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Der superdicke Blumenstrauß
Halten Friedenswochen, was sie versprechen?
vonJedes Frühjahr neu stellt sich der "Arbeitskreis Wetzlarer Friedenswoche" die Frage: "Machen wir wieder eine Friedenswoche?" Ein ebenso höflicher wie Überflüssiger Ritus: ja, natürlich machen wir wieder eine. Warum? Weil es sonst nach Rückzug aussehen könnte? Nein - weil es nichts Vergleichbares gibt, obwohl schon seit etwa zwanzig Jahren hierzulande Friedenswochen stattfinden.
Auch 1990 also Wetzlarer Friedenswoche - zum ersten Mal seit Jahren ohne den Knüller der Theateraufführung, was sogleich zu einem tiefen Einbruch in der Gesamtbilanz der Teilnehmerzahlen fährt. Sonst das Übliche Kaleidoskop der Veranstaltungsformen: Diskussionen und Vorträge, Musik Autorenlesung, Gottesdienste, ein großer Fest-, Kultur- und Diskussionsabend mit dem breiten Spektrum der "heimischen Ausländer", Ausstellungen und Gottesdienste, davon einer an Ort und Stelle, also am Atomsprengkopflager nicht weit außerhalb der Stadt, in schönster Landschaft, trotz scheußlichen Wetters gut besucht.
Wie leben so hochgerüstete Gesellschaften wie die mitteleuropäischen eigentlich ohne den Ost-West-Konflikt? Mu· da rasch ein Ersatz-Feindbild her? Das war eine der Fragen, die zum roten Faden durch die Veranstaltungsreihe wurden. Der Psychologe behauptete die Fähigkeit von Einzelnen und Gruppen, von ihrer Feindbildsucht "clean" zu werden; der Seelsorger betonte die Verantwortung der Einzelnen, aber im heilenden Zusammenhang von Gruppe und Gemeinde; die Soldaten waren untereinander extrem unterschiedlicher Ansicht. Die andere Frage: Ist es nicht an der Zeit, eine völlig neuartige Lebenskultur einzuüben? Gewaltfreies Training, Gruppenarbeit in Konfliktbewältigung, politischer: "Friedensdienst contra Atomtest", sehr politisch schließlich, aber in unserem Fall mit starkem philosophischem Polster: "Bundesrepublik ohne Armee?!" Fast durchweg der Trend weg von den Prominenten, dafür die intensive Befragung mehr oder weniger im Wohnzimmer- oder Kneipenmilieu, ein wenig formloser vielleicht als früher, aber um keinen Deut weniger engagiert. Die frischen Nachrichten aus dem Golfkonflikt werden eingegeben; es wird von den Freundinnen und Freunden erzählt, die als Mahnwache, als Gruppe des Fastens und Betens und gegebenenfalls als Austauschgeiseln nach Bagdad gefahren sind. Nicht alle Veranstaltungen sind brillant, aber in keiner wird geschlafen.
Warum Friedenswoche? Es gilt nach wie vor:
- Einen Abend lang Argumente austauschen fährt nicht weit - aber eine ganze bunte Folge verschiedenartigster Veranstaltung, da kommt man in die Sache hinein, lernt Leute kennen und erhält Fingerzeige zum praktischen Mittun.
- Die Thematik ist so komplex geworden, da· es wichtig ist, sie von verschiedenen Seiten zu beleuchten und Fachleute unterschiedlicher Richtung zu Wort kommen zu lassen.
- Nicht alle können Referaten und Diskussion folgen; da ist es gut, wenn es auch etwas zu sehen gibt, etwas zum Miterleben und Mitmachen. Die Mischung der Veranstaltungsformen ist wesentlich.
- Auch das Denken, Reden und Machen stößt an Grenzen; eine Zeit zu haben, wo wir miteinander feiern, uns der Freundschaft und der gewonnenen Erfahrungen vergewissern, ist gut - mache niemand so etwas als Selbstbeschäftigung der Gleichgesinnten schlecht, solange es in Wahrheit kein Selbstzweck ist, sondern immer wieder in die neue Praxis fährt.
Welche Struktur hat uns bisher gedient (und wird es wohl weiterhin tun)?
- Die Wetzlarer Friedenswoche ist ein offenes Forum der Information, des Dialogs und der Aktion.
- Jeder Träger einer Veranstaltung ist für seine Veranstaltung voll und in jeder Hinsicht selbst verantwortlich - es sei denn, der gesamte Arbeitskreis beschließe eine Ausnahme (z.B. große Theateraufführung als Gemeinschaftsinitiative).
- In die gemeinsame Verantwortung des Arbeitskreises fallen:
- Grobplanung, Festlegung wichtiger Akzente, zeitlicher Rahmen;
- Koordination der Termine, Beratung über Räume usw.;
- Werbung in Medien, durch Prospekte und Plakate;
- Einwerbung und Verwaltung der für die Werbung erforderlichen Mittel;
- Auswertung.
Damit können sich auch zunächst sehr vorsichtige Institutionen und Verbände anfreunden. Schon diese Erfahrung der Zusammenarbeit als solche ist ein wichtiges Kapital, das der einzelnen Gruppe bei manchen konkreten Vorhaben zugutegekommen ist. - Ich denke, es ist noch nicht aller Tage Abend mit unserer Friedenswoche. Es ist eine beträchtliche Anstrengung, jedes Jahr diesen Superstrauß zusammenzukriegen. Manche haben sich mancherlei Alternativen ausgedacht - herausgekommen ist immer: die nächste Friedenswoche.