Atomare Abschreckung überwinden

Mit Nachdruck für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags

von Roland Blach
Kampagnenflyer atomwaffenfrei 2018
Kampagnenflyer atomwaffenfrei 2018

Die Massenproteste der 1980er Jahre hatten mit dafür gesorgt, dass im Dezember 1987 der Vertrag über die „Intermediate-range Nuclear Forces“ (INF) von US-Präsident Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow unterzeichnet wurde. Beide Seiten verpflichteten sich zur Vernichtung ihrer landgestützten atomaren Mittelstreckenwaffen, womit die Bedrohung Europas und großer Teile Russlands ((der westliche Teil Russlands bis zum Ural gehört zu Europa!)) durch einen Atomkrieg abnahm und der Kalte Krieg beendet wurde.

Seit Januar 2018 steht die sogenannte Doomsday Clock auf 2 Minuten vor zwölf. Begründung sind neben Klimawandel und der Gefährdung der Demokratie die Aufrüstung aller Atomwaffenstaaten. Die Gefahr des Weltuntergangs ist damit so groß wie zuletzt Anfang der 1950er Jahre zu Zeiten des Koreakrieges.

Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, durch neu entwickelte Waffen gegen den INF-Vertrag zu verstoßen. Erst kündigte US-Präsident Trump die Vertragskündigung Anfang Februar an, kurz darauf setzte der russische Präsident Putin ihn ebenfalls aus. Nach der sechsmonatigen Kündigungsfrist droht dem INF-Vertrag im August die endgültige Auflösung.

Gleichzeitig wollen die USA ihre (nicht unter den INF-Vertrag fallenden, Anm. d. Red) in Europa stationierten Atomwaffen, auch die in Büchel, aufrüsten. Russland hat eine neue Generation von Atomraketen entwickelt. Es droht eine neue nukleare Rüstungsspirale. Und Deutschland hält weiterhin an der nuklearen Teilhabe in Büchel fest.

Den Gefahren begegnen wir mit Hoffnung. Der Friedensnobelpreis an ICAN und damit an alle Partnerorganisationen hat die Bemühungen weltweit verstärkt, den 2017 beschlossenen Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen zu implementieren. Diese Motivation nutzen wir bis hin zur nächsten Bundestagswahl 2021, um den Druck zu verstärken.

Unsere Strategie in den kommenden Jahren geht in Richtung USA und Russland, um den INF-Vertrag zu erhalten und den 2021 auslaufenden New-START-Vertrag zu verlängern.

Von der Bundesregierung erwarten wir, sich von der atomaren Abschreckung zu lösen und sich für eine glaubwürdige Friedenspolitik, für Abrüstung und Deeskalation einzusetzen. Unser großes Ziel ist der Beitritt Deutschlands zum Verbotsvertrag. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, müssen  die verbliebenen US-Atomwaffen aus Deutschland abgezogen und dürfen keine neuen Atombomber angeschafft werden. Deutschland muss aus der nuklearen Teilhabe der NATO aussteigen.

Seit 25 Jahren wurde in Deutschland ein weites Netz von Kampagnen, Projekten und Akteuren aufgebaut: die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ mit mittlerweile über 60 Organisationen, ICAN, die Mayors for Peace in über 600 Städten, viele evangelische Landeskirchen usw. Wichtiger denn je ist die Verzahnung unterschiedlicher Aktivitäten, begleitet von einer massiven Ausweitung eines noch viel breiteren gesellschaftlichen Bündnisses.

Über 70.000 Unterschriften wurden in den letzten 16 Monaten bereits zum Atomwaffenverbot gesammelt. Und weiter geht es bis zum Beitritt Deutschlands! Nach der Unterzeichnung des ICAN Städteappells von OB Ebling aus Mainz am 2. Februar im Rahmen unserer Aktionskonferenz haben Wiesbaden, Marburg, Potsdam, Köln, München und Göttingen auch solche Beschlüsse getroffen. Damit fordern sie Deutschlands Beitritt zum Verbotsvertrag. Viele weitere Städte sind ebenso motiviert oder sollen motiviert werden. 407 Abgeordnete aus dem Europaparlament, dem Bundestag und den Landtagen haben die ICAN Erklärung unterzeichnet, mit der sie sich für den Verbotsvertrag einsetzen.

Mit dem Rückenwind der letzten Jahre findet seit dem 26. März und bis 9. August die Aktionspräsenz am Atomwaffenlager Büchel statt. Mehrere Dutzend Organisationen werden erneut erwartet. Im Juli und August wird ein Friedenscamp durchgeführt. Beteiligt sind auch viele Menschen aus den USA und dem europäischen Atomwaffen-Widerstand. Für den „Kirchentag“ am 7. Juli hat die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann zugesagt. Dazu wird bundesweit durch viele Landeskirchen und Friedensorganisationen mobilisiert. Einen Tag später, am 8. Juli, wird die heiße Phase mit vielen Aktivitäten eingeleitet.

Dezentrale Aktivitäten werden vorbereitet u.a. mit dem INF-Aktionstag am 1. Juni, dem Mayors for Peace Flaggentag am 8. Juli und den Hiroshima- und Nagasaki-Gedenktagen. Begleitet werden diese durch die Unterstützung vieler Gerichtsverfahren wegen Go-ins am Atomwaffenlager Büchel. Im März war die Studentin Clara Tempel sogar für eine Woche im Gefängnis und hatte eine Welle der Solidarität ausgelöst.

Und schließlich gilt es die Bildungsarbeit zu intensivieren: an Schulen, Unis und in der Erwachsenenbildung. Es ist notwendig, das Basiswissen zu Atomwaffen, zur Geschichte, den Gesundheitsgefahren, der Politik und dem Recht deutlich auszubauen, weil nur damit die Erkenntnis wächst, die atomare Abschreckung überwinden zu wollen.

Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen
Koordinator der Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei.jetzt“