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Ferienfreizeiten für Flüchtlingskinder in Kroatien
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Zu berichten ist hier von einer eher ungewöhnlichen Form des friedens-politisch-humanitären Engagements im ehemaligen Jugoslawien. Unter dem Motto "Urlaub vom Krieg" hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie im Sommer dieses Jahres in Zusammenarbeit mit verschiedenen kroatischen Initiativen Ferienfreizeiten für insgesamt 1.550 Flüchtlingskinder finanziert und organisiert, die in der in der Stadt Slavonski Brod und der umgebenden Region leben. Slavonski Brod liegt in Kroatien, direkt an den Grenze zu Bosnien-Herzegowina und ist immer wieder Objekt willkürlicher militärischer Attacken. Die Grundidee unserer Aktion war und ist es, den Kindern für eine befristete Zeit zu ermöglichen, Abstand von der Kriegs- und Flüchtlingssituation zu gewinnen, ganz normal leben und spielen zu können, ohne einen spontanen Granat- oder Gewehrbeschuß befürchten zu müssen.
Die Freizeiten auf den Adriainseln Hvar, Korcula und in dem Ferienort Makarska wurden durch eine Spendenaktion des Komitees finanziert, durch die insgesamt über 350.000 DM zusammenkamen. Darüber hinaus haben wir zwei Freizeiten auf Hvar auch aktiv pädagogisch begleitet. Auf dieser vor Split gelegenen Adriainsel ist vom Krieg nichts zu spüren. Zwar bleiben die deutschen und italienischen Touristen aus. Ansonsten aber herrscht eine mit Südfrankreich oder der italienischen Adria vergleichbare Urlaubsatmosphäre.
Unsere Anreise fand genau zu dem Zeitpunkt statt, als die von vornherein zum Scheitern verurteilten Verhandlungen über eine friedliche Beilegung des Konflikts um die Krajina geführt wurden. Während also - veranlasst durch einen Aufruf des Auswärtigen Amtes - zahlreiche UrlauberInnen die kroatische Küste verließen, reisten wir - fünf Erwachsene und zwei Kinder - am 3./ 4. August über Rijeka und Split nach Hvar, um dort auf eine erste Gruppe von 270 Kindern zu treffen, die eigentlich am 5. August durch eine neue Gruppe abgelöst werden sollte. Schnell wurde jedoch deutlich, daß der Krieg auch unsere Aktion nicht unberührt ließ. Wie wir vom Klaus Vack, der sich zu diesem Zeitpunkt in Slavonski Brod aufhielt (und der später über den Umweg Ungarn - Deutschland zu uns stieß), erfuhren, waren eine Rückreise der Kinder und eine Anreise der neuen Gruppe nicht möglich, da aufgrund der aktuellen Kriegshandlungen zu gefährlich. Auf diesen Sachverhalt reagierten die Kinder nun nicht, wie wir erwarteten, panisch oder verängstigt, sondern mit der Gelassenheit derjenigen, für die der Krieg zu Alltagswirklichkeit gehört. Zu dieser "Normalität" gehört es aber auch, daß zum Beispiel eines der Kinder am Telefon erfuhr, daß sein Vater an diesem Tag schwer verletzt worden war.
Überhaupt ist zu den nachhaltigen Eindrücken unserer Reise die - wie immer auch vordergründige und demonstrative - Unaufgeregtheit zu rechnen, mit der die Kinder und die sie begleitenden LehrerInnen, die InselbewohnerInnen sowie verbleibende Kroatien-UrlauberInnen (letztere nahezu ausschließlich in Deutschland arbeitende KroatInnen) die Kriegsereignisse kommentierten. Während wir ängstlich und verschreckt auf die Meldungen über den Krieg in den Krajina und später die Bombardierungen von Dubrovnik reagierten, war dies für sie kein Grund zu offenkundiger Besorgnis. Es scheint sich eine merkwürdige Mischung von Gewöhnung und Verdrängung entwickelt zu haben, die es erlaubt, unter den Bedingungen des Krieges ein "normales" Leben weiterzuführen. Darüber hinaus war festzustellen, daß die massive nationalistische und Kriegspropaganda der kroatischen Medien bei vielen KroatInnen, mit denen wir sprachen, auf positive Resonanz stößt. Kaum eine/r äußerte Kritik an den aktuellen Militäraktionen, eher war zu hören, daß ein Sieg in der Krajina ohnehin gewiss und "die Serben" keine andere Sprache als die der Waffen verstünden.
Zu den Erfahrungen unserer Reise ist auch zu rechnen, daß die Zusammenarbeit mit den Kindern wesentlich leichter war, als wir erwarteten. Sie reagierten auf uns nicht misstrauisch oder gar abweisend, sondern waren sofort bereit, sich auf unsere Angebote einzulassen. Es war sehr einfach, mit ihnen zu singen, zu tanzen, zu basteln, im Meer, Fußball oder mit dem Fallschirm zu spielen sowie in einer Mischung aus Deutsch und Englisch zu reden. Denn die Kinder waren froh, auf uns als Erwachsene zu treffen, die im Unterschied zu ihren LehrerInnen nicht distanziert und autoritativ, sondern offen und freundlich mit ihnen umgehen. Auch die als Familienmitglieder mitgereisten beiden deutschen Kinder wurden seitens der kroatischen Kinder sofort integriert. Erstaunlich war für uns insgesamt, gerade vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen mit Kinder- und Jugendfreizeiten in Deutschland, der außerordentlich konflikt- und aggressionsfreie Umgang der Kinder miteinander. In den zwei Wochen, während deren wir in Hvar waren, war kaum ein Streit oder ein Konflikt zwischen den Kindern zu beobachten, der einen Eingriff durch Erwachsene erfordert hätte. Wir sind nicht auf die "aggressiven Kriegskinder" getroffen, die wir erwartet hatten, sondern auf sehr freundliche und offene Kinder.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach dem Sinn unserer pädagogischen Begleitung zweier Freizeiten zu beantworten. Die Kinder erlebten es offensichtlich als sehr positiv, daß ihnen in Ergänzung zu den täglichen Strandgängen und der abendlichen Disco im Freizeitheim verschiedene Aktivitäten angeboten wurden, die ihren "Urlaub vom Krieg" bereicherten. Und dieser Urlaub führt insgesamt dazu, das konnten wir beim Wechsel der Gruppen erleben, daß die Kinder wesentlich entspannter und fröhlicher werden.
Die eigentliche Schwierigkeit der Aktion "Urlaub vom Krieg" liegt vielmehr darin, daß ein solcher eben zeitlich befristet ist. Als schließlich am 12. August die Rückreise der ersten und die Anreise der zweiten Gruppe möglich war- die Krajina war inzwischen erobert -, begaben sich die Kinder zurück nach Slavonski Brod, eine Stadt mit ca. 60.000 Einwohnern, in der in den vergangenen Jahren 40 Schulkinder durch Kriegshandlungen getötet wurden. Aber auch diesbezüglich wurden unsere Fragen an die LehrerInnen, ob sie denn keine Angst vor der Rückkehr hätten, mit der erwähnten Mischung aus Gewöhnung und Verdrängung beantwortet. Deutlich wurde aber auch, daß hinter dieser Gelassenheit erhebliche Ängste verborgen sind. Vielfach wurden wir z. B. nach den Chance gefragt, der Armut und dem Krieg durch eine Arbeitsaufnahme in Deutschland zu entfliehen. Gegenwärtig planen wir eine Fortführung der Aktion "Urlaub vom Krieg" - möglicherweise in veränderter Form - für das kommende Jahr. Angedacht ist eine Begegnungsfreizeit für kroatische, serbische und muslimische Kinder, die dann auch die Aufgabe hätte, der anhaltenden Erzeugung nationalistischer und ethnisierender Feindbilder entgegenzutreten.