Waffenhandel

„Refugees welcome, not arms dealer“

von Andrea Kolling
Initiativen
Initiativen
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Refugees welcome, not arms dealer” – lautete eine Forderung von Friedens- und antimilitaristischen Gruppen in London im Juli bei Protesten gegen die internationale Farnborough Messe, eine der größten europäischen Waffenmessen, auch wenn die Waffen Seite an Seite mit Produkten der zivilen Luftfahrt präsentiert werden. Die Farnborough Airshow ist eine der weltweit größten Luft- und Raumfahrtmessen, die alle zwei Jahre in Farnborourgh bei London stattfindet.

In diesem Jahr hatte die englische Kampagne gegen Rüstungsexporte CAAT (Campaign Against Arms Trade) das diesjährige Netzwerktreffen der europäischen Anti-Rüstungsexportgruppen (ENAAT - European Network Against Arms Trade) zeitgleich nach London eingeladen. Ziel war, die örtlichen mit den internationalen Gruppen zu vernetzen und gemeinsam gegen die Messe zu protestierten. Gemeinsamer Schwerpunkt war die Forderung nach einem nationalen und europäischen Waffenembargo für Saudi-Arabien. Saudi-Arabien ist einer der weltweit größten Importeure von Rüstung, und aus England werden u.a. Eurofighter und Tornado Kampfflugzeuge nach Saudi-Arabien geliefert. Englische Kampfflugzeuge und Bomben im Wert von 3,3, Milliarden Pfund wurden noch in den ersten 12 Monaten des Bombardements im Jemen an Saudi-Arabien genehmigt. Mit Kriegsgerät, in England produziert, bombardierte Saudi-Arabien zivile Einrichtungen. So wurden laut UN Angaben wahrscheinlich mehr als 100 mal humanitäres Recht im Jemen gebrochen.

Auf der Farnborough Luft- und Raumfahrtmesse werden Waffen wie der Eurofighter, bewaffnete Fahrzeuge, Abschusssysteme, Munition und Drohnen gezeigt. Das Event bringt die größten Waffenproduzenten mit einer Reihe von RegierungsvertreterInnen und Militärdelegationen zusammen, darunter viele aus Ländern, in denen die Menschenrechte keine Rolle spielen. Waffenhändler und Sicherheitsfirmen nutzen ihre Chance, ihre tödlichen Produkte auch an diktatorische Regime zu verkaufen. Gern werden erfolgreiche Vertragsabschlüsse veröffentlicht. Bei der letzten Messe vor zwei Jahren waren 61 Militärdelegationen geladen, einschließlich Länder wie Bahrain, Oman, Katar, Libyen, Algerien und die Türkei. Saudi-Arabien wurde offiziell von der britischen Regierung gebeten, zu kommen. Die Messe ist Öl in der Maschinerie des internationalen Waffenhandels, wie auch die ILA in Berlin, und sie sind ohne Unterstützung der Regierungen nicht möglich.

Die Messe endete mit einen großen Familientag, bei dem die Produkte bestaunt und bespielt werden konnten.

Bunte Proteste
Die Protestaktionen begannen am Eröffnungstag im Zubringerzug vom Flughafen zur Messe, in dem MesseteilnehmerInnen saßen. Als Tod verkleidete und in Leichensäcke transportierte AktivistInnen zeigten damit die Opfer des internationalen Waffenhandels. Mittags wurden 1500 Unterschriften in Downing Street 10 dem amtierenden Premierminister für ein Waffenembargo Saudi-Arabiens übergeben. Vor der Downing Street gab es eine Mahnwache mit einem großen Transparent “Stop Arming Saudi”. Hier wiesen “Bobbys” freundlich und bestimmt darauf hin, dass dies dort nicht erlaubt sei, ließen aber reichlich Zeit, das Banner einzurollen. Danach zogen die AktivistInnen vor den Sitz der UKTI Defence & Security Organisation (UKTI DSO), eine zivile Handelsorganisation, die im Auftrag der britischen Regierung die Militärdelegationen einlädt und geschaffen wurde, den Waffenhandel zu befördern. Hier werden private Treffen mit RepräsentantInnen der Länder arrangiert, in die man exportieren will. In diesem Jahr waren es 41 Länder, darunter die Vereinigten Emirate, Nigeria, Ägypten, Bahrain, Türkei, Katar und Saudi-Arabien. Das Gebäude wurde blockiert, so dass keiner es durch den Haupteingang betreten oder verlassen konnte. Vorbei kommende PassantInnen wurden über die zwielichtige Rolle der Organisation informiert, und eine “Geburtstagstorte” in Form einer Bombe wurde pressewirksam anlässlich des 50-jährigen Bestehens der UKTI DSO präsentiert.

