Internationaler Treffpunkt Karolinen­straße e.V.

Internationaler Treffpunkt Karolinen­straße e.V.

"... einen Beitrag zu leisten zur Verbesserung der nachbarschaftlichen Verh„ltnisse zwischen Deutschen und Ausländern im Bezirk Karolinen­viertel und darüber hinaus ... In Zusammenarbeit mit allen interessierten Deutschen und Ausländern will der Verein Spannungen abbauen, so­ziale Notlage mindern und ein interkulturelles Verstehen und Miteinan­derleben in der Bevölkerung entwickeln". - So steht es in der Satzung vom Mai 1984.

Bereits im Mai 1982 hatte Theologie­studenten im Viertel mit Handzetteln und Hausbesuchen dazu eingeladen, daß sich Türken und Deutsche regelmäßig an einem Abend der Woche treffen können, um bei einer Tasse Tee einan­der persönlich ein bißchen näherzu­kommen. Ort war das Büro der Ev.-luth. Gemeinde der Gnadenkirche im Nord­teil von St. Pauli in der Karolinenstr. Für die Studenten gab es damals auf diese Weise den Praxisbezug zu einem Ethik-Seminar "Der Verantwortung der Christen gegenüber ausländischen Mit­bürgern", an dem auch einer der Ge­meindepastoren teilgenommen hatte.

Das Karolinenviertel, das einen mar­kanten Ausschnitt des Gemeindebezirks darstellt und seit Jahrzehnten zu den sa­nierungsbedürftigen Stadtteilen Ham­burgs zählt, macht eine enorme Abwan­derung deutscher Familien durch. Mehr als die Hälfte der Bewohner sind Aus­länder. In den beiden Grundschulen sind inzwischen rund 80% der Kinder aus­ländischer, überwiegend türkischer Nationalität. Unter der deutschen Bevölke­rung machen sich resignative und auch aggressive Stimmungen breit. Fremden­freundliche Einstellungen überwiegen bei den jungen Intellektuellen, die das Wohnen in der "Szene" und in Univer­sitätsnähe schätzen, aber ihre Kinder dann doch lieber in Kindergärten und Schulen andere Stadtteile anmelden.

Beachtlich ist, daß der zunächst mehr­heitlich konservativ zusammengesetzte Kirchenvorstand dem "Treffpunkt" die Räume öffnete und finanzielle Unter­stützung gewährte. Inzwischen kommen drei der elf Kirchenvorsteher/innen aus dem Treffpunkt-Team.

Der ideenreiche Dozent aus dem Fach­bereich Theologie der Universität, der damals hier seinen Studenten Praxis vermittelte, hatte aus seiner Nachbar­schaft gleich eine Türkin mit hervorra­genden Deutschkenntnissen als Dolmet­scherin mitgebracht. Doch die Gelegen­heit, Kontakt und Rat beim "Treffpunkt" zu bekommen, wurde zunächst nur von türkischen Männern angenommen. Über thematischen Abendveranstaltung zu Problemen, die Schule oder die Sicher­heit der Kinder auf der Straße betref­fend, und bei Festen ließen sich nach und nach auch Kinder und Frauen ein­beziehen. Deutsche kamen eher von au­ßerhalb der Gemeinde, und so ist es lei­der immer noch. Hier steckt das härteste Problem, mit dem sich die Aktiven durchgängig auseinanderzusetzen ha­ben.

Bald gingen die Organisationen des Treffpunkts und zunehmende Bera­tungsaufgaben über die Kräfte der enga­gierten Studenten und Studentinnen, bei denen es mittlerweile schon einen "Generationen"-wechsel gegeben hatte. Wieder war der Kirchenvorstand zu ei­nem groáen Schritt bereit, über Beden­ken und Einwände hinweg ("Sind wir mit unseren geringen finanziellen Mit­teln nicht in erster Linie den Christen im Bezirk verpflichtet?"), und beschloß die Finanzierung einer Halbtagsstelle für eine Sozialberaterin, die daraufhin der aus Gemeindemitgliedern, Studenten und Türken gegründete Verein unter Vertrag nehmen konnte. Diese Sozialbe­raterin war und ist die schon erwähnte Dolmetscherin, die inzwischen eine Ausbildung für den gewünschten Auf­gabenbereich absolviert hatte.

Durch sie wurde aus dem Treffpunkt für Männer ein Treffpunkt für Frauen, die solche Gelegenheit zum Kontakt mit anderen bekanntlich noch nötiger haben. Ein Alphabetisierungskurs für türkische Frauen wurde eingerichtet, eine Lese­gruppe und ein Deutschkurs. Für türki­sche und deutsche Schülerinnen gibt es einen Nähkurs, der zugleich eine von den Eltern erlaubte Geselligkeit ermöglicht.

Die gemeinsame Feier des Fastenbre­chens im Monat Ramadan, das islami­sche Opferfest und das christliche Weihnachtsfest sind gewissermaßen schon Tradition im "Treffpunkt" gewor­den. Die Festlegenden von Abrahams Opfer und Christi Geburt werden dann sowohl aus der Bibel als aus dem Koran vorgelesen. Lieder erklingen und der charakteristische Raumschmuck sowie die entsprechenden kulinarischen Spe­zialitäten gehören dazu.

Man macht auch gemeinsame Ausflüge und beteiligt sich an Aktivitäten der Kirchengemeinde, zum Beispiel dem Weihnachtsbasar oder an einem Stra­ßenfest.

In der Kirche gab es rege besuchte Aus­stellungen zur interkulturellen Begeg­nung: "Die Sprache der Kopftücher" und "Anatolische Webteppiche". Aus der Themenliste der Vortrags- und Dis­kussionsabende, zu denen allgemein eingeladen wird, seien erwähnt: "Erzähl doch mal von euren Festen!","Islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen?", "Kommunales Wahlrecht für Ausländer","Rettet unsere Schulen!" In diesen Kontext gehört aber auch der Gottesdienst aller Hamburger christlichen Gemeinden unterschiedli­cher Sprache und Herkunft, der jährlich zum Abschluß der "Woche der ausländi­schen Mitbürger" in der Gnadenkirche stattfindet.

Bei bestimmten Projekten helfen die Behörden. Dank des Entgegenkommens der Baubehörden konnte der expandie­rende "Treffpunkt" einen Laden mitten im Viertel beziehen. Die Behörde für Arbeit und Soziales und die Kulturbe­hörde gewährten Zuschüsse. Ein wichti­ger Begleiter der Arbeit ist auch das Ökumene-Referat des Diakonischen Werks in Hamburg.

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