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Europa 2000 ist unser Projekt
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Europäisch zu denken war nie ein Problem für die Linke - allerdings sehr kritisch, manchmal auch ohne eine alternative Konzeption zu haben. Wie sich heute herausstellt, trafen die vorausgesagten Befürchtungen tatsächlich ein, ohne daß es bisher politisch thematisiert wurde. Prominentestes Beispiel ist der Binnenmarkt. Der Ceccini-Bericht versprach damals großspurig ca. 4,4 bis 5,7 Mio. neue Arbeitsplätze durch eine einfache Rezeptur: Man nehme ein Datum und organisiere den Wegfall der Binnengrenzen und ein gigantischer Markt würde für mehr Wachstum und Wohlstand sorgen. Tatsächlich wurde das große Deregulierungsprogramm gerne von der Wirtschaft aufgenommen: Konzernzusammenschlüsse und Rationalisierungen bei steigenden volkswirtschaftlichen Gewinnen waren die Folge. Eine flankierenden Umwelt- oder Sozialpolitik ist nicht in Sicht. Arbeitskräfte wurden "freigesetzt". Nun soll nach derselben Rezeptur darauf eine Währungsunion aufgebaut werden. Man nehme ein Datum und die europäischen Währungen und lasse die Politik außen vor.
Weniger prominent ist das Beispiel der Agrarpolitik. Schon seit den 80er Jahren kritisieren BUKO und alternative Bauern das System der EU. Die Marktordnung, diene nur den Konzernen und nicht den Bauern - weder hier noch in der sog. Dritten Welt.. Die Bauern würden auf die Strategie "Wachsen oder Weichen" festgelegt, was zur Agrarindustrie und damit zur Zerstörung der Umwelt führe. Tatsache ist: Die Anzahl der Bauern hat sich drastisch verringert, die übriggebliebenen werden ziemlich direkt mit Umweltzerstörung und VerbraucherInnenängste in Verbindung gebracht. Die EU dominiert mit ihren Agrarprodukten den Weltmarkt und definierte machtpolitisch das liberalistische Welthandelsabkommen (GATT) und die neue Welthandelsorganisation (WTO) mit. Die Situation für eine ökologische Perspektive verschärfte sich nochmals durch die sog. Agrarreform, die für das Zustandekommen des GATT aus Kommissionssicht unabdingbar war.
Drittes Beispiel ist die Kritik am Zustandekommen und Inhalten der Europäischen Union. Jede Kritik, die intensiv auf die Gefahren des Artikel J (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) hinwies, in dem eine "gemeinsame Verteidigungspolitk" erwähnt wurde, wurde mit dem Vorwurf des "Alarmismus" überzogen. Gerne rückte man zu Zeiten des Zustandekommens des Maastrichter Vertrages alle KritikerInnen in die Nähe des "Nationalismus". Die hohe Kunst der Differenz wurde ad acta gelegt, da der mainstream der Bundesrepublik europäische Politik nicht mehr nach rechten und linken Strategien unterscheiden konnte und wollte. Heute wissen wir, daß ein wesentlicher Tagesordnugnspunkt der Überprüfungskonferenz 1996 eine Ausformulierung einer "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" ist, auf die in diesem Heft nicht weiter eigegangen wird.
Was ist heute politisch zu tun?
Wer heute noch sagt Helmut Kohl sei ein großer Europäer hat meines Erachtens schon verloren. Denn das hieße, daß die ganze bisherige rechte Europapolitik als die einzig Machbare dargestellt würde, was absurd ist. Heute ist zu fordern, daß eine politische Union entsteht, die diesen Namen verdient. Dafür ist nun einmal eine demokratische Grundlage unabdingbar. Da sollte auch die Linke mutiger werden und nicht erst hinterher die Konzepte kritisieren, sondern vorher die Ansprüche an Demokratisierung auf europäischer Ebene deutlich machen. Dort wo tatsächlich Politik stattfindet muß auch eine Linke präsent sein, sonst kann sie sich aus der Debatte verabschieden.
Das heißt eine inner-europäische linke Öffentlichkeit aufzubauen ist mit die größte Herausforderung. Dies muß nicht unbedingt ein Riesenaufwand an Reisen und Infrastruktur bedeuten. Allein die kritische Teilnahme an der Berichterstattung und der bundesrepublikanischen Politik, deren nationales Interesse ja allenthalben mit Händen zu greifen ist, ist schon wichtig. Die BRD ist mit das dominanteste Land in der jetzigen Europäischen Union. Eine gemeinsame Strategie der Kritik und der Konzeption von Alternativen muß hier in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit geleistet werden. Dies würde auch in anderen europischen Länder mit Aufmerksamkeit verfolgt werden. Selbstverständlich gehört auch eine Intensivierung der Kontakte der NGO's auf europäische Ebene dazu.
Eine gesamteuropäische Perspektive muß gerade auch aus friedenspolitischem Interesse heraus konzipiert werden und ist eine weitere zentrale Herausforderung. Die Europäische Union muß gesamteuropatauglich gemacht werden. Dazu bedarf es eines grundsätzlichen Umbaus des Agrarsystems, der Struktur- und Regionalpolitik und des Binnenmarktes. Diese Politiken werden als die zentralen Hindernisse für eine Erweiterung nach Osten bezeichnet. Es kann nicht darum gehen, daß die mittel- und osteuropäischen Länder sich diesen Strategien anpassen müssen und so lange warten, bis sie genauso strukturiert sind und dieselben Probleme produzieren, wie wir in der Europäischen Union. Sie müssen selbst ihren eigenen "kapitalistischen" und "bäuerlichen" Weg gehen können und trotzdem politisch in die Europäische Union aufgenommen werden.
Die mittel- und osteuropäischen Länder durch die NATO-Erweiterung zu integrieren ist der falsche Weg. Er ist scheinbar "billiger" für die beitrittswilligen Länder. Dies stimmt angesichts des Aufwandes der für den NATO-Standard getrieben werden müsste nun aber ganz und gar nicht. Militärhaushalte müssten aufgestockt werden, sind unproduktiv und nehmen Ressourcen weg, die für andere Dinge dringend gebraucht würden. Daß die NATO-Erweiterung prinzipiell gegen Russland gerichtet ist und damit konfliktverschärfend wirkt, braucht dem LeserInnenkreis dieses Heftes wahrscheinlich nicht erläutert werden.
Wer friedenspolitisch in der Europafrage weiterkommen will, muß sich mit ungewohnten Themen wie den politischen und ökonomischen Bedingungen in der Europäischen Union auseinandersetzen. Wer verhindern will, daß die harten Bereiche Währung und Verteidigung europäisiert werden, die Europäische Union vor Flüchtlingen dicht gemacht wird, die Politik den Staatsmännern überlassen bleibt, die ohne eine europäische Öffentlichkeit zu informieren, Entscheidungen treffen, muß jetzt politisch aktiv werden. Dies ist anstrengend aber eine Vernetzung der verschiedenen Kompetenzen von unten kann den richtigen Weg weisen.