Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Sievershäuser Friedenspreis als Ermutigung für Friedensarbeit 1994
von
"Wir möchten Gruppen und Einzelpersonen fördern, die Widerstand gegen Krieg und Gewalt leisten. Dies tun besonders Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, aber auch andere Formen des zivilen Ungehorsams und des Einsatzes gegen Gewalt und Ungerechtigkeit gehören dazu. Gerade Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, die sich dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien entziehen, müssen hier Schutz und Unterstützung erhalten." (aus unserer Ausschreibung)
Der einzelne Soldat durfte sich, selbst wenn für ein verbrecherisches Regime wie das Nationalsozialistische getötet wurde, Befehlen nicht verweigern. Dennoch haben dies Einzelne immer wieder getan. Bis zum Ende des II. Weltkrieges wurden mehr als 15 000 Männer des-wegen hingerichtet, viele jahrelang inhaftiert. Trotzdem wurden die Überlebenden auch nach dem Kriege oft verachtet, ihre Tat war ein gesellschaftliches Tabu. Sie sind bis heute nicht rehabilitiert.
Heute sind viele Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus dem ehemaligen Jugoslawien, die sich weigerten, für einen der nationalistischen Führer auf Freunde und Verwandte zu schießen, aus Jugoslawien geflohen, auch in die Bundesrepublik. Hier werden sie meist wie andere Flüchtlinge behandelt und abgeschoben, wenn in der Region, aus der sie kommen, wieder "Alltag" herrscht. Daß sie weiterhin dem Zugriff der jeweiligen Armee unterliegen, mit harten Strafen und Versetzungen an die Front zu rechnen haben, ist hier nicht "asylrele-vant". Die Gruppen und Initiativen, die diese Männer unterstützen, verstehen ihre Arbeit als einen aktiven Beitrag zur Beendigung des Balkankrieges.
Diese beiden Aspekte in der aktuellen Auseinandersetzung mit Desertion und Kriegsdienstverweigerung hatten wir vor Augen, als wir den Schwerpunkt für die "Ermutigung 1994" wählten. Desertion und Kriegsdienstverweigerung wird von der Gesellschaft und erst recht vom Staat nicht als legitime Absage an Krieg und Gewalt akzeptiert. Dennoch können "mündige" Bürger sich heute weniger denn je nach den alten "Befehl und Gehorsam - Prinzipien" verhalten. Unabhängiges Denken, Mut zum Ungehorsam sind Tugenden selbständiger Bürgerinnen und Bürger.
In den uns eingereichten Vorschlägen spiegelt sich diese Diskussion wieder. Die Jury entschied sich für folgende Ermutigungen, die in einer Veranstaltung am 10. 12. 1994, dem Tag der Menschenrechte, ausgesprochen wurden.
Ermutigt wurde:
"Ludwig Baumann", Vorsitzender der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. für seinen langjährigen Einsatz für Deserteure und Wehrkraftzersetzer des II. Weltkrieges,
"Deserteurberatung Wien", Österreich, für ihre Unterstützung von Deserteuren aus dem ehemaligen Jugoslawien, bisher konnten ca 1.200 Kriegsdienstverweigerer beraten und betreut werden,
"Arbeitsgruppe Kriegsdienstverweigerung im Krieg in der DFG-VK und connection e.V.", Offenbach, für ihre Beratung und Unterstützung von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus dem ehemaligen Jugoslawien,
"Friedensbibliothek/Antikriegsmuseum Berlin" für ihre Ausstellung "Zerstörung und Erlösung" Bild-Dokumentation über Deserteure des II. Weltkrieges,
"Geistige Republik Zitzer", das Dorf Tresnjevac in der Vojvodina, für die Verweigerung des Wehrdienstes in der Rest-Jugoslawischen Armee
"Totalverweigerer-Initiative Braunschweig" für ihr Projekt "Ohne uns", Zeitschrift zur Totalen Kriegsdienstverweigerung.
Jens Warburg von der AG KDV im Krieg ging in seinem Redebeitrag auf Desertion und Kriegsdienstverweigerung in ehemaligen Jugoslawien ein. "Kriegsflüchtlinge und Deserteure haben die Kriegsparteien bis-her zwar nicht zum Frieden gezwungen, sie erschweren den Kriegsherren durch ihre Flucht und Verweigerung aber das Kriegführen. Als Massenphänomen entziehen sie eine Ressource, die sich nicht ersetzen läßt: den Menschen. Dieses Verhalten darf im Sinne der Kriegsherren nicht Schule machen, denn auf Freiwilligkeit will und kann sich keine Kriegspartei auf Dauer verlassen. Flucht aus dem Krieg, Verweigerung des Kriegsdienstes ist insofern eine legitime, begrüßenswerte und unterstützungswürdige Reaktion des Individuums auf den Krieg. Stattdessen werden Deserteure und Kriegsdienstverweigerer aus der BRD abgeschoben. Dies kann nur als aktive Unterstützung der jeweiligen Kriegspartei bezeichnet werden."
Zur Sievershäuser Ermutigung haben wir die in der BRD existierenden Deserteur-DenkMale und Denkmal-Initiativen zusammengestellt. Zu Auseinandersetzungen um Deserteure, Wehrkraftzersetzer und Kriegsdienstverweigerer im II. Weltkrieg kam es und kommt es immer dann, wenn auch ihrer gedacht werden soll. Diese oft als "Stein des An-stoßes" bezeichneten Mahn- und Denkmale werden zum Auslöser für die hitzigsten Debatten in der Presse, bei Veranstaltungen, Ausstellungen und in Filmdokumenten. Ein Denkmal für einen Deserteur, wenn es öffentlich angenommen, geehrt oder auch nur toleriert werden soll, wird fast immer als Anklage an die Soldaten des II. Weltkrieges verstanden. Es fällt offensichtlich schwer, diese Auseinandersetzung mit unserer Geschichte auch als Suche nach einer anderen Tradition, einer anderen Identifizierungsmöglichkeit zu verstehen. Warum nicht mit denen identifizieren, die Widerstand geleistet, sich gedrückt haben, desertiert sind und nein gesagt haben zu Krieg und Gewalt?