Am Abend des ersten Farnborough Tages lud das Wissenschaftsmuseum als feierlichen Höhepunkt zum offiziellen Messeempfang die internationalen Gäste ein. Von offizieller Seite erwartete man im Wissenschaftsmuseum 1200 Gäste, einschließlich RegierungsvertreterInnen, Ausstellungs- und IndustriemanagerInnen, zivile und Militärdelegationen . Davor protestierten über 100 AktivistInnen gegen den Empfang. Vor zwei Jahren fand der Empfang in einem ähnlichen Museum, ebenfalls unter lautstarken Protesten statt, so dass dem „Science Museum“ vom Empfang abgeraten wurde. Doch die Macht von Airbus als einer der Sponsoren war stärker, trotz einer Petition mit 4500 Unterschriften, den Empfang abzusagen.

Andrew Smith von der Kampagne gegen Waffenhandel erklärte: “WaffenhändlerInnen und Militärdelegationen diskreditieren das Museum. Das Science Museum gibt mit seiner Zustimmung zum offiziellen Empfang sowohl praktische Unterstützung als auch den Schein von Legitimität für die, die die Menschenrechte ignorieren und ihre Profite mit Krieg und Repression machen. Ein Event für den Waffenhandel zu beherbergen, zeigt das intensiven Verhältnis mit Airbus, einem der weltweit größten Rüstungsunternehmen. Wissenschaft und Bildung sind zu wichtig, um sie zur Normalisierung von Waffenhandel zu missbrauchen.”, “Das Science Museum sollte seinen guten Namen nicht zur Unterstützung dieses tödlichen Geschäftes hergeben”, so Smith weiter.

Eine massive Blockade hinderte die Gäste, in das Gebäude zu gelangen. Beim Protest waren auch AktivistInnen aus dem Jemen und Bahrain, die von den saudi-arabischen Waffeneinsätzen mit britischem Gerät in ihren Heimatländern direkt betroffen waren. Einige der geladenen Gäste kehrten beim Anblick der Proteste um und verzichteten auf den Empfang. Die ca. 250 € teuren Eintrittsgelder sind für die großen Unternehmen bestenfalls “Peanuts”. Diejenigen, die versuchten, in das Gebäude zu kommen, mussten massive Behinderungen und Sprechchöre wie: „Schämt Euch – shame shame on you” über sich ergehen lassen. Die Polizei blieb ruhig und zurückhaltend, obgleich die BlockiererInnen es schafften, sich immer wieder zwischen den Absperrgittern festzukrallen, so dass es kein Durchkommen gab. Die privaten Personenschützer versuchten ihren Auftrag, die Delegationen in das Gebäude zu bugsieren, ruppig, aber ohne grobe Handgreiflichkeiten oder Fausthiebe, auszuführen. Ein wahrhaftiges Spießrutenlaufen für die WaffenhändlerInnen und Delegationen. Ein zweistündiges Spektakel -  auf dem europäischen Kontinent so, ohne Schlagstöcke und Verhaftungen, kaum vorstellbar.

Vor der Schließung des Museums gelang es etwa 30 AktivistInnen mit einem Flashmob und Transparenten im Museum auf den nachfolgenden Empfang mit den WaffenhändlerInnen spektakulär hinzuweisen. Dazu wurden die MuseumsbesucherInnen per Megaphon informiert, bis die Sicherheitskräfte gewaltfrei und respektvoll baten, das Gebäude zu verlassen. Draußen wurden die AktivistInnen von der großen Menge der anderen DemonstrantInnen empfangen.

Später gelang es innerhalb der Farnborough Messe drei Frauen, an einem Eurofighter von British Aerospace ein Transparent gegen die von Saudi-Arabien unterstützten Angriffe gegen den Jemen aufzuhängen.

