Nach der Beinahe-Katastrophe von Karlsruhe ist man sich in Karlsruhe in der Einschätung über die verantwortlichen Politiker und Militärs einig:

... mehr Glück als Verstand.

von Christopher Zörner

Am 17. April entging Karlsruhe um Haaresbreite einer Katastrophe. Zwei kanadische Militärmaschinen vom Typ CF-18 waren in gut 3000 Meter Höhezusammengestoßen. Ein Pilot starb, der andere wurde schwer verletzt. Die Stadt wurde von einem Trümmerregen übersät; daß bis auf erheblichen Sachschaden ansonsten niemand zu Schaden kam, ist wie ein Wunder. Für die Karlsruher Friedensbewegung allerdings Grund genug die politischen Konsequenzen zu fordern. Bereits einen Tag nach der Katatrophe hatte sich rund 1.200 Karlsruher/innen zu einer spontanen Kundgebung eingefunden. Zur Kundgebung und Demonstration am Samstag den 21. April wurden noch mehr Menschen erwartet.
Voll war es geworden auf dem Karlsruher Marktplatz. Vertreter aller Parteien waren gekommen, um entweder auf der Kundgebung zu reden, oder aber um wenigstens mitreden zu können. So auch die Jugendorganisation der CDU, die Junge Union, die wohl behütet unter dem rot-weißen Sonnenschirm der Mutterpartei das Plakat "Wir sind für Übungsflüge, Junge Union" an den kärglich gedeckten Infotisch befestigt hatten, daß sie mit dieser Losung den Unwillen zahlreicher Demonstranten und Passanten auf sich zogen, schien sie wenig zu berühren. Vielleicht haben sie es nicht einmal bemerkt: sie waren so nebensächlich, daß sie nichteinmal als Rufer in der Wüste in die Geschichte eingehen werden.

Was die Menschen an diesem Samstag nach der Karlsruher Beinahe-Katastrophe beschäftigte war vielmehr die Sorge und die Angst, daß sich dies wiederholen könnte hier oder auch anderswo. Und die über 250 Einschlagsorte der Militärmaschinentrümmern in Karlsruhe waren soetwas, wie die zweihundertfünfzigfache Bestätigung für das Gefühl, was auch fünf Tage nach dem Zusammenstoß über der Menge schwebte, "es hätte auch mich treffen können".
So führte auch die sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Gerlinde Hämmerle auf der Kundgebung aus, daß die Horrorvision eines Flugzeugabsturzes auf bewohntes Gebiet vor einigen Tagen zur Wirklichkeit wurde. Ohne das Wunder, das beide Maschinen auf gerade unbelebten Plätzen mitten in der Stadt niedergehen ließ, hätte es leicht Hunderte von Toten geben können.

Der Vertreter der FDP, deren Kreisverband auch zur Teilnahme an Kundgebung und Demonstration aufgerufen hatten, Ernst Ulrich Hirsche hatte es hingegen schwer Volkes Meinung für sich zu gewinnen. Er hatte versucht seinen persönlich politischen Nachdenkens- und Entwicklungsstand in der Frage der Militärflüge in eine Rede zu packen. Als Hirsche dann formulierte man müsse darüber nachdenken ob man Übungsflüge über bewohnten Gebieten nicht generell untersage, quittierten ihm die Kundgebungsteilnehmer/innen dies mit Pfiffen. Seine überlegungen hörten da auf, wo die Forderungen der Menschen auf dem Platz erst anfingen.
Der Friedensforscher und grüner Bundestagsabgeordnete Dr. Alfred Mechtersheimer hingegen nannte es einen Skandal, daß trotz der Veränderungen im politischen Klima weiterhin unverdrossen geübt wird. "Es gibt keinen vernünftigen Grund mehr für die Fliegerei der Militärs", führte er weiter aus. Zeitweise entstand bei den Zuhörer/inne/n der Eindruck als träten Mechtersheimer und Hämmerle in einen Wettstreit um die jeweils größere Radikalität in ihren Forderungen für die Abschaffung der Militärfliegerei.
Die Rede von Uschi Hagmann-Teiner, von der Remscheider Friedensinitiative und Initiatorin der "Remscheider Mahnung" sprach dann der Bewegung ganz aus dem Herzen. Neben der Schilderung ihrer Erfahrung nach der Katastrophe von Remscheid brachte sie die Menge mit der Forderung die Bonner Hardthöhe zu schließen zu lang anhaltenden Applaus.

Nicht erst auf der Kundgebung, sondern bereits einen Tag nach der Katastrophe fingen Karlsruher Friedensfreunde an mit dem Text der Remscheider Mahnung Unterschriften für die Forderung "sämtliche Übungsflüge über bewohnten Gebieten una alle Tiefflüge in unserem Land sofort zu untersagen" zu sammeln. Die Sammlung soll fortgesetzt werden; war aus Karlruhe zu hören.

An der Kundgebung und Demonstration, zu der neben den genannten Parteien die Redner/innen endsandt hatte auch der DGB, der Arbeitskreis Karlsruher Friedenstage, das Friedensplenum Karlsruhe, die Evangelische Arbeitnehmerschaft Baden u.a. aufgerufen hatte, beteiligten sich rund 3.500 Badenser/innen.
In zeiten in denen das Thema Frieden nicht den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung einnimmt, haben die Demonstrationen in Karlsruhe die These bestätigt, das die Menschen dort, wo es eine unmittelbare Bedrohung, unmittelbare Betroffenheit gibt, sich engagieren, auf die Straße gehen und sich in die 
Politik einmischen. Bleibt nur zu hoffen, daß es nicht weiterer solcher Anlässe bedarf, damit die Militärfliegerei der Geschichte angehört.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Christopher Zörner ist Mitglied der Remscheider Initiative