken, orientiert sich die internationale Staatengemeinschaft an den Empfehlungen der Afrikanischen Union (AU). Seit den 1960-er Jahren hat sich, mit Ausnahme der Grenzen zwischen Eritrea und Äthiopien und zwischen Sudan und Südsudan nichts an den Grenzen verändert, die von den europäischen Kolonialmächten auf dem Kontinent gezogen wurden. Während Somaliland sich in den Grenzen des ehemaligen Britischen Protektorats Somaliland bestätigt sehen möchte, orientiert sich die somalische Regierung und die AU an der Union, die 1960 zwischen der ehemaligen italienischen Kolonie und dem britischen Protektorat geschlossen wurde. Die Regierung in Mogadischu argumentiert, dass durch eine Unabhängigkeit Somalilands sich weitere Sezessionsbewegungen legitimiert fühlen könnten und neue Territorialkonflikte innerhalb Somalias und über die Grenzen der Nachbarstaaten hinweg ausbrechen könnten.

Die Komplexität der Situation Somalilands wird deutlich, wenn man beachtet, dass die Regierungen in Hargeisa und Mogadischu einerseits an Annäherung und Kooperation interessiert sind, andererseits indirekt einen gewalttätigen Konflikt austragen. Die islamistische Al-Shabaab Miliz stellt für beide Regierungen eine große Bedrohung dar. Auch die gemeinsame Kontrolle des Luftraums und wirtschaftliche Kooperationen stehen bei den regelmäßigen Treffen zur Diskussion. Zudem kommt es seit Jahren regelmäßig zu Gefechten zwischen somaliländischen und puntländischen Truppen. Puntland ist ein autonomer Teilstaat des SFG, der die Grenze Somalilands nicht anerkennt und Anspruch auf die Kontrolle mehrerer Provinzen erhebt.

Innerhalb des sowohl von Puntland, als auch von Somaliland beanspruchten Gebietes der Provinzen Sool, Sanaag und Cayn hat sich in den letzten Jahren ein neuer Akteur herausgebildet. Ein Teil der Bevölkerung in diesem schwer zu kontrollierenden Gebiet hat sich von beiden Regierungen losgesagt und einen eigenen Staat ausgerufen, Khatumo State genannt. Während Khatumo State ein Teil des vereinten Somalias werden möchte, versuchen Somaliland und Puntland die Kontrolle über das beanspruchte Gebiet zu behalten und schlagen die Aufstände der Sezessionisten brutal nieder. Zum Leidwesen der Bevölkerung werden sich diese Konflikte in naher Zukunft nicht entspannen: Die Vermutung, dass unerschlossene Erdgas- und Erdölvorkommen unter dem kargen Wüstenboden lagern, schürt die Hoffnung auf schnellen Reichtum und Macht. Dies ist der Kontext, in dem die Erfolgsgeschichte Somalilands zu lesen ist.

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