Musik auf Kriegskurs - Rückkehr des Geistes von 1933

Rechtsextreme Musikkultur

von Christa Jenal
Hintergrund
Hintergrund

2019 waren im März in der Ukraine Präsidentschaftswahlen, Mitte Mai Europawahlen, im September die thüringische Landtagswahl – große Weichenstellungen für Europas Zukunft. Scheinbar unbemerkt von politischen Kräften hat sich eine antieuropäische Musikarmee etabliert, ein Sammlungsbecken gewaltverherrlichender Kräfte, die an den Rändern Europas von außen geistige Brandstiftung nach innen liefern, die das demokratische Europa zu zerstören scheinen und Musik als Propagandawaffe gegen demokratische Strukturen und globale Menschenrechte zu missbrauchen versuchen.
Weithin bekannte Beispiele von Geschichtsverharmlosung sind die amerikanische Band „Slayer“, die 2019 ihre Abschiedstournee in den Riesenstadien der Welt mit dem Song „Angel of Death“ über den Auschwitzarzt Dr. Mengele besiegelte, oder die schwedische Metalband „Sabaton“, die den „Great War“ und die „Fields of Verdun“ besangen. Sie ließen sich gar werbewirksam zwischen unzähligen Kreuzen auf dem Soldatenfriedhof von Verdun zum Fotoshooting ablichten.

Weniger bekannt in der öffentlichen Wahrnehmung ist die spanische National Socialist Black Metalband „Der Stürmer“, die 2007 mit der thüringischen Band „Totenburg“ eine kriegsverherrlichende CD im Zeichen der schwarzen Sonne programmatisch titulierte „Si vis pacem, para bellum“. Noch 2020 wird diese CD von dem Internethandel „Merchant of Death“ und „Darker than Black“ zum Kauf angeboten – offizieller Geschäftsführer ist der Thüringer Hendrik Möbus.

Die Bezüge zu dem Nationalsozialismus sind nicht zufällig: Mitglieder der Band „Slayer“ kokettierten jahrelang mit ihrer Verehrung für Hitler, die Waffen-SS etc., „Der Stürmer“ bekennt sich in Interviews bewusst als Vorbild zu dem „Anti-Jewish newspaper ‚Der Stürmer‘“, seiner menschenverachtenden Ideologie und seinem Gründer Julius Streicher. Auch Hendrik Möbus hat jahrelang in Interviews seine Begeisterung für die NS-Ideologie nicht verheimlicht.

Versandhandel aus der Ukraine
Sind die 1920er Jahre im Wiedererstarken auch in dem Abbau von demokratischen Werten und Strukturen? Wiederholt sich die unheilvolle Geschichte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts? Diese Fragen dürfen uns als Streiter*innen für Frieden und Demokratie nicht unberührt lassen.
Längst sind die realen Anzeichen erkennbar. Was eine*n jede*n Demokrat*in beängstigen muss, ist, dass mitten in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, der Hauptsitz der sogenannten internationalen „militant.zone“ zu finden ist mit Ladenlokal, Filmveranstaltungen und Internethandel für internationalen Rechtsrock.
Im Internetshop und vor Ort wirbt die „Wotanjugend“ für germanische, antichristliche, antidemokratische Ideen, für eine „militant youth“ mit markigen Weltkriegskämpfern und T-Shirts mit Aufschriften wie „Troublemakers 1933“, „the spirit of 33, our dedication to he good old times when militant youth ruled the streets“. CDs, T-Shirts, Merchandising aller Art mit Wolfsangel, Runen und Waffenkult sind im Angebot, „Militant Black Metal“ „available for order worldwide“. Alles was jugendliche Möchtegernhelden scheinbar brauchen: Helden der Wotanjugend, antichristliche Symbole, Sturmgewehraufdruck für die „militant youth“, beltbags für Kampfmesser etc.

„Luciferian Aestetics of Herrschaft are now available to order” heißen Verkaufsangebote, die ihre antidemokratische Absicht nicht verbergen. Videos wie „Le dernier Putsch“ der französischen Black Metalband „Le Peste Noire“ bieten Weltbilder per Musik und Film, in denen Gewaltverherrlichung und Waffenkult Programm sind: Maskierte Männer mit Gewehren schießen beispielsweise aus einem fahrenden Auto, beginnend vor einem Kraftwerk. Später werden mit düsterem Sound unterlegt Waffen an junge Menschen verteilt, wobei der Sänger wie ein Einpeitscher und (Ver)führer zur Nachahmung animiert mit einer Kulmination in Nahkampfszenen und bürgerkriegsähnlichem Flammenmeer. Nur Horrorfilm?

Dieses Video lief 2017 im größten Kiewer Kino vor 450 Zuschauer*innen - wie von begeisterten Besucher*innen berichtet - ohne Gegendemonstration und Polizeieinsatz. Motto des Films „Watch and share – spread the plague ...“

Eine genauere Anweisung des Netzwerkes der „militant Black Metal Zone“ wird in dem „manifesto“ der Bewegung deutlich, lesbar auf ihrer Internetseite: „Spread heresy, slay hypocrisy to keep the flame alive“.

