BürgerInnendiplomatie

Mitwirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft – Erfahrungen aus der Schweiz

von Natascha Cerny Ehtesham

Das Leitmotiv des Schweizer OSZE-Vorsitzes 2014 lautete: eine Sicherheitsgemeinschaft im Dienste der Menschen schaffen“ (1); so galt eine Priorität dem verstärkten Einbezug der Zivilgesellschaft in die OSZE-Arbeit. Die Zivilgesellschaft sollte an Visibilität gewinnen, und ihre Stimme sollte in den thematischen Diskussionen für alle hörbar sein – auf internationaler sowie auch auf nationaler Ebene.

Das Ziel war die Schaffung eines kontinuierlichen Dialogs zwischen VertreterInnen der Zivilgesellschaft aus allen OSZE-Regionen mit verschiedenen OSZE-Institutionen. Dieser verstärkte Dialog sollte über die nächsten Jahre zu einer neuen „OSZE-Tradition“ werden.

Um auf internationaler Ebene den laufenden Dialog weiter zu stärken, baute die Schweiz auf einer bereits existierenden Tradition auf – der OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft, die immer an den zwei Tagen vor dem OSZE-Ministerratstreffen stattfindet. Diese Tradition wurde 2010 am Rande des OSZE-Gipfels in Astana von Vertreterinnen und -Vertretern von Menschenrechtsorganisationen ins Leben gerufen und führte zur Schaffung des OSZE-weiten NGO-Netzwerks „Civic Solidarity Platform“  (2).

Verschiedene Workshop-Formate
Neben der OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft wollte die Schweiz die Zivilgesellschaft in den verschiedenen OSZE-Regionen noch weiter stärken und organisierte deshalb vier regionale Workshops in Belgrad (für den Westbalkan), Duschanbe (für Zentralasien), Tiflis (für den Südkaukasus) und Wien (für alle anderen OSZE-Teilnehmerstaaten).

Ein vorherrschendes Thema in allen vier regionalen Workshops war die Folterprävention – ein Schwerpunktthema des Schweizer Vorsitzes in der sogenannten menschlichen Dimension (Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit) der OSZE. Dieses Thema stimmte auch mit der „Kiewer Deklaration“ überein, welche im Jahr 2013 auf der OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft verabschiedet wurde und forderte, dass die OSZE „die Folterprävention zur Priorität erklären sollte“. (3) Die anderen Themen der regionalen Workshops wurden von den VertreterInnen der NGOs der jeweiligen Regionen ausgesucht. So wurde das Thema „Toleranz und Nichtdiskriminierung“ in allen Regionen diskutiert, und auch Themen wie „Unabhängigkeit der Justiz“ und „Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten“ wurden besprochen.

Jeder Workshop resultierte in einer Zusammenstellung von Empfehlungen, welche – zusammen mit anderen Themen – die zivilgesellschaftlichen Empfehlungen zu Händen des OSZE-Ministerrats in Basel (4) ausmachten und auch von der „Basler Deklaration“ mit dem Titel "Steigende Intoleranz, Diskriminierung und Hassverbrechen stellen eine große Gefahr für die Sicherheit dar und erfordern eine koordinierte Reaktion der OSZE" begleitet wurden.

Einfluss auf die OSZE
Beide Schlussdokumente der OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft – die Empfehlungen zu Händen des OSZE-Ministerrats und die Basler Deklaration – wurden am 3. Dezember 2014 in Basel offiziell dem Schweizer Außenminister und OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter sowie einem Vertreter des darauf folgenden serbischen OSZE-Vorsitzes übergeben.

Indem der OSZE-Vorsitzende die zwei Dokumente persönlich entgegennahm, versuchte er, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Wichtigkeit des Dialogs mit der Zivilgesellschaft zu unterstreichen. So stellte die Schweiz während ihres Vorsitzjahres stets auch sicher, dass VertreterInnen der Zivilgesellschaft an allen offiziellen OSZE-Veranstaltungen aktiv teilnahmen, etwa als RednerInnen auf den Panels. Zudem suchte der OSZE-Vorsitzende auf seinen vielen Länderreisen auch stets den direkten Dialog mit ZivilgesellschaftsvertreterInnen (bspw. in Aserbaidschan, den USA, Tadschikistan, Kirgistan und Kosovo).

Es war daher kein Zufall, dass der Schweizer OSZE-Vorsitz in Zusammenarbeit mit dem folgenden serbischen OSZE-Vorsitz sowie dem OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (engl. Abkürzung ODIHR) im Juni 2014 ihre OSZE-Vorsitz-Konferenz dem Schutz der Menschenrechtsverteidigerinnen und –Verteidiger widmete, auf der die OSZE-Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und –Verteidigern erstmals vorgestellt wurden. (5)

Aktivitäten in der Schweiz
Neben dem regelmäßigen Dialog mit der Zivilgesellschaft auf internationaler Ebene verfolgte der Schweizer OSZE-Vorsitz dasselbe Ziel auch auf nationaler Ebene. Um die Zusammenarbeit zwischen dem Schweizer OSZE-Vorsitz und den schweizerischen NGOs zu verstärken, gründeten im Herbst 2013 (kurz vor der Übernahme des OSZE-Vorsitzes durch die Schweiz) Schweizer NGOs die so genannte NGO-Arbeitsgruppe OSZE. (6) Das Ziel der Arbeitsgruppe war die Unterstützung der Aktivitäten des Schweizer OSZE-Vorsitzes im Bereich der Menschenrechte sowie eine kritische Begleitung aus  Sicht der Zivilgesellschaft.

