Vergessene Konflikte:

OST-TIMOR.

von Hubert Gieschen

Im Juli 1991 kam der indonesische Diktator Suharto zum Staatsbesuch in die Bundesrepublik. Selbstverständlich wurde er von führenden Poli­tikern empfangen. Es gab einige Proteste gegen den Besuch, etwa in Bonn oder Berlin. Aber im Verglich zu dem, was es an Protestaktionen gegeben hätte, wenn etwa ein Pinochet nach Deutschland gekommen wäre, war das doch recht kläglich.

Immerhin wird dieser Suharto von Amnesty international in eine Reihe mit Völkermördern wie Pol Pot gestellt, Auf ca. 1 Mill. Menschen werden die Opfer an Menschenleben geschätzt, die auf das Konto von Suharto gehen. Über eine halbe Million Menschen dürfen wohl durch Suhartos Putsch von 1965 umge­kommen sein. Bis zu 300.000 kamen seit der Invasion von 1963 unter Füh­rung von General Suharto in Westpapua infolge indonesischer Unterdrückungs­politik ums Leben.

Am 7. Dezember 1975 besetzte indone­sisches Militär die frühere portugiesi­sche Kolonie Ost-Timor. Auf etwa 200.000 Tote wird die Zahl der Opfer seitdem geschätzt, fast 1/3 der ur­sprünglichen Bevölkerung dieses in­folge von Kämpfen, Massakern und be­wußt in Kauf genommener Hungersnot.

UNO-Sicherheitsrat und UNO-Vollver­sammlung haben immer wieder den in­donesischen Rückzug gefordert. Das hat den Westen aber nicht davon abgehal­ten, Indonesien Waffen zu verkaufen, z.B. U-Boote aus der Bundesrepublik, die zur Blockade und Abschottung der Insel geeignet sind. Jusuf Habibie, ein früherer MBB-Manager, ist heute indo­nesischer Forschungsminister.

Also alles wie gehabt, der heuchlerische Westen unterstützt eine mörderische Drittweltdiktatur? - Ja und Nein.

Nur wenige Länder haben Ost-Timor wirklich unterstützt. allen voran die ehemaligen portugiesischen Kolonien in Afrika, z.B. Angola und Mosambik.

Gerade deshalb ist ein Ereignis aus dem Jahre 1990 im negativen Sinne bemer­kenswert. Nelson Mandela, einst der bekannteste politische Gefangene auf der Welt, besucht Indonesiens Diktator Suharto und nimmt Geld von ihm für den ANC, obwohl dieser Suharto ein Völkermörder ist.

Das allein ist schon schlimm genug, aber noch schlimmer ist, daß weltweit die sog. Solidaritätsbewegungen und Friedensbewegungen dazu schweigen!

Wir denken, daß den Ereignissen ge­genüber gleichgültig zu sein, bedeutet, an der Fortsetzung dieser Verbrechen beteiligt zu sein. (Aus einer Radiobot­schaft vom Februar 1976 des 1978 von indonesischem Militär getöteten ehema­ligen osttimoresischen Widerstandsfüh­rers Nicolau Lobato).

Da die Weltpresse wenig über Ost-Ti­mor berichtet, ist es keine Schande, wenn der eine oder die andere erst durch diesen Artikel von Ost-Timor erfährt. Aber dann weiterhin zu schweigen, daß hieße, die Doppelmoral auch zur Richt­schnur linker oder friedensbewegter Po­litik zu machen.

Aber es gibt auch Positives zu Ost-Ti­mor. Obwohl die USA aus strategischen Gründen großes Interesse an Indonesien haben, hat die Mehrheit der US-Kon­greßabgeordneten durch Unterschrift ihre Besorgnis über Menschenrechts­verletzungen in Ost-Timor ausgedrückt.

Australien, eines der wenigen Länder, das Indonesiens Souveränität über Ost-Timor anerkennt, hat mit Indonesien einen Vertrag über die Ausbeutung der Erdölvorkommen in der Timorsee süd­lich von Ost-Timor abgeschlossen. Da­gegen klagt Portugal - laut UNO immer noch formell Ost-Timors Verwaltungs­macht - vor dem Internationalen Ge­richtshof, um Australien die Ausbeutung des Erdöls solange untersagen zu lassen, bis die Menschen in Ost-Timor ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben könn­ten.

