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Johan Galtung: Ein Pionier des Konzepts des Friedensjournalismus

von Antonio C. S. Rosa
Schwerpunkt
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Der TRANSCEND Media Service https://www.transcend.org/tms/ wurde von Johan Galtung und mir 2008 ins Leben gerufen. Er ist ein Medium, friedensjournalistisch orientierte Sichtweisen, Neuigkeiten und Analysen per Schrift oder Video zu verbreiten. Er richtet sich dabei genauso an andere Medien wie an EndnutzerInnen. Der Teil „Peace Journalism Perspective“ ist von einer Lösungsorientierung inspiriert. Er versucht, die Konflikte zu identifizieren, die der – direkten, kulturellen und/oder strukturellen – Gewalt zugrunde  liegen, die unsere Welt so dominieren. Und er will einen Ausweg, eine Lösung suchen. Der Kernpunkt bei Friedensjournalismus ist das Berichten von vielen Wahrheiten von vielen Blickpunkten aus, mit einer inspirierenden, positiven Lösungsorientierung.

Frieden ist, genauso wie Gesundheit, kein Ereignis, sondern ein Prozess. Deshalb gleicht der Prozess, Frieden zu erreichen, dem Prozess, gesund zu werden. Die „Krankheit“ sind die zugrundeliegenden Konflikte, nicht nur die Gewalt, die ein Symptom ist. Wie bei Gesundheit geht es um Diagnose, Prognose und Therapie. Diese Einsicht war die Basis, auf der Johan Galtung 1959 Friedens- und Konfliktforschung als akademische Disziplin in seinem Heimatland Norwegen startete und die Pioniereinrichtung Peace Research Institute Oslo gründete - PRIO. Er leitete es bis 1969.

Kriegsforschung ist immer vorherrschend und ohne Widerspruch gewesen in einer Weltkultur, die Krieg als das Instrument für Konfliktlösung feiert und die – bis heute – das Militär als Standard für Heldentum, Ritterlichkeit, Gentlementum, Mut und Patriotismus ansieht. Jeder Staat hatte sein Kriegsministerium, eine/n KriegsministerIn oder eine vergleichbare Institution oder Position. Diese können zu Verteidigungsministerien umbenannt worden sein, aber die zugrundeliegenden Konnotationen bleiben in der tiefen Kultur und den tiefen Strukturen des Landes bestehen.

Dem Beispiel von Johan Galtung und Kenneth und Elise Boulding und anderen folgend, entstanden Friedensforschungsinstitute in aller Welt – und wurden allmählich zum neuen Status quo – mit gewaltfreien FriedensmacherInnen als dem neuen Standard für Heldentum, Ritterlichkeit, Gentlementum, Mut und Patriotismus. Gandhi, Martin Luther King Jr., Nelson Mandela und andere gewaltfreie ReformerInnen führten auf diesem Weg an.

Johan Galtung wird oft gebeten, Friedensjournalismus zu definieren. Am präzisesten sei es, so sagt er, das Stellen von zwei Fragen (zusätzlich zu den üblichen wie „wie viele Bomben fielen, wie viele Gebäude wurden zerstört, wie viele Tote/Verwundete gab es, wer gewinnt“ usw.): „Worum geht es in dem Konflikt? Was könnten die Lösungen sein?“

Vor dem 19. Jahrhundert hatten wir „Journalisten der Krankheit“, die im Detail darüber berichteten, wie sich Epidemien ausbreiteten und wie die Menschen litten, aber wenig wusste man über Heilmittel und wenig wurde darüber geschrieben. Heute haben wir „GesundheitsjournalistInnen“, die über neue Forschung zu neuen Heilmitteln und Therapien schreiben, über gesunden Lebensstil informieren, was nicht nur dabei hilft, Krankheiten zu verhindern, sondern Gesundheit verbessert und als einen Wert propagiert.

Genauso ist die Zeit für „FriedensjournalistInnen” gekommen, nicht nur über Krieg zu schreiben, sondern über seine Ursachen, über Prävention und über Methoden, Frieden mit gewaltfreien Mitteln wiederherzustellen und ihn als Wert zu propagieren. Sie müssen solche Konfliktlösungen nicht selbst erfinden – genauso wenig wie GesundheitsjournalistInnen Heilverfahren erfinden müssen – sie fragen Fachleute.

Friedensjournalistinnen sollten verschiedene Friedensorganisationen und MediatorInnen fragen, welche Ideen sie in Bezug auf die Verhinderung oder Beendigung eines gewaltsamen Konflikts haben, und darüber berichten. Gesundheitsseiten in Zeitschriften sind sehr populär, und es kann vermutet werden, dass das Gleiche für Berichterstattung über Friedensvorschläge zutreffen wird, sobald sie verfügbar, verbreitet, populär gemacht und in den Mainstream eingebracht worden sind.

Mainstream-Medien verbreiten eher militärische Lösungen. Sie werden beeinflusst von einer Kriegsökonomie, die vom Handel mit Rüstungsgütern und Waffen, Kriegstechnologien usw. für die Marine, Armee und Luftwaffe von Staaten weltweit lebt.

Im Gegensatz dazu tendieren sogenannte alternative Medien dazu, soziale Gerechtigkeit, gewaltfreie Konfliktbearbeitung, Aktivismus usw. zu unterstützen. Frieden ist zu wichtig, um alleine Generälen und HerausgeberInnen von Nachrichten überlassen zu bleiben. Als beste Alternative sollte Frieden zum Mainstream werden. Und diejenige, die Gewalt und Zerstörung befördern, sollten auf das Abschiebegleis geschoben werden und dort einen natürlichen Tod sterben. Im wahrsten Sinne des Wortes geächtet.

Jake Lynch, Professor für Friedensjournalismus an der Universität Sydney und Berater von TMS, schreibt:

„Friedensjournalismus ist, wenn HerausgeberInnen und BerichterstatterInnen eine Wahl treffen – darüber, was sie berichten und wie sie es berichten -, eine Wahl, die Gelegenheiten für die Gesamtgesellschaft schafft, über gewaltfreie Reaktionen auf Konflikt nachzudenken und sie wertzuschätzen.
Friedensjournalismus ist seit Mitte der 1990er Jahre als ein neues, interdisziplinäres Feld entstanden, das für professionelle JournalistInnen sowohl in Entwicklungs- wie in entwickelten Ländern und für zivilgesellschaftliche AktivistInnen, WissenschaftlerInnen und andere, die sich für Konflikt und Medien interessieren, von Bedeutung ist. Er bietet sowohl einen Set praktischer Pläne und Optionen für HerausgeberInnen und BerichterstatterInnen als auch eine Basis für die Entwicklung evaluierender Kriterien für die kritische Analyse von Kriegsberichterstattung. Dies alles stammt von oder beachtet zumindest Vorschläge über Konflikt, Gewalt und Frieden aus den Friedens- und Konfliktstudien.“
(1)

Er fügt hinzu, dass Friedensjournalismus

  • die Hintergründe und Kontexte der Konfliktentstehung erkundet, Ursachen und Optionen für jede (nicht nur „beide“ Seiten erkundet;
  • den Sichtweisen aller konfligierender Parteien aus allen Ebenen eine Stimme verleiht;
  • kreative Ideen zu Konfliktlösung, Entwicklung, Friedensschaffung und Peacekeeping bietet;
  • Lügen, Versuche der Verschleierung und Schuldige auf allen Seiten aufdeckt und Exzesse bekannt macht, die von allen Seiten begangen werden und unter denen Menschen aller Seiten leiden;
  • Aufmerksamkeit auf Friedensgeschichten und Nachkriegsentwicklungen richtet.

Meah Mostafiz schreibt in „“Peace Journalism – A Global Debate” (2)

JournalistInnen kontrollieren unseren Zugang zu Neuigkeiten, indem sie Geschichten aus bestimmten Sichtweisen heraus darstellen. Medien setzen die Agenda der öffentlichen Diskussion. In Reporting Conflict fordern Jake Lynch und Johan Galtung BerichterstatterInnen auf, die wahre Geschichte von Konflikten aus aller Welt zu erzählen. Die dominante Art der Konfliktberichterstattung ist, was Lynch und Galtung Kriegsjournalismus nennen: Konflikte werden als Gut gegen Böse dargestellt, und der Punktestand wird durch die Zahl der Toten ermittelt. Der Umgang der Medien mit dem 11. September und den Kriegen in Afghanistan und Irak beleuchten die einseitige Berichterstattung, die Kriegsjournalismus schafft. Friedensjournalismus hat eine breitere Linse: Warum nicht berichten, was den Konflikt verursacht hat und wie er gelöst werden kann? Lynch und Galtung zeigen, wie JournalistInnen einen breiteren Ansatz bei ihren Berichten über den Koreakrieg und die Bombardierung der NATO des Kosovo eingenommen hätten können, um eine konstruktivere öffentliche Debatte zu initiieren.“

„Medien sind eine dritte Partei in jedem Konflikt; die dritte Partei ist die Ermöglicherin von Kommunikation, die Mediatorin oder Schiedsrichterin zwischen den beiden rivalisierenden Seiten. Wir glauben, dass Friedensjournalismus als eine dritte Seite am besten geeignet ist, Aussichten für Lösungen und Versöhnung zu fördern, indem er die Normen und Gewohnheiten der Berichterstattung über Konflikte verändert.“

Anmerkungen
1 https://www.transcend.org/tms/about-peace-journalism/2-peace-journalism-...
2 https://www.academia.edu/11696079/Peace_Journalism_A_Global_Debate

Videos über Friedensjournalismus von Antonio C. S. Rosa gibt es hier: https://www.transcend.org/tms/2018/01/meet-antonio-c-s-rosa-pioneer-in-p... und https://twitter.com/transcend_media/status/943784378639020032.

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Antiono Carlos da Silva Rosa, geboren 1946, ist Gründer und Herausgeber der Pionierseite des Friedensjournalismus, TRANSCEND Media Service-TMS , Assistent von Prof. Johan Galtung, Sekretär des Internationalen Vorstands des TRANSCEND Network for Peace Development Environment und Empfänger des “Psychologists for Social Responsibility’s 2017 Anthony J. Marsella Preis”.