Die NGO-Arbeitsgruppe OSZE stellte Verbindungen zwischen schweizerischen NGOs und den (oft noch unbekannten) OSZE-Prozessen her und brachte schweizerische NGOs mit NGOs aus anderen OSZE-Teilnehmerstaaten zusammen. So nahmen schweizerische NGO-VertreterInnen beispielsweise an den oben erwähnten regionalen Workshops teil und wurden dazu ermutigt, öfter auch an OSZE-Veranstaltungen wie dem Human Dimension Implementation Meeting (engl. Abkürzung HDIM) in Warschau, den Supplementary Human Dimension Meetings (engl. Abkürzung SHDM) und den Human Dimension Seminars (engl. Abkürzung HDS) in Wien teilzunehmen. Einige der schweizerischen NGOs traten im Verlaufe des Schweizer Vorsitzes auch dem NGO-Netzwerk „Civic Solidarity Platform“ bei und pflegen bis heute vielfältige Beziehungen mit Menschenrechtsorganisationen im ganzen OSZE-Raum.

Die Arbeitsgruppe organisierte zudem im Dezember 2014 Besuche und Begegnungen für TeilnehmerInnen der OSZE Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft mit vor allem in Basel ansässigen NGOs. Diese Besuche und Begegnungen gaben den NGOs aus anderen OSZE-Regionen einen guten Einblick in die Arbeitswelt ihrer schweizerischen Kolleginnen und Kollegen. Die Begegnungen erlaubten einen wertvollen Austausch von Erfahrungen und Herausforderungen zu Themen wie Flüchtlinge, politische Partizipation, Menschenhandel, Gleichstellung der Geschlechter sowie Wirtschaft und Menschenrechte.

Die schweizerische NGO-Arbeitsgruppe OSZE hatte 2014 regelmäßige Treffen mit der Task Force des Schweizer OSZE-Vorsitzes, einschließlich zweier Arbeitstreffen mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter, auf denen Themen  der OSZE-Verpflichtungen in der menschlichen Dimension besprochen wurden.

Selbstevaluation der Vorsitz-Länder
Des Weiteren entschied der Schweizer OSZE-Vorsitz die (ursprünglich zivilgesellschaftliche) Idee einer „Selbstevaluation“ (in Deutschland „Evaluation“ genannt) aufzunehmen und sich selbst freiwillig einer Bewertung bezüglich der schweizerischen Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen in der menschlichen Dimension zu unterwerfen. Diese Selbstevaluation wurde vom Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) durchgeführt. Die Themen der Selbstevaluation waren Wahlbeobachtung, Intoleranz, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Menschenhandel und Gleichstellung der Geschlechter. Außer den Beobachtungen und Empfehlungen zur Verbesserung der Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen in der menschlichen Dimension, die durch das SKMR erarbeitet wurden, schrieben auch die schweizerischen NGOs sowie die relevanten schweizerischen Behörden einen Kommentar dazu. Diese drei Teile der Selbstevaluation zeigen, dass das Instrument der Selbstevaluation auch als nützliche Grundlage für die kritische Diskussion zwischen NGOs und staatlichen Behörden dienen kann. Diese neu eingeführte Praxis der (Selbst-) Evaluation soll nun zu einem regulären Instrument der OSZE-Vorsitze werden. Ziel ist es, dass Staaten, die den OSZE-Vorsitz inne haben, „mit gutem Beispiel vorangehen“ und – bevor sie andere Länder kritisieren – sicherstellen, dass sie selbst alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen in der menschlichen Dimension im eigenen Land zu verbessern. Serbien hat die Selbstevaluation 2015 durchgeführt und auch Deutschland arbeitet 2016 daran.

Anmerkungen

1 https://www.eda.admin.ch/content/dam/eda/de/documents/aussenpolitik/internationale-organisationen/Factsheet-OSZE-2014-Schwerpunkte_DE.pdf (20.05.2016)

2 http://www.civicsolidarity.org/ (20.05.2016)

3 Jede OSZE-Parallelkonferenz der Zivilgesellschaft ist einem Schwerpunktthema in der menschlichen Dimension gewidmet. Zu diesem Thema wird dann eine Deklaration verfasst, die zivilgesellschaftliche Beobachtungen sowie Empfehlungen enthält. Jede Deklaration wird nach dem Konferenzort benannt (bspw. „Kiewer Deklaration“ 2013: http://civicsolidarity.org/sites/default/files/kiev_declaration_on_torture_0.pdf, „Basler Deklaration“ 2014 http://civicsolidarity.org/sites/default/files/basel_declaration.pdf und „Belgrader Deklaration“ 2015 http://civicsolidarity.org/sites/default/files/parallel_civil_society_conference_outcome_documents_belgrade_december_2015_final.pdf - Seite 43). (23.05.2016)

4 http://www.civicsolidarity.org/sites/default/files/civil_society_recommendations_to_the_mcm_in_basel_december_2014_final.pdf (23.05.2016)

5 OSCE Guidelines on the Protection of Human Rights Defenders: http://www.osce.org/odihr/119633 (24.05.2016)

6 http://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/europa/osze/ngo-ag/ (24.05.2016)

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