Bremische Besonderheit:

Stiftung für Rüstungskonversion

von Hilde Osthaus-Fehrmann
Initiativen
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Bremen ist eine traditionelle Rüstungsschmide für Kriegswerkzeug: Zu Lande, zu Wasser und in der Luft machten sich Bremische Firmen damit einen Namen. Die Friedensbewegung, anderseits, sind in Bremen verhältnismäßig festverankert.
Unbehagen und Unzufriedenheit der Arbeitnehmer mit der mörderischen Produktpalette der Militärkonzerne führten in den 70er Jahren zur Gründung von Arbeitskreisen für alternative Fertigung. Arbeitnehmer, unterstützt von Gewerkschaften, entwickelten alternative Produkte - die von den Firmenleitungen jedoch so gut wie immer ignoriert wurden.
Der Konversionsgedanke erhielt unter dem Eindruck der Entspannungspolitik Aufschwung, und im Februar 1989 konnte die Bremische Stiftung für Rü-stungskonversion und Friedensforschung gegründet werden. Obwohl die Beschaffung des Stiftungskapitals von 50.000 DM nicht ganz einfach war, gab die Entwicklung vorerst Anlass zu Hoffnung und Zufriedenheit.
Die Zielsetzungen der Stiftung:
-    Errichtung eines Konversionsfonds des Landes Bremen zur Förderung von Konversionsmaßnahmen und -Initiativen.
-    die Einsetzung eines Konversionsbeirates mit Entscheidungsbefugnissen
-    und die Einrichtung eines Instituts für Konversions- und Friedensforschung an der Bremer Universität.
Tatsächlich wurde in Bremen - unter erheblichen Zufluss von EU-Geldern - ein Konversionsfonds eingerichtet und ein Konversionsbeauftragter des Senats be-stellt. Statt eines Konversionsbeirates mit Entscheidungs- und Kontrollkompetenz, wie von der Stiftung gefordert, installierte der Senat lediglich einen so¬genannten "Beraterkreis Rüstungskonversion" bestehend aus Vertretern der Wirtschaftsverbände, der Kammern - in Bremen gibt es auch eine Arbeiter- und eine Angestelltenkammer - sowie Abgeordneten der Gewerkschaften. Auch die Stiftung ist mit einem Sitzvertreten. Da keine Auskunftspflicht seitens des Senats besteht und für die Vergabe von Fördermitteln der Datenschutz gilt, sind sie dem Beraterkreis zugängliche Informationen eher allgemeiner Natur. Der Konversionsbeauftragte Prof. Wolfram Elsner, der seit Beginn der unheil-vollen Großen Koalition Bremen einem CDU-Wirtschaftssenator unterstellt ist, betone zwar gerne, im Beraterkreis fände ein "sozialer Dialog statt". Von Dialog konnte jedoch nie die Rede sein. Es spielte sich ein gewisser Informationsfluss ein und wir bekamen sogar Na¬men von begünstigten Unternehmen genannt. Eine Einflussnahme unsererseits ist aber nicht vorgesehen, Proteste waren nutzlos.
Die Bereitschaft der Unternehmen, zwecks Erlangung von Konversionsmitteln langfristige Bindungen für Entwicklung und Verkauf ziviler Produkte einzugehen, war von Beginn an nicht gerade überwältigend. Nur weil nach 1989 kurzzeitig ein totaler Zusammenbruch des Militärisch-Industriellen Komplexes hier bei uns drohte, setzte man sich wohl überhaupt an einen Tisch in der Hoffnung, bei nächstbester Gelegenheit wieder auf Rüstungs"güter" umzustellen.
Die auf Wieder-Nachrüstung angelegte Strategie unseres sogen. Bundes-Verteidigungsministeriums kam inzwischen diesen Wünschen sehr entgegen. Der Wirtschaftssenator der jetzigen Bremer Großen Koalition, der wg. Bereicherung zu Lasten der öffentlichen Hand als Minister in Sachsen-Anhalt in Verruf gekommene Hartmut Perschau/CDU, regte im Hinblick auf die erfolgreiche EU-Gelderbeschaffung für Rüstungskonversion allen Ernstes an, nunmehr auch einen Beauftragten für Rüstungsbeschaffung zu benennen: am sinnvollsten, so Perschau, in Personalunion mit dem Konversionsbeauftragten Elsner. Dieser lehnte zwar ab, doch gab es keinen Aufschrei der Empörung seitens der Betriebsräte und Gewerkschaften.
