Offener Brief der DFG-VK München

Hintergrund
Hintergrund

Sehr geehrter Herr Bundesvertei­digungsminister!

Wir wünschen uns, daß Sie vor einer Intervention der NATO im ehemaligen Jugoslawien genau über die Kosten ei­nes Krieges und mögliche Alternativen nachdenken.

Wir möchten folgenden Vorschlag ma­chen: Die Bundesrepublik fordert alle Soldaten im ehemaligen Jugoslawien, insbesondere die serbischen auf, abzu­hauen - Deutschland bietet jedem De­serteuer Bleiberecht für ein Jahr und ein Taschengeld von DM 1.000,- pro Mo­nat. Für mitgebrachte Waffen, Funkge­räte, Munition oder wichtige Bauteile aus Waffensystemen gibts Prämien bis zu DM 5.000,- . Sollte uns Verwaltung und Unterkunft nochmal DM 10.000,- pro Mann und Jahr kosten - Sie können das sicher genauer durchkalkulieren las­sen - wären wir mit DM 25.000,- pro Deserteur und Jahr dabei. Sollten 100.000 Mann diesem Aufruf folgen, würden uns das 25 Milliarden DM ko­sten. Vielleicht ist die serbische Armee aber auch schon viel früher handlungs­unfähig?

Diese Lösung scheint zunächst mal sehr teuer - doch Sie haben sicher schon be­rechnet, was ein militärisches Eingreifen kosten würde - Transport, Munition, Waffen, Folgeschäden, Zerstörungen und Wiederaufbau, Witwen-und Wai­sen­renten, Krankenhausaufenthalte und Rehabilitationsmaßnahmen - und nicht zuletzt wer weiß wie viele Menschen­leben.

Wie viele Menschenleben ist die Bun­desregierung bereit, für eine Militärin­ter­vention zu opfern?

Darüber denkt die Regierung im siche­ren Bonn vielleicht nicht nach, aber die zu­künftigen Betroffenen - die FreundIn­nen und Eltern und Kinder derer, die im Krieg ein Bein, einen Arm oder gar das Leben opfern müssen? Vielleicht wären diese auch bereit, für den oben vorge­schlagenen Auskauf der serbischen Ar­mee zu spenden, und bei der Unterbrin­gung der Deserteure tatkräftig zu helfen, um die hohen Kosten für die verschul­dete Bundesregierung zu senken? Be­denken Sie bitte auch, daß eine Inter­vention ausländischer Mächte mit anti­serbischer Stoßrichtung viele Serben wieder zur serbischen Armee treiben würde, die sich jetzt einem sinnlosen Bürgerkrieg verweigern, die aber bereit wären, ihre serbische Heimat zu vertei­diguen? Oder ist es das Ziel der Politik der Bundesregirung, daß möglichst viele Serben im Lande bleiben und Krieg spielen können? Der bisherige Umgang mit serbischen Deserteuren deutet aller­dings in diese Richtung: Asyl erhalten sie nicht, weil die Wehrpflicht zu Recht bestünde und die Bestrafung für Fah­nenflucht keine politische Verfolgung sei. Nur in Hessen werden sie geduldet, in Bayern z.B. nicht. Oder ist es Ziel Ih­rer Politik, daß Ihr Name einst verknüpft wird mit einer neuerlichen deutschen Blutspur im Balkan?

Sagen Sie jetzt bitte nicht, massenhaftes Desertieren löst den Konflikt in Jugo­slawien nicht - dazu wird auch eine Mi­litärintervention nicht beitragen, sie wird nur weiteren Hass und Zerstörung bewirken. Versöhnung und friedliches Zusammenleben zwischen den Völkern kann nur von unten wachsen - wir müs­sen die Friedenskräfte, die es sehr wohl auch in Serbien gibt, fördern.

Sie sollten die Aufforderung zum mas­senhaften Desertieren zumindest mal versuchen - wenn keiner drauf reagiert, dann kostets uns nicht viel. Aber der Versuch wäre es wert - komplexe Pro­bleme erfordern kreative Lösungen.

i.A. Gerti Kiermeier

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund