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Frankreichs Atomstreitkräfte

"Wir haben uns am atomaren Wettrüsten nicht beteiligt, also werden wir uns auch nicht an diesem Abrüstungsprozess beteiligen."
(Frankreichs Verteidigungsminister Pierre Joxe, 1992
Etatkürzungen und eine veränderte Weltlage haben Frankreich gezwungen sein Atomwaffenprogramm zu verkleinern, doch die Entwicklung und Stationierung neuer Waffensysteme geht weiter. Da der Hauptfeind Sowjetunion verschwunden ist, richtet sich Frankreichs Atomdoktrin zusehends auf den Mittleren Osten und auf Nordafrika.
Anfang der 90er Jahre führte ein deutlicher Wandel in der französischen Atomrüstungspolitik zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags, zu einem Moratorium für Atomwaffentests und - wie behauptet - zu einer Aussetzung der Plutoniumproduktion für Atomwaffen im Jahr 1992.
Allerdings formiert sich zusehends eine Opposition gegen eine Fortsetzung des Testmoratoriums. Der Chef der Streitkräfte Admiral Jacques Lanxade hat erklärt, die Fähigkeit zur Durchführung von Tests müsse in allen ihren Aspekten erhalten bleiben. Der konservative Premierminister Edouard Balladur ist mit Präsident Mitterand über die Frage in einen offenen Konflikt geraten. Mitterands Amtszeit endet im Mai 1995. Premierminister Balladur hat bereits erklärt, seine Regierung werde keinen Teststoppvertrag unterzeichnen, solange sie der Ansicht ist, weitere Versuche seien "für die Glaubwürdigkeit unserer Abschreckung unentbehrlich"
Anlagen zur Herstellung von angereichertem Uran und Tritium sind noch in Betrieb; allerdings ist der Produktionsumfang nicht bekannt. Auf jeden Fall besitzt Frankreich zur Herstellung von Atomwaffen einen Vorrat von schätzungsweise sechs Tonnen Plutonium und 10-20 Tonnen Uran. Das ist mehr als genug, um seinen vorausgesagten Bedarf für neue Waffen zu decken.
Zwar wird das französische Testmoratorium teilweise als Beitrag zur Eindämmung der Atomproliferation charakterisiert. Doch es bedeutet keineswegs, daß Frankreich sein Atomwaffenprogramm aufgeben würde. Kurz nachdem das Moratorium beschlossen war, bekräftigte Verteidigungsminister Joxe, die nukleare Abschreckung werde für die französische Verteidigungspolitik zentral bleiben, solange keine "allgemeine, vollständige und verifizierte nukleare Abrüstung im Anschluss an eine endgültige Einstellung aller Atomwaffenversuche" erreicht sei.
Stand der französischen Atomrüstung
Wegen der veränderten Weltsituation hat Präsident Mitterrand eine Überprüfung der französischen Atomstreitkräfte mit dem Ziel angeordnet, "kurz vor dem nächsten Jahrhundert die Zukunft der atomaren Abschreckung Frankreichs und die Erhaltung ihrer Glaubwürdigkeit zu sichern."
Frankreich scheint entschieden zu haben, seine Atomwaffen auf eine Vielzahl von potentiellen Bedrohungen zu richten, vor allem auf jene Länder im Mittleren Osten und in der »Dritten Welt« welche die Möglichkeiten besitzen, Atomwaffen und/oder ballistische Langstreckenraketen zu entwickeln.
Ein mit Luft-Boden-Langstreckenraketen bewaffnetes Flugzeug vom Typ Rafale N kann Ziele in der Nähe von Moskau, irgendwo im Mittleren Osten oder in Nordafrika erreichen, und substrategische Atomwaffen an Bord von Flugzeugträgern können sogar noch weiter vorstoßen.
Gleichzeitig besteht unter französischen Politikern und Militärs Skepsis, ob Atomwaffen bei regionalen Konflikten als glaubwürdiges Abschreckungsinstrument dienen können. Französische Strategieplaner haben daher ein neues Konzept von konventionellen Vergeltungsschlägen entwickelt. Die Doktrin ist speziell auf die Abschreckung gegenüber Ländern der »Dritten Weltehen, sei es direkt oder dadurch, daß regionale »Aggressoren«dazu veranlasst werden, sich eigene Atomwaffen zu verschaffen.
Seit 1960 hat Frankreich zehn verschiedene Typen von Atomsprengköpfen in insgesamt 1.110 Exemplaren gebaut. Das Arsenal umfasst gegenwärtig vier Typen mit insgesamt 524 Sprengköpfen, deren gesamte Sprengkraft sich auf nahezu 100 Megatonnen beläuft. Frankreich will bis zum Ende des Jahrhunderts noch 130 Milliarden Francs (44 Mrd. DM) für seine Atomstreitkräfte ausgeben.
