Deutsche Justiz:

Kriegsdienstverweigerung ist ein Grundrecht - es sei denn man nimmt es als türkischer Staatsbürger wahr

von Felix Oekentorp

Vor 8 Jahren hat Osman Murat Ülke mit seiner Kriegsdienstverweigerung in der Türkei das Thema erstmals einer internationalen Öffentlichkeit zugängig gemacht. Er wurde mehrfach von den türkischen Behörden zum Militär gezwungen und wurde immer wieder dienstflüchtig. Diverse Gefängnisaufenthalte waren die Folge seiner konsequenten Verweigerung, und noch heute ist es Osman als dauerhaft Dienstflüchtigem nicht möglich, die türkischen Behörden aufzusuchen, nicht einmal zur Anmeldung seines inzwischen einjährigen Sohnes.

Trotz dieser dauerhaften Repressionen gegen Osman, die ohne breite internationale Unterstützung noch weit heftiger gewesen wären, sind einige Wehrpflichtige seinem Beispiel gefolgt und haben dem türkischen Staat ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt. Sie nehmen damit ein Grundrecht wahr, das ihnen laut Gesetz verwehrt bleibt.

Mehmet Cetiner ist Kurde mit türkischem Pass, er lebt zusammen mit seiner Familie seit 1995 in Deutschland. Den türkischen Staat musste er verlassen, um dem drohenden Dienst in der dortigen Armee zu entgehen.

Seitdem engagiert er sich von Kleve aus gegen das Unrecht in seiner Heimat. Er agitiert gegen den Krieg des türkischen Staates gegen dessen kurdische Bevölkerung und für das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung auch in der Türkei.

Trotz dieses politischen Engagements über seine individuelle KDV hinaus, die er erst in Deutschland den türkischen Behörden erklärte, hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Asylanträge von Mehmet Cetiner und seiner Familie abgelehnt. Seine Klage dagegen führte zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf am 30. Juli. Mit einem Monat Verzug erging das Urteil. Darin wurde er sinngemäß als "Politzwerg" gewertet, der für die türkischen Behörden als zu unwichtig für eine Verfolgung keine Repressionen zu befürchten habe. Ein Bezug auf die unweigerlich drohende Einberufung zum Militär und daraus unweigerlich resultierende Befehlsweigerung und Dienstflucht mit den Konsequenzen Verfolgung und Haft ist im Urteil nicht zu finden.

Die verbleibenden Möglichkeiten für Mehmet sind der Antrag auf Zulassung einer Berufung vor dem OVG Münster sowie ein Antrag beim Petitionsausschuss beim Landtag NRW. Damit er nicht zwischen einer möglichen Ablehnung des Berufungsantrags und der Entscheidung des Petitionsausschusses von den Behörden klammheimlich abgeschoben wird, hat sich ein Kirchenasyl-Unterstützerkreis in Kleve gegründet.

Zur Erinnerung: Das Grundrecht auf KDV wurde im deutschen Grundgesetz in Artikel 4, Abs. 3 festgeschrieben, als noch gar nicht an eine Wiederbewaffnung gedacht war. In der Charta der Grundrechte des EU-Verfassungsentwurfs ist dieses Grundrecht im Artikel 10 ebenfalls festgeschrieben, jedoch mit der Einschränkung auf die nationalen Regeln hierzu. Damit ist dieses Menschenrecht leichtfertig entwertet worden.

Mehmet Cetiner wird in seiner Angelegenheit bei diversen Veranstaltungen berichten. Termine lassen sich koordinieren mit Wilfried Porwol 02821 970 070

 

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Felix Oekentorp ist einer der Bundessprecher der DFG/VK.