Das ENAAT-Treffen in London
Das Netzwerktreffen der Mitglieder des ENAAT war geprägt von Diskussionen und Überlegungen, wie Kampagnen gegen Rüstungsexporte auf europäischer Ebene angesichts von Ambitionen zur Militarisierung in der EU stärker in den öffentlichen Focus zu rücken . Rüstungsexporte liegen weiterhin im Kompetenzbereich der Nationalstaaten verankert. Entscheidungen über Genehmigungen und Verweigerungen von Rüstungsexporten treffen die Regierungen, sie gelten als Kernbereich staatlicher Souveränität. Die nationale Rüstungsexportpolitik der EU Staaten unterscheidet sich erheblich, was die Empfängerländer, die Art der Kriegswaffen und die Quantität der Lieferungen betrifft. Eine differenzierte Betrachtung macht Sinn, sofern dies aufgrund fehlender Transparenz möglich ist. Es ist einfach, auf problematische Exporte anderer zu verweisen, um die eigene Regierungspolitik in besserem Licht erscheinen zu lassen. Böse sind immer nur die anderen. In der EU versucht die deutsche Regierung über die europäische Ebene ihre militärische Sicherheits- und Rüstungsexportpolitik zu ihrem Vorteil zu erweitern. Mehr an internationaler Verantwortung wird propagiert, sei es von der Verteidigungsministerin, vom Bundespräsidenten oder dem Außenminister. Ziel ist, Macht durch militärpolitische Ambitionen außerhalb nationalstaatlicher Grenzen durchzusetzen. Dabei greift man gerne auf eine kleinschrittige „Salamitaktik“ zurück. Zur Erinnerung:Diese Taktik wurde erfolgreich  zur Gewöhnung der deutschen Bevölkerung an die Bundeswehreinsätze im Ausland angewendet. Daher ist der Versuch, auf europäischer Ebene die Militarisierung zu bekämpfen, ein wichtiger Fokus. Erschwert wird die Arbeit in Brüssel durch die große Anzahl an Lobbyisten, die die Transparenz nicht beflügeln. Dennoch versuchen die ENAAT Mitglieder auf der Brüsseler Ebene den militärischen Ausbau der EU zu erschweren und Transparenz einzufordern. So versuchten die ENAAT-Mitgliedsgruppen Anfang des Jahres auf parlamentarischer EU-Ebene Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien zu stoppen und warben für ein Embargo. Ende Februar sprach sich eine Mehrheit im EU-Parlament für ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien aus. Doch die Resolution ist nicht bindend.

Beim diesjährigen ENAAT-Treffen waren neben den GastgeberInnen von CAAT Mitglieder aus Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Schweiz, Slowakei, Spanien und Tschechien in London. Die einzelnen Gruppen berichteten über ihre jeweilige aktuelle nationale Rüstungsexportpolitik, Kampagnenschwerpunkte und Aktionen. Die Berichte sind das Herzstück der Treffen. Sie fügen den nationalen Fokus zu einem europäischen Bild zusammen. Auf EU-Ebene positionieren sich die ENAAT-Mitglieder gegen Bestrebungen, über die EU die Rüstungsindustrien zu unterstützen. 

Nach dem Brexit versuchen nunmehr Deutschland und Frankreich ohne die lästigen, bremsenden Briten der EU-Militarisierung mit verschiedenen Maßnahmen neuen Schub zu geben. So will man Gelder für die Rüstungsforschung und damit für die europäischen Rüstungsindustrien mittels eines Fonds dauerhaft absichern, obgleich es nach den Verträgen von Lissabon verboten ist, EU-Maßnahmen aus dem Haushalt zu finanzieren, die militärische oder verteidigungspolitische Bezüge haben. Dieser Finanzierungsvorbehalt soll aushebelt werden. Organisationen des ENAAT versuchen dies zu verhindern und über die nationalen Gruppen Druck dagegen aufzubauen. Grundsätzlich sollten die Mitglieder europäischer Institutionen zivile Konfliktlösungen befördern und nicht zu versteckten Kriegstreibern mutieren.   .

Näheres auch unter: www.enaat.org und www.caat.org.uk

Ausgabe

Rubrik

Initiativen