Zur Beratungsarbeit des forumZFD in deutschen Kommunen

Gewalt vorbeugen – gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken

von Philipe Sufryd

Deindustrialisierung, demografischer Wandel und die Zuwanderung von Migranten verändern die Lebenswelten in deutschen Städten und Gemeinden. Viele Kommunen erleben diese Veränderungen vor dem Hintergrund erheblicher gesellschaftlicher Spannungen. Eine typische Reaktion ist die Aufstockung von Polizei und Sozialarbeit. Die kritische Auseinandersetzung mit kommunalen Reaktionsstrategien zeigt jedoch: Maßnahmen werden oft nur auf konflikt-aktive Zielgruppen ausgerichtet (z. B. Jugendliche), dahinter stehende konfliktfördernde Strukturen werden selten bearbeitet. Hinzu kommt: Kommunalverwaltungen und Entscheidungsträger sind – oft unwissentlich – Teil der Konfliktdynamik. Schließlich verfügen kommunale Akteure häufig nicht über die nötigen Kapazitäten, nachhaltige Konfliktbearbeitungsstrategien zu entwickeln. Um Stadtgesellschaften bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen, hat das Forum Ziviler Friedensdienst e.V. (forumZFD) auf der Grundlage der bewährten Methodik des Zivilen Friedensdiensts (ZFD) das Instrument der Kommunalen Konfliktberatung entwickelt. Gegenwärtig setzt das forumZFD externe Beratungsteams in zwei deutschen Städten ein: Im niedersächsischen Quakenbrück und in Oranienburg bei Berlin.

Entwicklung eines Handlungskonzepts zur Integration
Die malerische Kleinstadt Quakenbrück befindet sich mitten im Strukturwandel. Große Betriebe, u.a. Kynast, seinerzeit Europas größter Fahrradhersteller, haben ihre Produktion eingestellt. Aufgrund der ehemals starken Industrialisierung kamen viele Gastarbeiter, v.a. muslimische Griechen aus dem türkisch-griechischen Grenzgebiet. Seit 1990 sind über 2.200 AussiedlerInnen zugezogen. Der Wunsch unter ihnen ist groß, dass es die Kinder besser haben. Vielen jungen AussiedlerInnen fällt das Einleben aber schwer. Gelegentlicher öffentlicher Alkoholkonsum und Schlägereien erzeugen unter den Einheimischen ein Gefühl der Unsicherheit.

Die Arbeit des forumZFD in Quakenbrück lässt sich mit der einer Unternehmensberatung vergleichen. Nur dass das Beratungsobjekt kein Wirtschaftsbetrieb ist, sondern eine vielschichtige Stadtgesellschaft – mit VerwaltungsmitarbeiterInnen, KommunalpolitikerInnen, LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und natürlich mit ihren BürgerInnen mit und ohne Migrationshintergrund.

Im März 2009 wurde in Quakenbrück ein wichtiges Etappenziel erreicht: Das forumZFD stellte den „Vorschlag für ein Handlungskonzept zur Integration“ im Rat der Stadt vor. Den Vorschlag hatte das forumZFD zwischen August 2008 und Februar 2009 im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Ziviler Friedensdienst in Deutschland (ArGe ZFDiD) und finanziert durch die Stadt Quakenbrück und die Stiftung der Sparkassen im Landkreis Osnabrück erarbeitet. Bewusst wurden die lokalen Schlüsselakteure von Anfang an eingebunden, um die Lösungsschritte gemeinsam zu entwickeln. Auch Stadtverwaltung und Kommunalpolitik wurden einbezogen, um im Rahmen der Haushaltsaufstellung für das Jahr 2009 erste Voraussetzungen für die Umsetzung zu schaffen. Mit Erfolg: Ende 2008 verabschiedete der Rat einstimmig einen Haushalt für das Jahr 2009, der 50.000 Euro für die Umsetzung der Empfehlungen vorsah.

Hilfe zur Selbsthilfe
Szenenwechsel: Oranienburg, knapp 25 km nördlich von Berlin gelegen, wirkt auf den ersten Blick friedlich, fast verschlafen. Das war nicht immer so. Bis vor drei Jahren lieferten sich Jugendliche im Schlosspark regelmäßig zum Teil blutige Schlägereien. An diesen Gewaltausbrüchen waren verschiedene Gruppen beteiligt, doch fast immer auch junge AussiedlerInnen und rechtsextreme Jugendliche. Aber es geht nicht nur um Jugendliche: Im Plattenbaugebiet 'Mittelstadt' leben fast alle der 1.200 Oranienburger AussiedlerInnen. In der Sowjetunion waren sie es nicht gewohnt, die eigenen Belange zu artikulieren. In der neuen Heimat fällt es ihnen schwer. Die Beziehung zwischen Alt- und Neu-Oranienburgern ist geprägt von Sprachlosigkeit und Vorurteilen: „Bei fast allen Vereinen ist es doch so: Ist jemand gut, dann ist er integriert, ist er nicht gut, dann will man ihn nicht. Aber selbst wenn er gut ist, dann trinkt man abends sein Bier ohne ihn“, berichtet eine Aussiedlerin.

Mit der Hilfe der Fachkräfte des forumZFD ist es gelungen, eine Plattform von engagierten Aussiedlern und Einheimischen zu gründen – die Initiative Bürgerzentrum e.V. . Marina Sizov, der quirligen Vorsitzenden des Vereins, die vor acht Jahren aus Kasachstan nach Oranienburg kam, ist dabei eines wichtig: „Wir sind immer eine gemischte Gruppe. Die Leute arbeiten zusammen, also müssen sie auch deutsch reden. Etwas Besseres gibt es überhaupt nicht für die Integration“. Im Jahr 2008 hat das Projektteam des forumZFD die Plattform u.a. bei Organisation der Tanz- und Musikshow „Global Fantasy” und bei der Zusammenstellung „bunt gemischter“ Teams zum jährlichen Drachenbootrennen unterstützt. Aber die Initiative ist noch mehr: „Hier machen Aussiedler die Erfahrung, dass durch gemeinsames Handeln etwas bewegt werden kann“, erzählt Nadja Gilbert, Projektleiterin des forumZFD in Oranienburg.

Im Oktober 2009 endet die Förderung der Projektarbeit in Oranienburg durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Bis dahin heißt es, die aufgebauten Strukturen zu verstetigen. Gegenwärtig schulen die Mitarbeiter des forumZFD eine gemischte Gruppe aus AussiedlerInnen und Einheimischen in interkultureller Konfliktbearbeitung und Gemeinwesenmediation. Bis zum Projektende wird daraus eine Konfliktschlichtungsstelle entstehen.

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Philipe Sufryd ist Referent in der Abteilung Projekte des ForumZFD.