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Vorwärts auf dem Weg der Armeeabschaffung
GSoA initiativ
vonDer Weg zu einer Schweiz ohne Armee ist lang. Wichtig sind aber auch auf langen Märschen die einzelnen Schritte. Mit Entwürfen für zwei neue Initiativen will die Arbeitsgruppe GSoA-II die nächste Etappe auf dem Weg einläuten.
Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA steht vor ihrer nächsten Vollversammlung - und vor den nächsten Initiativprojekten. Am 31. März wird die traditionellerweise in Solothurn stattfindende GSoA-VV über einen Antrag der "Arbeitsgruppe GSoA-II" diskutieren und befinden können, der Entwürfe für zwei neue Volksinitiativen auf den Tisch legt. Klar war den Beteiligten von Anfang an, daß es bei der Diskussion um eine neue Initiative nicht um die Neuauflage der alten Vorlage gehen kann. Der unerwartete Großerfolg vom November 1989 läßt sich nicht wiederholen. War die Diskussion damals noch geprägt vom Denken des Kalten Krieges und des Sonderfalls Sicherheit statt Verteidigung, so hat sich inzwischen auf der Welt, in der Schweiz, bei der Armee und innerhalb der GSoA doch einiges verändert. Die Schweizer Armee hat mit ihrer Armeereform `95 versucht, ihren Apparat unter äußerem Druck so zu reformieren, daß sie modernisiert und "mit mehr Muskeln" dem Jungbrunnen entsteige. Gleichzeitig taumelt sie auf ihrer Suche nach Legitimation bei der Bevölkerung hin und her zwischen Konzepten der bewaffneten Verteidigung der Igelmentalität und Projekten der Beteiligung an der Nato-Partnerschaft für Frieden PfP. Offensichtlich ist dabei, daß die Schweiz wie andere Länder versucht, ihre nationale Armee im Rahmen internationaler Organisationen als Friedenstruppe zu legitimieren. Nicht mehr Kriegssoldaten, sondern Friedensengel werden da zwangsausgehoben und zutodegedrillt. Einher mit diesem Versuch zur Neulegitimierung der Armee geht die Militarisierung des Sicherheitsbegriffs. Zivile Aspekte der Bedrohung durch Umweltzerstörung und Sozialabbau und zivile Antworten auf militärische Sicherheitsfragen werden aus der Sicherheitsdiskussion ausgegrenzt. Die friedenspolitischen Stimmen drohen im Schmettern der Militärmusik unterzugehen. Eine neue GSoA-Initiative soll sich dieser Herausforderung stellen: friedenspolitische Antworten in den sicherheitspolitischen Diskurs einzubringen. Es gilt aufzuzeigen, daß die heutigen Bedrohungen nicht militärisch abgesichert werden können, sondern daß das Militär zu geringen Schutz bei zu hohen sozialen und finanziellen Kosten bietet. Die europäische Integration und der Zerfall des Ostblocks haben die Gefahr zwischenstaatlicher Kriege in Europa weiter verringert. Kaum noch jemand - nicht einmal hohe Militärs - glaubt an einen bösen roten Feind aus dem Osten. Die Kriege wurden aber nicht weniger, nur andere. Innerstaatliche Konflikte in zerfallenden multiethnischen Staaten wie Jugoslawien und der Sowjetunion/Russland prägen heute das Bild und das Bewußtsein. Auf diese neuen Herausforderungen gilt es, neue Antworten zu finden. Auch auf europäischer Ebene soll sich die politische Integration gegen die militärische durchsetzen. Der Aufbau europäischer Streitkräfte wird heute vorangetrieben, ohne daß dazu eine europäische Verfassungsgrundlage besteht und ohne daß die BürgerInnen Europas dazu befragt worden wären. Die "Festung Europa" läßt sich aber nicht mit Gewalt und Militär als reiche Wohlstandsinsel gegen das Meer der Armut absichern. Die sozialen und politischen Probleme Europas können nur gelöst werden, wenn das Umfeld stabilisiert wird. Kooperation ist angesagt, nicht Abwehr. Die militaristische Orientierung internationaler Politik entzieht den Gesellschaften die notwendigen Ressourcen, um die anstehenden sozialen Probleme zu lösen. Die trotz "Friedensdividende" immer noch horrenden Rüstungsausgaben fehlen bei nötigen zivilen Investitionen im Bereich Ausbildung, Alters- und Gesundheitsvorsorge, Arbeitsplatzsicherheit usw. Eine Initiative zur Umorientierung der Politik von Verteidigung auf Sicherheit durch die Abschaffung der Armee soll europaweit ausstrahlen und die Friedenskräfte einladen, ihre demokratischen Rechte gegen das Militär einzufordern. Eine europäische Verfassungskampagne könnte sich, so die Hoffnungen der "Arbeitsgruppe GSoA-II", im Widerstand gegen die Militarisierung der Politik und den Aufbau einer europäische Armee vorbei am Willen und der Entscheidung der BürgerInnen herausbilden.
Eine neue Chance
Bei der Abstimmung über die erste Armeeabschaffungsinitiative am 25./26. November 1989 hat die GSoA den über eine Million Ja-Stimmenden versprochen, daß die Schweiz noch in diesem Jahrtausend eine weitere Chance erhalten soll, über Sinn und Unsinn bewaffneter Igelmentalität und militärischer Sicherheitsvorstellungen nachzudenken. An der Vollversammlung vom 2. Juli 1995 wurde deutlich ein Antrag gutgeheißen, der die Vorbereitung einer neuen Armeeabschaffungsinitiative forderte. Die "Arbeitsgruppe GSoA-II", die sich daraufhin bildete, traf sich monatlich zur inhaltlichen Vorbereitung. Themen waren vor allem die veränderte Welt- und Sicherheitslage, die Perspektiven militärischer und ziviler Interventionen, die Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktlösung und die Tendenzen zur Integration der Schweiz in internationale Militärbündnisse. Im Januar entstanden aus diesen Hintergrunddiskussionen die konkreten Initiativideen (siehe Kasten). Ausgangspunkt der Überlegungen war die Relativierung der Nationalstaaten bzw. die Bedeutung internationaler und supranationaler Integration und die dadurch entstandene weitere Infragestellung aller Konzepte nationalstaatlicher Verteidigung. Eine Schweizer Armee hat heute schlichtweg keinen Feind mehr. Gefordert sind globale Sicherheitskonzepte. Die Schweiz soll dazu ihren solidarischen Beitrag leisten, dort wo internationale Sicherheitspolitik am schwächsten und Schweizer Politik am stärksten ist:
im zivilen Bereich. Dem Weltfrieden mangelt es nicht an Soldaten, sondern an zivilen Konzepten der Konfliktfrüherkennung, -vorbeugung und -bearbeitung. Während die Ausgaben für militärisches Peacekeeping in den letzten Jahren explodiert sind, bleiben die Ausgaben im zivilen Bereich weit dahinter zurück. Die Schweiz hat mit ihrer Erfahrung im Bereich der Guten Dienste, des Roten Kreuzes, mit dem Präsidium der OSZE und der Verantwortung, die sie für den Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina übernommen hat, eine gute Ausgangslage, einen solidarischen Beitrag zu einer Zivilisierung der Weltinnenpolitik zu leisten. Die zwei vorliegenden Initiativprojekte verstehen sich als Entwürfe und Diskussionsgrundlage. Sie werden, in die juristisch richtige Form gegoßen, in der nächsten GSoA-Zitig publiziert und auf der Vollversammlung diskutiert werden. Der Antrag der "Arbeitsgruppe GSoA-II" schlägt vor, diese Entwürfe in eine Vernehmlassung zu schicken, in der bis zum Herbst dieses Jahres GSoA-Mitglieder und andere Organisationen in die Erarbeitung definitiver Initiativprojekte einbezogen werden sollen. Mit einer möglichst breiten TrägerInnenschaft sollen dann im Herbst das gemeinsame Vorgehen und die gemeinsamen Vorlagen beschlossen werden. Die Arbeitsgruppe beantragt, danach von Herbst `96 bis Frühling 1997 Bereitschaftserklärungen zu sammeln, die das Zustandekommen der Initiativen absichern helfen. Erst die Vollversammlung vom Frühling 1997 würde dann - ausgehend von der GSoA-internen Bereitschaft und von der Breite der TrägerInnenschaft - die Lancierung beschließen. Eingereicht werden könnten diese Initiativen damit bis zum Herbst 1998, rechtzeitig zum 150. Jahrestag des Schweizer Bundesstaates. Sie können helfen, eine Vision von Zukunft und eine neue Perspektive in das politische und gesellschaftliche Engagement einzubringen, die über die Krise und das infragegestellte Selbstverständnis des Schweizertums hinausweisen. Die Vorschläge versprechen, die Diskussion um die Reform der Schweizer Verfassung zu beleben und bringen damit etwas Wind in die eingeschlafene Auseinandersetzung, wer wie zu welchem Preis welche Sicherheit schaffen kann.