1970 besaß Frankreich etwa 36 Atomsprengköpfe mit einer Gesamtsprengkraft von 2.160 Kilotonnen oder ungefähr 144 Hiroshima-Bomben. Seinen größten Umfang hatte das Arsenal Anfang der 90er Jahre mit 540 Sprengköpfen. Es wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts auf 465 verkleinern, was dann noch einem Destruktionspotential von 8.240 Hiroshima-Bomben entsprechen wird.
Allerdings wird die Entwicklung neuer seegestützter ballistischer Raketen die Anzahl und Reichweite der Gefechtsköpfe vergrößern, die auf den neuen U-Booten der Triumphant-Klasse stationiert sind. Die Rakete M 45 ist in der Entwicklung und soll bis zu sechs TN 75-Gefechtsköpfe (100 Kilotonnen) bis zu 6.000 km weit transportieren können. Nur drei der neuen U-Boote werden mit der M 45-Rakete bestückt werden, da die Entwicklung einer fünften Generation von ballistischen U-Boot-Raketen bereits im Gange ist. Die neue Rakete mit der Bezeichnung M 5 wird eine noch größere Reichweite besitzen und sollte ursprünglich 12 Gefechtsköpfe tragen, wird aber möglicherweise letztlich nur mit 6 bestückt sein. Am Ende werden alle vier U-Boote der Triumphant-Klasse mit der M 5-Rakete ausgerüstet sein.
Gegenwärtig sind in der Regel zwei U-Boote mit je 16 ballistischen Raketen (zu je sechs Gefechtsköpfen) ständig auf See. Sie operieren im östlichen Atlantik, im Mittelmeer, in der Nordsee und der Norwegischen See.
Zur strategischen Bomberflotte gehören 15 Flugzeuge vom Typ Mirage IVP, die alle mit einer atomaren Langstrecken-Luft-Boden-Rakete bewaffnet sind. Anders als die USA, Russland und Großbritannien, hat Frankreich nicht verlauten lassen, daß es taktische Atomwaffen aus seiner Luftflotte genommen oder ausrangiert hätte; an Bord des Flugzeugträgers "Foch" befinden sich noch Luft-Boden-Mittelstreckenraketen (ASMP). Die Mirages IVP werden zwar 1996/97 außer Dienst gestellt. Doch soll mit der Einführung einer atomwaffenfähigen Variante des Flugzeugs Rafale D ein strategischer Atombomber seinen Dienst aufnehmen.
In unterirdischen Silos auf dem Platéau d'Albion in der Haute-Provence sind 18 ballistische Raketen (12) stationiert, die jeweils mit einem einzigen Sprengkopf (TN 61) bestückt sind und eine Reichweite von 800 bis 3500 km besitzen. Die Rakete Hades soll 70 jetzt erst außer Dienst gestellte Kurzstreckenraketen vom Typ Pluton in Nordostfrankreich ersetzen. 1994 befanden sich 30 atomar bewaffnete Hades-Raketen in den Depots.
Die nicht-strategischen französischen Atomwaffen sind ebenfalls reduziert worden. Die nichtstrategische (oder "prästrategische") Atomstreitmacht umfaßt heute 62 auf Flugzeugen stationierte ASMP-Luft-Boden-Raketen. Mit der "Charles de Gaulle" ist ein neuer atomarer Flugzeugträger in Bau, der so ausgerüstet sein wird, daß er ASMP-Atomraketen lagern und mit ihnen operieren kann. Zweck dieser taktischen Atomwaffen ist es, als "letzte Warnung" zu dienen, bevor Frankreich auf seine strategische Atomstreitmacht zurückgreift.
Frankreichs Atomindustrie
Unlängst hat Frankreich von den USA gigantische Computer geliefert bekommen, mit denen die Wirkung von Atomexplosionen simuliert werden können. Das im März 1994 herausgegebene Weißbuch zur Landesverteidigung erklärt, Frankreich werde sich auch künftig seine gesamten Kapazitäten zur Entwicklung und Herstellung von Atomwaffen erhalten.
In Frankreich sind die zivile Atomindustrie und die zur Herstellung von Atomwaffen nicht getrennt. Die französische Atomenergiekommission CEA (Commissariat ů l'Énergie Atomique) ist sowohl für die Förderung der zivilen als auch der militärischen Anwendung der Atomenergie zuständig.
Die Abteilung für militärische Anwendungen des CEA (Direction des Applications Militaires) besitzt die alleinige Zuständigkeit für Forschung, Entwicklung, Erprobung und Herstellung der französischen Atomwaffen.