Flüchtlinge ohne Recht auf Asyl

Flüchtlinge ohne Recht auf Asyl

von Martin Singe

Vor 15 Jahren wurde das Grundrecht auf Asyl nahezu perfekt aus dem Grundgesetz gestrichen. In einer von Demonstrierenden eng umlagerten Bannmeile beschloss der Dt. Bundestag am 26. Mai 1993, den Art. 16 durch einen Stummelartikel 16a zu ersetzen. Dieser konstruiert, dass Deutschland nur von "sicheren Drittstaaten" umgeben sei und dass die meisten Flüchtlinge sowieso aus "sicheren Herkunftsstaaten" stammten. Damit wird es praktisch unmöglich, in Deutschland noch Asyl zu finden, weil bereits die Einreise verhindert wird. So hat die Bundesrepublik Deutschland ein Grundrecht geschleift, das ursprünglich gerade in Erinnerung an Krieg und Faschismus als unantastbares Grundrecht in die Verfassung geschrieben worden war.

Den wenigen dennoch nach Deutschland gelangenden Flüchtlingen wird der Aufenthalt so schwer wie möglich gemacht. Die wenigsten werden anerkannt. Auf die meisten wird Druck ausgeübt, "freiwillig" wieder auszureisen, oder sie werden abgeschoben, zuvor oft in "Abschiebehaft" genommen. Sie werden sozial diskriminiert, das Asylbeweberleistungsgesetz hat den Zweck, kulturell und gesellschaftlich auszugrenzen, einer Integration entgegenzuwirken. Abschiebelager wie in Bramsche sind so konstruiert, dass der Druck zur "freiwilligen" Ausreise möglichst gesteigert wird. Statt mit Asyl-Anerkennungsverfahren beschäftigt sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zunehmend mit der Einleitung von Verfahren zur Asylaberkennung. So viele Aberkennungsverfahren wie noch nie wurden bereits im Jahr 2008 eingeleitet, nämlich 12.000 Verfahren. Erwartet werden noch weitere 25.000 Aberkennungsverfahren.

Dabei wird die Flüchtlingsabwehr und -bekämpfung längst europaweit koordiniert vollzogen. "Festung Europa wird Gefängnis" titelte die Frankfurter Rundschau am 24.5.2008 mit Bezug auf neue EU-Regelungen, die u.a. die systematische Ausdehnung der Abschiebehaft auf 18 Monate vorsehen. Die koordinierte Flüchtlingsabwehr ist ein zentrales Ziel in allen neueren Militärstrategien von BRD, EU und NATO. Sie wird an die Außengrenzen Europas vorverlagert und militär-polizeilich untermauert. Das Mittelmeer wird zum Massengrab für Flüchtlinge. FRONTEX mag hier als Stichwort genügen.

Wie die Kriege, die wir in der Ferne des Hindukusch führen, lagern wir auch das Problem der Flucht weit aus. Und die Geographie bestimmt dann schnell auch das Bewusstsein: genauso wie unsere Kriege wird unsere ausgelagerte menschenrechtswidrige Flüchtlingspolitik kaum noch wirklich wahrgenommen. Alles spielt sich - und das ist so gewollt - "out of area" ab, auch immer stärker "out of area" unserer Wahrnehmung.

Die Aktivitäten der Menschenrechts- und Flüchtlingsinitiativen zum 15. Jahrestag der Abschaffung des Asylrechts wollen versuchen, das Bewusstsein für die Probleme der Flüchtlinge zu schärfen. Unser Schwerpunkt, der das Thema Flucht und Asyl in verschiedenen Facetten beleuchtet, will dazu beitragen und motivieren, sich an politischen und praktischen Aktivitäten der Flüchtlingsunterstützung zu beteiligen.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".