Dringend gebotene humanitäre Hilfe für Flüchtlinge bleibt aus

Erneut deutsche "Militärhilfe" für das Besatzungsregime im Irak

von Joachim Guillard

Die Bundeswehr setzt auch 2008 ihre Hilfe für irakische Truppen fort. Wie das Magazin "Focus" voller Stolz berichtete, werden 70 deutsche Ausbilder in Abu Dhabi 250 irakischen Soldaten beibringen, "wie man einen Logistik- und Nachschubverband organisiert" und "einen 50-Tonnen-Tieflader durch losen Sand steuert"(1). Ob sie dafür tatsächlich die Hilfe des "weißen Mannes" brauchen, darf in einem Land, das seit den 1980er Jahren fast dauernd im Krieg ist, bezweifelt werden. Wichtiger ist sicherlich die Bereitstellung der Hardware für einen neuen Transportverband der irakischen Streitkräfte: 20 Schwerlasttransporter, 100 Krankenwagen und ca. 250 weitere Fahrzeuge im offiziellen Wert von 7,5 Mio. Euro.

Diese Spende reiht sich ein in zahlreiche ähnlicher Ausbildungs-und Ausrüstungsmaßnahmen für die neue, unter US-Führung aufgebaute Polizei und Armee. Nach dem 2006er Rüstungsexportbericht der GKKE (Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung) betrug der Wert der Rüstungslieferungen - hauptsächlich Militärfahrzeuge, Panzerteile und Kleinwaffen - 2004 insgesamt 32,9 Millionen und 2005 ca. 25 Millionen Euro.(2) Die BRD ist, wie Militärminister Franz Josef Jung bei der Unterzeichnung des Vertrags über die neue Lieferung betonte, sehr um eine langfristige militärische Zusammenarbeit mit dem Irak bemüht.(3)

Die Bundesregierung verkauft ihre militärische Unterstützung als humanitäres Engagement, als Hilfe zur Stabilisierung eines Landes, das nach der US-geführten Invasion in tiefes Chaos stürzte. Tatsächlich ist es aber eine direkte deutsche Unterstützung der Besatzungspolitik der USA. Der materielle Umfang ist sicherlich im Vergleich zu den Summen, die die USA jährlich für den Krieg im Irak ausgeben, recht bescheiden. Viel wichtiger ist die damit verbundene politische Unterstützung für die US-Politik im Irak. Diese besteht weiterhin vor allem darin, eine von radikal-islamischen und separatistischen Parteien getragene Regierung zu stärken und aus deren Anhang eine US-loyale Armee aufzubauen, die sie militärisch absichern kann.

Faktisch werden so einige extreme irakische Kräfte, die nur eine Minderheit repräsentieren, gegenüber allen anderen in Stellung gehalten. Dies ist auch das Urteil der pazifistischen Neigungen gänzlich unverdächtigen International Crisis Group (ICG). In einer recht realistischen Analyse zeigen sich auch die Experten der transatlantischen Denkfabrik überzeugt, dass die dominierenden Kräfte in der irakischen Regierung den Kreislauf aus intensivierter Gewalt und Gegengewalt weiter anheizen, um Nutzen aus einer Polarisierung der Gesellschaft ziehen zu können. Gleichgültig gegenüber den nationalen Erfordernissen, so die ICG weiter, würden deren politische Führer zunehmend zu "Warlords". Ausgerechnet die "Sicherheitskräfte", die offensichtlich mitverantwortlich für den aktuellen schmutzigen Krieg sind, zur Verringerung der Gewalt auszubauen, habe "die Weisheit einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung: Schritte, die genau den Prozess beschleunigen werden, den sie zu verhindern vorgeben".(4)

Wer nach Gründen für die fast vorbehaltlose Unterstützung der USA im Irak sucht, muss sich nicht mit der Bündnistreue begnügen. Zwar ist das Engagement deutscher Firmen im Irak noch recht zurückhaltend, das Handelsvolumen hatte jedoch 2005 das Vorkriegsniveau längst überschritten. Aktuell gehe es aber noch, so IHK-Vertreter, vor allem darum, Präsenz zu zeigen. Hier liegen deutsche Firmen an der Spitze. Bei der 4. internationalen "Rebuild Iraq"-Messe im Mai letzten Jahres in Amman stellten sie den größten Pavillon.

Deutsche Sicherheitsfirmen sind ebenfalls längst dabei, sich ein Stück aus dem lukrativen irakischen Kuchen zu holen. Die übernommenen Tätigkeiten reichen dabei laut GKKE bis zur Bewachung eines Ausbildungscamps der US-Armee im Irak. Wenn der Umfang auch im Vergleich zu Firmen aus den USA oder Großbritannien noch sehr bescheiden ist, so droht, dass dieses Gewerbe auch hier in Deutschland schleichend ausgeweitet und legitimiert wird.

Waffen und militärische Ausrüstung sind sicherlich das letzte, was der Irak benötigt. Auswege aus der Misere werden erst möglich, wenn die Besatzungstruppen das Land verlassen und die einseitige Unterstützung radikaler Gruppen beendet wird.

Wer dem Land wirkliche Hilfe bringen möchte, hat auch jetzt schon viele gute Möglichkeiten. So fehlen dem UN-Flüchtlingshilfswerk aktuell 261 Millionen Dollar, um die mehr als 2,2 Millionen Iraker versorgen zu können, die außer Landes flohen.(5) Den Nachbarländern Iraks, die mit der großen Zahl Flüchtlingen völlig überfordert sind, müsste auch noch anderweitig geholfen werden: Statt irakischen Flüchtlingen den Flüchtlingsstatus zu entziehen, sollte Deutschland seiner Mitverantwortung gerecht werden und einen größeren Teil derer aufnehmen, die ein mit deutscher Unterstützung geführter Krieg vertrieb. Die Bundesregierung könnte sich zudem auch der "Internationalen Initiative für die irakischen Flüchtlinge" anschließen (siehe www.iraktribunal.de), die dafür eintritt, dass für die Versorgung der Flüchtlinge ein angemessener Anteil aus den Öleinnahmen des Iraks zur Verfügung gestellt wird.(6)

Die Bundesregierung sollte zudem auf die USA und den Internationalen Währungsfonds einwirken, dass diese die ultimative Forderung nach Kürzung der Lebensmittelhilfen wieder zurücknehmen. Seit Beginn dieses Jahr enthält der Warenkorb, der seit 1996 das Überleben der meisten Iraker sicherte, statt 10 gerade noch 5 Arten von Lebensmitteln, und auch deren Menge wurde noch gekürzt. 60% der Bevölkerung sind von den Lebensmittelgutscheinen abhängig, vier Millionen Iraker sind laut Oxfam ohnehin schon nicht mehr ausreichend mit Lebensmittel versorgt - auf deutsch: sie hungern. Die Zahl der Kinder, die aufgrund chronischer Unterernährung im Wachstum zurückblieben, stieg seit 2003auf 28 Prozent.(7)

Dem irakischen Handelsministerium fehlen 5 bis 6 Milliarden Dollar, um in diesem Jahr wenigstens dieselbe Menge wie 2007 verteilen zu können. Auch die lag schon weit unter dem, was während des Embargos über das Öl-für-Nahrung-Programm zur Verfügung stand. Die fehlende Summe entspricht dem, was die USA aktuell innerhalb von 2 bis 3 Wochen für den Krieg im Land ausgeben.

Anmerkungen

  1. "50-Tonner im Wüstensand - Ausbildung irakischer Soldaten durch die Bundeswehr", Focus, 30.10.2007
  2. Rüstungsexportbericht 2006 der GKKE (Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung), Dezember 2006
  3. Meldung auf der Homepage der deutschen Botschaft in Bagdad im Dezember 2007
  4. "After Baker-Hamilton - What to do in Iraq", ICG, 19.12.2006
  5. UNHCR fordert 261 Millionen Dollar für Irak-Flüchtlinge", AP, 8.1.2008
  6. "Internationale Initiative für die irakischen Flüchtlinge" - Irakische Öleinnahmen für irakische Flüchtlinge, siehe www.iraktribunal.de
  7. Dahr Jamail, Ahmed Ali, "Saddam Provided More Food Than the U.S.", Inter Press Service, 27.12.2007, "Hungern wie im Krieg, Bahnt sich im Irak eine neue Katastrophe an?", Telepolis, 08.01.2008

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Rubrik

Krisen und Kriege
Joachim Guillard ist im Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg aktiv. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel zum Thema Irak und Mitherausgeber bzw. Koautor mehrerer Bücher.