In Deutschland
Handlungsanleitung für jugendliche Nachahmungstäter? Mitglieder der Partei „Der 3.Weg“ haben bereits einen begeisterten Reisebericht im Internet veröffentlicht.
Zum Angebot, das u.a. über „youtube“ und „Facebook“ hochgeladen ist, gehört auch ein jährliches Konzert

, das im Dezember 2018 zum 3. Mal abgehalten wurde:„Asgardsrei, the largest Black Metal Festival Europas“. Zwei Tage mit 15 Bands aus acht Ländern Europas, etwa 1600 Menschen – kostengünstig für 50 Euro für zwei Tage. Aus Deutschland waren 2018 die Rechtsrockbands „Absurd“ aus Thüringen, die Band „Nordglanz“ aus Frankfurt (Motto: „Germanien wird rein, wenn wir es befreien“) und die Band „Stahlfront“ aus Thüringen dabei.Texte von „Nordglanz“ verunglimpfen u.a.  auch die Mitglieder der Weißen Rose als „Schande der geheimen Hand“ in ihrem gesungenen Hassrepertoire - angeblich linientreuer deutscher Elite-Black Metal. Das von Kiew agierende Netzwerk der militanten Black Metalbands, die ihre Sympathie für die Abschaffung der demokratischen Werte und Erinnerungskultur nicht verleugnen, stellte im Dezember 2018 auch eine Plattform dar für Bands wie die o.g. „Der Stürmer“ aus Griechenland, die nachweislich seit Jahren ihr menschenverachtendes Weltbild per Internet publizieren, indem sie von bestimmten „subhumans“ sprechen. Gemeint sind Migrant*innen aus Albanien und Pakistan, Sinti und Roma oder auch Türk*innen. NS-Führer Hitler und Himmler sehen sie als Vorbilder an. Xenophobie gepaart mit Sozialdarwinismus.

„Stahlpakt-Konferenz“
Dass hiermit nicht nur Unterhaltungskultur bedient wird, zeigt sich spätestens, wenn nach dem Konzert auch noch eine sogenannte „Pact of Steel Conference“ in Kiew abgehalten wurde mit angeblich „wissenschaftlichen“ Vorträgen zur Zementierung des ideologischen Überbaus, der weit über die reine Musikkultur geschichtsrevisionistische und propagandistische Züge hat.

Sind die psychologischen und terminologischen Parallelen zu den 30er Jahren rein zufällig? „Pact of Steel Conference“- reine historische Assoziation zum Freundschaftspakt Hitler-Mussolini, abgeschlossen am 22.5.1939 in Berlin, oder Programm und Handlungsanleitung?

Die Akteure um „militant.zone“ geben bereits die Antwort. „European Reconquista“ - Rückeroberung des Kontinents nach vordemokratischen und vorchristlichen Mustern – sei keineswegs eine „Renaissance Europas“ im visionären demokratischen Sinne Macrons und Merkels.

Einer der Hauptreferenten 2019 war der als „Satansmörder von Thüringen“ in den 90er Jahren bekanntgewordene Hendrik Möbus, Gründer der NSBM Band „Absurd“, Unternehmer und Netzwerker in der internationalen rechtsextremistischen Musikszene. In Kiew referierte vor einem großen Banner des internationalen Netzwerkes „reconquista club“ über „Baron Roman Ungern-Sternberg - the white god of war“, der in Graz geboren wurde, sich im 1. Weltkrieg freiwillig zur russischen Armee meldete und zum letzten Khan der Mongolei wurde. Er wurde bekannt durch seine Terrorherrschaft mit Morden, Plünderungen und brutalen Massakern, speziell gegen Juden. Den Vortrag über Baron Ungern-Sternberg begann Hendrik Möbus mit dem Zitat „I shall die a noble death“ und beendete ihn mit seiner Verehrung für ihn als Visionär und „Mann der Tat“. Tatsächlich ging Ungern-Sternberg als Militarist, Monarchist, fanatischer Antisemit und als “bloody white baron“ in die Geschichte ein und wurde von russischen Revolutionsgarden am 15. September 1921 zum Tode durch Erschießung verurteilt. Der Thüringer Hendrik Möbus referierte also 2019 anscheinend unbehelligt auf dem Boden der Ukraine über sein Vorbild eines führerlosen Widerstandes und eines angeblichen Helden der Geschichte mit Versatzstücken aus russischem Nationalismus, Antisemitismus, chinesischen und tibetischen Glaubensvorstellungen und einer Form von sozialdarwinistischem Überlegenheitsdenken. Das Motto des Netzwerkes „reconquista club“, der Rückeroberung Europas für antidemokratische, antichristliche, antifriedliche Werte, muss Sorgen bereiten angesichts des unverhohlenen Kriegskurses weiter Teile der Musikindustrie. Oder wie es das Album von „Der Stürmer“ titulierte „The Blood calls for W.A.R.“ (2004).

„ Militant Zone“, das internationale NSBM-Netzwerk, bietet nach wie vor Manifest, Merchandising und Musik mit propagandistischen Inhalten für die Jugend von heute und morgen.

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Christa Jenal ist Lehrerin und beschäftigt sich seit Langem mit rechtsextremer Jugendkultur.