Bericht vom Perspektivenkongress vom 14.-16.5.04 in Berlin

Politik jetzt gemeinsam ändern - 2000 kamen zum Perspektivenkongress

von Niko Stumpfögger

Mit 2.000 Teilnehmenden am Perspektivenkongress vom 14. - 16. Mai 2004 in Berlin wurden die Erwartungen der Veranstalter weit übertroffen. Gerechnet hatten sie mit 1.200. Auch das Vernetzungstreffen am Ende des Kongresses war mit 130 Teilnehmenden überfüllt. Der Wille zur Zusammenarbeit war mit Händen greifbar und prägte die gute Stimmung auf dem Kongress. Drei Tage lang debattierten Menschen aus unterschiedlichen Gruppen in 125 Veranstaltungen über Spaltungstendenzen in der Gesellschaft und Alternativen zur vorherrschenden Politik.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trugen Kontroversen aus, Unterschiedlichkeiten wurden nicht eingeebnet. Über allem aber stand die Entschlossenheit, aus Vielfalt Stärke zu entwickeln. "Es geht auch anders", unter diesem Motto war eingeladen worden. "Wir wollen die Politik jetzt gemeinsam ändern!" das ist die Botschaft, die vom Kongress ausgeht. Wie das konkret aussehen wird und welche Themen im Mittelpunkt stehensollen, wird sich in der kommenden Zeit herausschälen. Beim Vernetzungstreffen wurde verabredet, die Kooperation weiterzuführen und sich am 17./18. Juli 2004 in Frankfurt am Main zur Beratung über ein Sozialforum in Deutschland wieder zu treffen.

Auf dem Perspektivenkongress war zu registrieren, dass es vor allem zwei Grundmotive sind, um die sich die Anliegen der meisten Gruppen scharen: Ein Leben in Armut zu verhindern und den gesellschaftlichen Reichtum anders zu verteilen. Initiativen der Erwerbslosen und SozialhilfeempfängerInnen diskutierten über Hartz IV und Grundeinkommen, GewerkschafterInnen über existenzsichernde Löhne und RentnerInnen über den Lebensstandard sichernde Renten.

Starke Schultern sollenmehr tragen als schwache, dieses Verlangen spiegelte sich auf dem Kongress besonders in der Forderung nach Steuergerechtigkeit. Viel Zustimmung erfuhr das von attac und ver.di entwickelte Konzept einer "solidarischen Einfachsteuer".

Wo immer auf dem Kongress das Stichwort Arbeitszeitverlängerung fiel, wurde deutlich, dass die Gewerkschaften mit der breiten Unterstützung anderer Gruppen in diesem gesellschaftlichen Großkonflikt rechnen können. Die Wirtschaftspolitik müsse endlich aus dem Versagen neoliberaler Konzepte Konsequenzen ziehen, verlangten die Teilnehmenden. Mehr Investitionen in öffentliche und soziale Infrastruktur und Bildung sowie das Umsteuern der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik in Richtung auf Beschäftigung und Kooperation der Standorte anstelle eines Unterbietungswettlaufs lauteten die Stichworte.

Bemerkenswert waren auch die leisen Töne auf dem Kongress. Erste Diskussionen über neue Protestformen kamen auf - Demonstrationen allein reichen nicht, sagten viele. Wir müssen mehr über eigene Medien nachdenken, denn die etablierten transportieren unsere Anliegen nicht ausreichend, sagten andere.

Erstmalig führte der Kongress Menschen aus so unterschiedlichenKulturen wie attac und Gewerkschaften zusammen. Auffallend war, dass der Kongress drei Generationen umfasste: von jungen Studierenden von Attac um 25 Jahre über GewerkschafterInnen um die 40 bis zu RenterInnen und Rentnern. Der soziale Protest mobilisiert die Menschen offensichtlich generationenübergreifend.

Für die einen war der Kongress eine Art Volksuni, wo sie sich Argumente für die politische Auseinandersetzung holen konnten, für die anderen war er eine Fundgrube von Themen und Aktionsideen für die Weiterarbeit in der eigenen Region und für wieder andere stand die Diskussion um alternative Politikkonzepte im Vordergrund, deren Achsen nicht Marktradikalismus und Standortkonkurrenz, sondern gesellschaftliche Teilhabe und Integration sind.

Beim Treffen von MultiplikatorInnen auf dem Kongress wurde angeregt, dass jede Organisation "im eigenen Haus " die Bereitschaft zur Vernetzung verstärken und politische Alternativen herausstellen soll. Ebenso setzt das Trägerbündnis auf Regionalisierung. Lokale Veranstaltungen zu Themen, die auch den Perspektivenkongress geprägt haben, sollen jetzt folgen und die örtlichen Bündnisse stärken.

70 Mitträgerorganisationen hatten den Kongress veranstaltet, von attac und Erwerbsloseninitiativen über Sozialverbände, Gewerkschaften bis zu Umweltorganisationen und kirchlichen Gruppen. Die Veranstaltungen des Kongresses und die Diskussionen über die weitere Arbeit werden im Internet veröffentlicht www.perspektivenkongress.de. Es ist beabsichtigt, ein Buch über den Kongress herauszugeben.

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Niko Stumpfögger ist Referent bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.