Das hat ihnen Indonesien immer ver­weigert, nämlich eine Volksabstimmung unter UNO-Aufsicht zu haben. Da gleichzeitig aber der Eindruck von Normalität erzeugt werden sollte, wurde Ost-Timor 1989 für die Außenwelt ge­öffnet. Seitdem ist es aber auch leichter, an Informationen über Menschenrechts­verletzungen zu kommen (z.B. im Ok­tober 1989 beim Papstbesuch und im Januar 1990 beim Besuch des US-Bot­schafters in Indonesien gewaltsame Niederschlagung von Unahängigkeits­demonstrationen). Einem Australier ge­lang es, den Guerillaführer Hanana Gusmao in den Bergen zu interviewen. Daß so etwas möglich war, ist Beweis genug, wie gut organisiert der Wider­stand gegen die indonesische Besat­zungsmacht ist. - Die Guerilla will unter UNO-Vermittlung Gespräche mit Indo­nesien, um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten.

Doch Indonesien behandelt Ost-Timor wie eine Kolonie. Alte Landtitel wurden aberkannt, das Militär quasi monopoli­sierte Landwirtschaft und Handel (Kaffee). Die Einheimischen wurden zu 80% in Wehrdörfer gezwungen. - Wäre das alles in Südafrika und nicht in Ost-Timor, die Welt würde es Apartheid nennen. Daran ändert auch die kleine Schicht osttimoresischer Kollaborateure nichts.

Die einheimische osttimoresischen Kultur wird zerstört. Nur die von außen aufgezwungene indonesische Sprache soll benutzt werden. - Einzig der katho­lischen Kirche ist es gelungen, gewisse Freiräume zu bewahren, so daß sie ge­wollt oder ungewollt Träger der Oppo­sition ist.

Indonesien bringt indonesische Siedler nach Ost-Timor, wo sie auf vom Militär geraubten Land siedeln und forciert Ge­burtenkontrolle in einem Land, daß ge­rade erst 1/3 seiner Bevölkerung verlo­ren hat. Ansiedlung und Geburtenkon­trolle werden von der Weltbank finan­ziert.

Indonesiens Völkermord in Ost-Timor muß ins Rampenlicht der Weltöffent­lichkeit!

Es ist auch einfach makaber, daß in In­donesiens Hauptstadt Djakarta Frie­densgespräche über Kambodscha statt­gefunden haben. Über die Doppelmoral des Westens läßt sich leicht Klage füh­ren. Aber wie steht es mit der Friedens­bewegung? Ist sie frei von Doppelmoral oder läßt sie ein Land wie Ost-Timor im Stich, weil so vielen anderes so wichtig sei?

Jahrelang wurden in der Friedensbewe­gung Mythen über die Sowjetunion ver­breitet, die baltischen Republiken über­haupt nicht wahrgenommen. Erst die Toten vom Januar 1991 in Vilnius ha­ben Nachdenken erreicht. Indonesien ist ein ähnlich künstlicher Staat wie die Sowjetunion. In beiden Ländern war /ist das Militär ein Staat im Staate. Viel­leicht könnten wir im Falle Indonesiens etwas besser vorbereitet sein. Indone­sien ist immerhin das fünftgrößte Land der Erde.

Übrigens hat sich jetzt in Indonesien die erste freie (noch verbotene!) Gewerk­schaft gegründet. Sie heißt Solidarität.

Da ich die Hoffnung habe, daß auch an­deren Friedensbewegten das Schicksal der Menschen in Ost-Timor nicht gleichgültig ist, bitte ich um Kon­taktaufnahme, um die anstehende Soli­daritätsarbeit zu Ost-Timor zu koordi­nieren. Hubert Gieschen, Lohmühlen­weg 2, W-2878 Wildeshausen

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Huber Gieschen ist Friedensarbeiter mit Schwerpunkt Ost-Timor.