Helm ab zum Gebet!

von Michael Behrendt

"Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann hat er sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde." Albert Einstein
Am 26. Oktober feierte die Bundeswehr in Berlin ihr 50. Jubiläum mit einem Empfang im Paul-Löbe-Haus und am Abend mit dem Zeremoniell des Großen Zapfenstreichs. Gegen diese Selbstbeweihräucherung machten mehr als 30 Berliner Organisationen mobil.

Da bei den offiziellen Geburtstagsfeierlichkeiten nichts schiefgehen sollte; organisierte die Bundeswehr ihr gesamtes Gedenkjahr selbst. Zwei Millionen Euro soll der Spaß die Steuerzahler gekostet haben. Eine bereits am 30; Oktober 2003 gegründete militärische Unterstützungsgruppe (UGrp) ,,50 Jahre Bundeswehr'' hatte ihren Schlachtplan bis Anfang 2005 fertiggestellt. Im Februar 2005 berichtete erstmals ein Nachrichtenmagazin darüber, dass die Bundeswehr auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag einen Großen Zapfenstreich zu 'ihren eigenen Ehren unter dem Motto „50 Jahre Parlamentsarmee" durchführen wolle.
Wie bei den Vorbereitungen zur Gründung der' Parlamentsarmee vor 55 Jahren wurde das Parlament in diese Planungen gar nicht erst miteinbezogen, erfuhren Bundestagsorgane und das zuständige kommunale Bezirksamt Mitte erst durch den oben erwähnten Artikel von dem Event. In einer ersten Stelluggnahme der Behörde wurden erhebliche Bedenken gegen die Nutzung (Folgekosten, generelles Verbot der Nutzung des 'Platzes der Republik) vorgetragen, die in einem Handstreich auf dem Wege eines ,,klärenden Gesprächs" zwischen Bundeswehr und Bezirksbehörde Beseitigt wurden. 
Für den 26. Oktober beantragte die Bundeswehr dann einen Sondernutzungsbereich, der von der Wilhelmstraße bis zum Haus der Kulturen der Welt, von der Straße des 17. Juni bis über die Spree reichte, und bekam ihn auch bewilligt. Mit etwa 4.500 handverlesenen Gästen wollte sie offensichtlich unter sich bleiben. Dafür wurden Teile des Tiergartens und der zentrale Platz der Republik für die Öffentlichkeit gesperrt, um die Verbundenheit der Armee mit der Bevölkerung in angemessenem Abstand zu zelebrieren. Flankiert wurden die massiven
Sicherheitsmaßnahmen der Bundeswehr durch rigide Polizeiauflagen. Die angemeldete Demonstration und weitere Kundgebungen um den militärischen Sondernutzungsbereich, wurden zwar offiziell nicht verboten, dafür aber örtlich verlegt und mit extremen Auflagen belegt, so dass ein Teil der geplanten Kundgebungen obsolet wurde. Wenn eine Veranstaltung zum Zapfenstreich aus dessen Nähe in einen anderen Stadtbezirk verlegt wird, dann verliert sie ihren Sinn, und das vorgebliche Demonstrationsrecht wird zur reinen Worthülse.
Ein breites Bündnis von über 30 Gruppen aus dem antifaschistischen, antimilitaristischen und friedensbewegten Spektrum rief zur Gegendemonstration auf. Auf Transparenten, in Redebeiträgen und Sprechchören wurden der Abzug aller deutschen Truppen aus dem Auslandseinsatz und die Auflösung der Bundeswehr gefordert. Nach unterschiedlichen Angaben nahmen zwischen 1500 und 2500 Demonstranten an dem Aufzug teil, der durch phantasievolle Aktivitäten (z.B. Clownsarmee) bunt und friedlich verlaufen sollte. Gleichzeitig mobilisierten einzelne Gruppen dazu, den weiträumigen militärischen Sicherheitsbereich von außen zµ belagern.
Die Berliner Polizei, mit mehr als 1300 Beamten im Einsatz, machte durch gewalttätige Übergriffe auf sich aufmerksam: Sie verstieß auch gegen die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, die Lautete, dass eine Abschlusskundgebung nach 20 Uhr am Brandenburger Tor stattfinden könnte. Mehr als 200 Meter vor dem Brandenburger Tor wurde die Demonstration dann von einem dreireihigen Polizeispalier, einer Reihe Polizeifahrzeugen, Absperrgittern sowie Wasserwerfern aufgehalten, damit auch ja kein Pfiff oder Ruf das Ritual vor dem Reichstag stören sollte. Ohne ersichtlichen Anlass gingen mehrere hundert Polizisten mit Schlagstöcken und Reizgas gegen die friedliche Menschenmenge vor. Im weiteren Verlauf der Eskalation wurden mehrere Personen verletzt, einige mussten mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das Leittransparent wurde von Bereitschaftspolizisten mit Teppichmessern zerschnitten. Es sollte offensichtlich polizeitaktisch eine Eskalation herbeigeführt werden, um die Demonstration in der Medienöffentlichkeit in eine bestimmte politische, nämlich gewalttätige, Ecke drängen zu können. Üm den Sondernutzungsbereich, am Brandenburger Tor und im Tiergarten, hielten sich während der Bundeswehrveranstaltung zusätzlich Hunderte Militärgegnerlnnen auf; die das Spektakel durch Rufe und Pfiffe stören wollten. Gegen sie gingen die Bereitschaftspolizeitrupps, die BGS-Reiterstaffel und Polizeihundestaffeln im Schutz der Dunkelheit vor; zivil gekleidete Feldjäger waren außerhalb des Sondernutzungsbereichs im Einsatz.    
Gegen die massiven und brutalen Polizeiübergriffe wurden mittlerweile Anzeigen gestellt. Zwar konnte die Bundeswehr ihr Ritual zum SO. Geburtstag ohne größere und offensichtliche Zwischenfälle im ZDF präsentieren, trotzdem wurde deutlich, dass sie weder vorbehaltlos noch unvoreingenommen akzeptiert und unterstützt wird.

Zum Weiterlesen: www.kampagne.de/50JahreBund/Zapfenstreich.php · www.kampagne.de/50JahreBund/26.10.2005.php www.interpool-tv.de/artikel/331/0?PH PSESSID= 03fd730cefef87afc486c7c52de13f69

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Michael Behrendt ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung.