Bundeswehr in Syrien

Nein zur Bundeswehr in Syrien! - Nein zum Krieg! - Nicht in unserem Namen!

von Gisela Dulfer

Mit einem 15-minütigen Flashmob protestierten am 19. Dezember 2015 Bonner Organisationen und PassantInnen, die sich der Aktion anschlossen, vor dem Bonner Münster mit Plakaten und Spruchbändern gegen den Bundeswehreinsatz in Syrien. Ihre Botschaft: „Nein zum Syrieneinsatz! Nicht in unserem Namen! Krieg schafft Terror! Krieg beginnt hier – Widerstand auch!“ Einige Mitglieder der Bonner Chöre intonierten „We shall overcome“ und „ Give peace a chance“.

Am Rande des Trubels des Weihnachtsmarktes fand an dem Samstag in der Zeit von 15 bis 17 Uhr eine Mahnwache mit Flashmob statt. Neben den beiden InitiatorInnen, dem Bonner Friedensbündnis und der Beueler Friedensinitiative, unterstützten die Anti-Atom Gruppe (Bonn), die Palästinensische Gemeinde Deutschland (Bonn), Pax Christi (Bonn), „Tatort Kurdistan“( Bonn), Deutscher Freidenker Verband (Bonn), Netzwerk Friedenskooperative, DKP Bonn/Rhein-Sieg und die  Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba/(Bonn) die Aktion. Sie protestierten gegen den Bundestagsbeschluss vom 4.12.2015. In namentlicher Abstimmung hatten dem Bundeswehreinsatz in Syrien 445 Abgeordnete zugestimmt, 145 stimmten dagegen, sieben enthielten sich. Diese 445 Abgeordneten handelten „nicht in unserem Namen“, das sollte in aller Öffentlichkeit im Weihnachtsgetriebe deutlich werden. Im Aufruf der OrganisatorInnen heißt es: „Aus falsch verstandener Solidarität wird Deutschland zur Kriegspartei in einem Krieg, der auch überregional umfassende Vernichtung mit sich bringen kann. Der Einsatz in Syrien ist politisch falsch, moralisch unverantwortlich, verfassungs- und zudem völkerrechtswidrig.“ Sie bekräftigen in diesem Aufruf nicht nur das „Nein“, sondern auch  das „Ja zu Dialog und zukunftsweisenden Lösungen“. Zahlreiche  PassantInnen schlossen sich mit ihrer Unterschrift diesem Aufruf an, der auf einen Aufruf der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative zurückgeht. Die Unterschriften werden an die Bundeskanzlerin und den Bundestag weiter geleitet.

In den Redebeiträgen wurde ein weiter Bogen gespannt entsprechend der vielen Facetten dieses Krieges; denn „was 2011 als „lokaler innenpolitischer Konflikt in Syrien begann, ist durch aggressive regionale und internationale Einmischung ein Flächenbrand geworden“. ( K. Leukefeld, Flächenbrand, Köln 2015, S.194)

Die RednerInnen fragten, ob die PolitikerInnen denn gar nichts aus dem Afghanistankrieg (2001), dem Irakkrieg (2003) und dem Libyenkrieg (2011) gelernt haben. Diese Kriege beweisen, dass der Terrorismus nicht mit Krieg zu bekämpfen ist, Gewalt Gegengewalt erzeugt, dass Krieg Länder und Regionen destabilisiert. Dennoch forderte der französische Präsident angesichts der Attentate in Paris vom 13.11.2015 einen verstärkten Militäreinsatz gegen den IS (Daesh) und stellte formal einen Antrag nach Art. 42, Absatz 7 des Lissabonner EU-Vertrags. Auf diesem Hintergrund stimmten 445 Abgeordnete der Unterstützung dieses Militäreinsatzes zu, d.h. der Entsendung von 1200 deutschen SoldatInnen, der Bereitstellung von sechs Aufklärungsflugzeugen des Typs Tornado und dem Abzug der Fregatte Augsburg aus dem EU- Flüchtlingseinsatz im Mittelmeer, um den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ zu schützen, von dem aus die Angriffe gegen den IS geflogen werden. Die Abgeordneten stimmten zu, wohl wissend, dass Syrien aufgrund seiner geostrategischen Lage ein Spielball internationaler und regionaler Interessen ist. Im Nahen und Mittleren Osten prallen die strategischen Interessen der USA, Russlands, der Türkei, des Irans und Saudi Arabiens aufeinander, verfolgen die kleineren Golfstaaten, sich mit den Groß- und Regionalmächten verbündend, eigene Interessen, und diese kollidieren mit den Interessen Israels.

Monika Morres (Tatort Kurdistan) ging auf die ambivalente Haltung des NATO-Mitglieds Türkei ein, das einerseits gegen den IS kämpft, andererseits die PKK bekämpft und gegen die autonomen Bestrebungen der Kurden in Rojava (Syrien) ist. Das türkisch-syrische Grenzgebiet ist zu einem unübersichtlichen Umschlagplatz für Waffen, Munition, militärische Ausrüstung und Kämpfer geworden. Waffenlieferungen aus Katar, Jordanien und Saudi Arabien laufen über türkische Flughäfen und werden von dort zur türkisch/syrischen Grenze transportiert.

Die RednerInnen prangerten die Waffenlieferungen europäischer Staaten, insbesondere Deutschlands, in die Krisenregion des Nahen Ostens an. Das deutsche Heckler & Koch- Sturmgewehr G-36 und das MG-3 von Rheinmetall tauchen in den Händen der IS-Kämpfer auf. Einerseits erbeuten sie die Waffen bei Kämpfen im Irak, andererseits erwirbt der IS sie auf dem Schwarzmarkt oder kauft sie von einer deutschen Lizenzfabrik in Saudi Arabien. Ein Beitrag zur Lösung des Konflikts wäre die Einstellung  deutscher Rüstungs- und Waffenexporte in den Nahen Osten.

Jens Koy (Anti-Atomgruppe) erinnerte an die 20 Atomsprengköpfe, die in Büchel in der Eifel lagern und modernisiert werden sollen. Georg Rashmawi sprach für die Palästinensische Gemeinde Deutschland. Der israelische  Sechs-Tage-Krieg 1967, der zur israelischen Besetzung der Golan- Höhen führte, löste eine Fluchtwelle der rund um den Golan lebenden PalästinenserInnen ins syrische Kernland aus. Viele von ihnen fanden im Syrien-Konflikt den Tod. Ohne die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ist eine Stabilisierung des Nahen Ostens nicht möglich.

Verlesen wurde der Aufruf  „An die Soldaten des Syrien-Kommandos“ von Uli Gellermann, Gefreiter der Reserve, Hartmut Barth-Engelbart, Ex-Offiziersanwärter, und Fred Stein, Stabs-unteroffizier d.R. Sie rufen die Soldaten zur Befehlsverweigerung auf Grundlage des § 11 des Soldatengesetzes auf. Im Falle des Syrienkrieges handelt es sich nicht um einen Verteidigungskrieg; denn Syrien hat Deutschland nicht den Krieg erklärt. Ihre Schlussfolgerung: „Wer dem Syrien-kommando Folge leistet, greift einen souveränen Staat an. Der nimmt an einem Angriffskrieg teil. Das ist strafbar.“ Laut Soldatengesetz „darf ein Befehl nicht befolgt werden“, wenn dadurch eine „Straftat begangen würde.“

Die Folgen des Kriegs sprach Uli Mercker (Friedensbündnis Bonn) in seinem Beitrag „Ein Loblied auf die Gesellschaft für deutsche Sprache“ an. Er monierte, dass es „im herrschenden Diskurs ... fast ausnahmslos um Flüchtlingszahlen, Flüchtlingsquoten, Flüchtlingswellen, -ströme und –lawinen [geht], wobei die dahinterstehenden Menschen namen- und gesichtslos bleiben“. Das Schicksal dieser Menschen, “monate- und jahrelange Flucht“, der Verlust der Angehörigen, dass sie nicht mehr „als die nackte Haut“ besitzen, gerät angesichts des Begriffs „Flüchtling“ (Wort des Jahres 2015) aus unserem Gesichtsfeld.

Wir sagen Ja zu Dialog und zukunftsweisenden zivilen Lösungen“. Damit knüpfen die OrganisatorInnen der Aktion an die Versuche der UNO-Sondervermittler für Syrien – Kofi Annan (Rücktritt 2012), Lakhdar Brahimi ( Rücktritt 2014) und  Staffan de Mistura – an, die eine politische Lösung für den Syrienkrieg suchten und suchen. Die drei Sondervermittler haben bisher vergeblich nach einer politischen Lösung gesucht, weil die regionalen und internationalen Akteure des Kriegs an einer politischen Lösung für den innersyrischen Krieg nicht interessiert waren. Lange Zeit wurde die nicht bewaffnet kämpfende Opposition und Oppositionelle aus Syrien, inklusive der Kurden, so wie der Iran nicht zu den Genfer Verhandlungen eingeladen. Berücksichtigt wurde nur eine handverlesene Opposition, die von den „Freunden Syriens“ – zu denen auch Deutschland zählt – anerkannt wurde. Ohne Berücksichtigung der nicht bewaffneten innersyrischen Opposition und ohne den Iran ist eine Beilegung des Konflikts aber aussichtslos. Ein Hoffnungsschimmer kann in den lokal abgeschlossenen Waffenstillständen in Syrien und den verbesserten Beziehungen zwischen Iran und seinen Gegnern durch die Beilegung des Atomstreits und die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran gesehen werden.

Für den Februar planten die Bonner AktivistInnen weitere Aktivitäten.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen

Themen

Gisela Dulfer ist Mitglied des Friedensbündnis Bonn und der DFG-Vk Bonn/Rhein Sieg.