Jahrestagung des Forums InformatikerInnen für den Frieden (IFfF)

Menschsein in einer informatisierten Gesellschaft

von Ute Bernhardt
Initiativen
Initiativen

Der Einfluss der Informations- und Kommunikationstechnologie nimmt beständig zu. Die Auseinandersetzung mit dem Computer beschränkt sich nicht mehr allein auf das Berufsleben, sondern diese Technologie ist auch im Alltag und in der Freizeit zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Durchdringung der Gesellschaft mit Informations- und Kommunikationstechnologie hat Auswirkungen. Auf vielen Gebieten entsteht Neues, bisher festgefügte Regeln und Abläufe verändern sich oder verschwinden. Zusätzlich gibt es neue Bedrohungen und Gefahren. In dieser schönen neuen Computerwelt drohen die Konturen zu verschwimmen.

Oberster Bezugspunkt sollte aber der Mensch sein. Deshalb stand in diesem Jahr bei der 14. Jahrestagung des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. an der Technischen Universität Darmstadt auch der Mensch im Zentrum der Betrachtung. In diesem Thema kommt die Sicht zum Ausdruck, nicht nur die Technik oder die Gesellschaft als Abstraktum - wie dies im Begriff Informationsgesellschaft geschieht - in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, sondern den Menschen und sein Leben.

Über 150 TeilnehmerInnen diskutierten drei Tage in verschiedenen Arbeitsgruppen unterschiedliche Aspekte dieses Themas. Wie sich Menschen in einer informatisierten Gesellschaft entfalten können, hängt auch davon ab, was andere mit den Datenspuren machen, die wir in immer größerer Anzahl hinterlassen. Informations- und Kommunikationstechnologie diente in den Anfängen der Datenverarbeitung überwiegend dem Staat zur Überwachung und Kontrolle seiner Bürger. Die computergestützte Nutzung und Auswertung unserer Daten hat jedoch zugenommen und immer größere Bereiche unseres Privatlebens der Überwachung und Kontrolle anderer zugänglich gemacht. Big Brother hat Geschwister bekommen. Surfen im Netz, Videokameras in Innenstädten, Kundendateien, Chipkarten für Asylanten und Gendateien sind die kleinen Geschwister, mit denen das Sammeln von personenbezogenen Daten neue Dimensionen bekommen hat. Wer sich als Mensch in einer informatisierten Gesellschaft gegen Dritte schützen will und unbeobachtet kommunizieren will, muss sich technischer Hilfsmittel bedienen. Diese Hilfsmittel sind heute Verschlüsselungsverfahren wie Pretty Good Privacy (PGP).
 

Ein thematischer Schwerpunkt der FIfF-Arbeit in den letzten Jahren waren Stellungnahmen gegen eine drohende Militarisierung und die Forderung nach einer an zivilen Werten und Zielen orientierten Informationsgesellschaft. Die Debatte um "Information Warfare" belebt auch in der Öffentlichkeit wieder das vom FIfF seit seiner Gründung verfolgte Thema einer "militarisierten Informatik". Der aktuelle Modebegriff verbirgt, dass es sich hierbei nicht um Computerspiel-gleiche und saubere Militäraktionen handelt. Stattdessen geht es bei Information Warfare darum, die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur eines Landes zum Ziel militärischer Aktionen zu machen, deren ultima ratio die Atombombe zur Erzeugung eines für Computer schädlichen elektromagnetischen Impulses gehört. Information Warfare bedroht uns nicht nur im Kriege. Information Warfare findet bereits in Friedenszeiten statt und gefährdet die Sicherheit der Informationsgesellschaft in außerordentlich hohem Maße.

Abgeleitet aus militärischen Bedrohungsanalysen für Information Warfare soll der Schutz des einzelnen Bürgers vor Überwachung zurückstehen hinter den Interessen der Militärs, die daher die Nutzung von Verschlüsselungssystemen behindern. Die militärische Sicht auf das Internet gefährdet auch im zivilen Bereich den Schutz der Privatsphäre und behindert die Entwicklung einer sicheren Infrastruktur.

Militärische Gelder ließen den Computer erst zu dem werden, was er heute ist. Militärische Interessen waren Anlass für die Schaffung des Internets. Der militärische Maßstab sollte aber nicht länger der Maßstab unserer zivilen informatisierten Gesellschaft sein. Die zentrale Entscheidung ist derzeit also, ob wir eine an militärischen oder eine an zivilen Informationstechnik-Sicherheitsmaßstäben orientierte Informationsgesellschaft wollen.

Aber der Mensch ist nicht nur Nutzer, sondern auch Gestalter von Technik. Technik verändert das soziale Miteinander von Menschen. Wie können trotz oder auch mit Technik noch Spielräume selbstbestimmten Handelns erweitert werden? Hier ist es Aufgabe von InformatikerInnen, einerseits die Benutzer über die Möglichkeiten von informationstechnischen Systemen aufzuklären. Andererseits sind es InformatikerInnen, die durch das Design von Informationstechnik Gestaltungsspielräume verbauen oder öffnen. Wichtig ist daher eine Sicht auf Informationstechnikprodukte, die nicht nur in technischen Kategorien denkt, sondern am Ziel einer selbstbestimmten Nutzung orientiert ist.
 

Eine Podiumsdiskussion setzte sich mit der Machtkonzentration der Medienkonzerne und den durch diese Konzentrationsprozesse erzeugten technischen und inhaltlichen Monokulturen auseinander. Für eine zukünftige Wissensgesellschaft - so die einhellige Meinung der Diskutanten - ist zumindestens auch eine mit anspruchsvollen Inhalten und neuen Interaktionsmöglichkeiten ausgestattete multimediale Technik zu fordern. Mehr Demokratie entsteht nicht ausschließlich durch die Präsenz in elektronischen Netzen, sondern auch durch Transparenz und Teilhabe und der Nutzung durchaus auch von "klassischen" Medien wie dem Radio. Nicht das Medium hat einen spezifischen demokratischen Nutzen, sondern die Art und Weise seines Einsatzes.

Die Beiträge der Tagung "Menschsein in einer informatisierten Gesellschaft" werden in einem Reader dokumentiert werden, der über das FIfF im Fühjahr 1999 zu beziehen sein wird. Bezug: FIfF, Medemstade 64, 21775 Ihlienworth, Tel.: 04755/911154, Fax: 04755/911026, e-mail: fiff [at] fiff [dot] gun [dot] de, http://www.fiff. de

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Ute Bernhardt ist Informatikerin, wissenschaftliche Referentin und Lehrbeauftragte. Sie ist Mitglied im „Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.“.