Das ehemals "rote" Bremen wird seit Jahrzehnetn gebeutelt von Super-GAUS bzw. "Krisen" von Industrie-Giganten: 1995 kam die DASA ins Trudeln, und 1996 sorgte der VULKAN für Angst um Arbeitsplätze. Im Schatten dieser Be¬drohung wurde klammheimlich die Ak¬zeptanz der Arbeitnehmer für die neue Aufrüstung der Bundesrepublik "erkauft": Bei DASA ging es, auch um die Zustimmung zum Jäger 2000, und für den VULKAN wurde mit Rüstungsaufträgen für Fregatten gewunken für Arbeitnehmer-Wohlverhalten. Wie die Gewerkschaft nach und nach ihre antimilitarische Position aufgeben, das ist kein Ruhmesblatt in der Endgeschichte der deutsche Arbeitnehmerbewegung. Die Versuche der Stiftung, die öffentliche Diskussion dieser Themen zu erreichen, scheiterten an der Ignoranz der Medien.
Eine größere Öffentlichkeit konnte die Stiftung allerdings erreichen mit einer Studie, die sich mit den Vorgängen bei dem Daimler-Unternehmen DASA befasst: "Rüstungsproduktion bei DASA-Konversion ist überfällig". Diese Von Dr. Joachim Schuster erstellte Untersuchung durchleuchtet kritisch das Ge-schehen bei DASA, legt die Einflussnahme Daimlers auf die Entscheidungen der Bundesregierung dar und west auf Konversionsmöglichkeiten, gerade auch für den Standort Bremen, hin. Ob die Studie politische Entscheidungsprozesses hat beeinflussen können, ist nicht nachzuvollziehen.
Längerfristig angelegt ist das dritte Stiftungs-Ziel: Die Einrichtung eines Instituts für Konversions- und Friedensforschung. Die Verhandlungen darüber erwiesen sich als schwierig. Dessen un¬geachtet arbeitet die Stiftung auf unterschiedlichen Ebenen mit VertreterInnen der Universität zusammen.
Ein Schwerpunkt der Stiftungs-Arbeit waren mehrere Kongresse, beispielsweise 1993 zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für Frieden- und Konfliktforschung und den "Naturwissenschaftlern für den Frieden" zum Thema Rüstungskonversion in Europa. Finanziell unterstützt insbesondere von Kollekten bremischer Kirchengemeinden, konnte die Stiftung Mittel für Projekte aus unterschiedlichen Bereichen der Friedensbewegungen ausschütten:
-    Für RefentInnen und TeilnehmerInnen aus dem Ostblock übernahmen wir Reisekosten zur Internationalen Konferenz "Konversion in der Ostsee-Region",
-    Einen Zuschuss gab die Stiftung zu einer Studie von Informatikstudenten der Bremer Uni zum Thema "Krieg im Computerspiel - kritische Analyse und Versuch einer Gegensteuerung".
-    Für das Versöhnungsprojekt Kinder- und Jugendbegegnungshaus "Mladi Most" in Mostar bezahlten wir die Kosten eines Fotokurses nebst Aus¬stellungen in West- und Ost-Mostar.
-    An einem Lehrprojekt "Konversion in Betrieb und Gesellschaft" von Pro-fessoren und Studenten der Bremer Uni beteiligte sich die Stiftung.
Im Herbst 96 gab es Ausschüttungen u.a. zugunsten der Errichtung eines Konversionsvorhabens in der Rüstungsstadt Martin/Slowakei. Eine fünfteilige Veranstaltungsreihe "Wege aus der Gewalt - Nachdenken über Pazifismus heute" findet im Herbst/Winter 96/97 statt. Zur ersten Veranstaltung kamen 50 Leute.
Ein erfolgversprechender Ansatz Rüstungsarbeitsplätze umzuwandeln, ist zurzeit nicht in Sicht. Von den BürgerInnen fast protestlos hingenommen, wandert ein Großteil des öffentlichen Reichtums in die Rüstung. Kürzlich wurde für 320 Mio Mark ein Versorgungsschiff der Bundeswehr in Auftrag gegeben. damit kann ein "Zerstören-Zug" von Kriegsschiffen fünf Wochen lang ohne "Landberührung" versorgt werden. Das ging ohne öffentliche Diskussion über die Bonner Bühne, die so¬gen. Opposition hat auch das verschlafen oder, schlimmer, findet das in Ordnung, weil - vielleicht - kurzfristig "Arbeitsplätze geschaffen werden". Die Tatsache der Militarisierung unserer Gesellschaft wird scheinbar nur von wenigen wahrgenommen - und nur von einigen bekämpft.
Weil es zum Frieden und zum Friedenschaffen keine Überlebensalternative gibt, werde die Stiftungsziele weiterhin verfolgt: Wir wollen in einer Zivilgesellschaft leben! Darin wissen sich die Stiftungs-AktivistInnen einig mit vielen Freundinnen und Freunden der vielfältigen Friedensorganisationen. Lasst uns noch enger zusammenarbeiten!

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