Fast 50.000 Unterschriften zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung in Berlin übergeben

Tag der Kriegsdienstverweigerung

von Rudi Friedrich
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Im September 2022 startete die Unterschriftensammlung für Schutz und Asyl für all diejenigen, die in Russland, Belarus und der Ukraine den Kriegsdienst verweigern. Am 15. Mai, dem Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, konnten nun fast 50.000 Unterschriften der Europäischen Kommission übergeben werden. Es ist ein Erfolg der #ObjectWarCampaign, aber auch nur ein Zwischenschritt, weil die Lage für die Verweiger*innen und Deserteur*innen aus diesen Ländern weiterhin prekär ist und sie in ihren Herkunftsländern verfolgt werden.

Es ist ein großes Bündnis, dass diese Forderungen nach Europa trägt. In Deutschland sind daran 60 Organisationen beteiligt, europaweit mehr als 100 Organisationen aus 20 Ländern. Einen großen Anteil an der hohen Zahl der Unterschriften hatte die Plattform YouMoveEurope, die über ihre eigenen Kanäle eifrig dafür geworben hatte.

Zur Übergabe an die Europäische Kommission in Berlin konnten wir internationale Gäste gewinnen. So erklärte Maria Alexandrova von der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland: „Lasst uns angesichts des Krieges und der Unterdrückung Stimmen des Friedens sein. Lasst uns gegen die Zensur die Wahrheit aussprechen. Lasst uns inmitten des Krieges die Gewaltlosigkeit verfechten. Auf diese Weise unterstützen wir die Kriegsdienstverweigerer von heute und ebnen den Weg für eine Zukunft.“

Yurii Sheliazhenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung betonte in einer Grußbotschaft: „Ich bitte Euch eindringlich, die #ObjectWarCampaign zu unterstützen. Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt. Die Europäische Union muss die Achtung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung nachdrücklich bekräftigen und darauf bestehen, dass auch Russland, Belarus und die Ukraine dieses Menschenrecht respektieren. Die Menschenrechte sind eine Grundlage für einen gerechten Frieden."

Und Olga Karatch von Nash Dom, Belarus, machte deutlich, wie wichtig die Forderungen der Kampagne sind: „Wir können in diesem Krieg nur gewinnen, wenn wir uns einig sind, NICHT zu kämpfen, wenn wir NICHT die Sprache des Krieges und des Hasses sprechen, wenn wir NICHT der Vorstellung zustimmen, dass Menschenrechte nichts bedeuten, dass sie nicht universell sind.“

Erfreulicherweise hatte die Aktion auch ein großes Medienecho zur Folge. So konnten wir unsere Forderungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Dies ist gut, aber auf der politisschen Ebene gibt es nach wie vor keine Bewegung. Die Unterschriften wurden freundlich entgegengenommen. Unsere Angebote an politisch Verantwortliche, gemeinsam nach Lösungen für diejenigen zu suchen, die sich dem Krieg widersetzen, blieben bisher unbeantwortet. Echte Gesprächsangebote gibt es nicht. Dabei stellt sich die Lage für die Betroffenen tatsächlich sehr dramatisch dar.

Es gibt in den drei Ländern Maßnahmen, die auf eine breitere Rekrutierung für den Krieg und die Aussetzung bzw. Einschränkung der Kriegsdienstverweigerung zielen. Die Ukraine hatte bereits im Februar 2022 die Grenzen für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Russland und Belarus ziehen mit ähnlichen Bestimmungen nach.

Die Europäische Union hat die Visaregelungen für belarussische und russische Staatsbürger verschärft. Bei russischen Männern gab es Ablehnungen mit der Begründung, sie könnten nicht rechtzeitig vor Ablauf des Visa zurückkehren, weil ihnen in Russland eine Einberufung drohe.

In Asylverfahren werden militärdienstpflichtige Männer, die (noch) keine Rekrutierung vorweisen können, abgelehnt, weil eine Rekrutierung nicht „beachtlich wahrscheinlich“ sei. So wurden von knapp 2.500 Anträgen militärdienstpflichtiger russischer Männer bereits 814 entschieden, davon nur 55 positiv, wie aus einer Antwort zu einer Anfrage an die Bundesregierung im Mai 2023 hervorgeht. Eine erschreckend niedrige Zahl.

Dabei ist die Kriegsdienstverweigerung, Militärdienstentziehung und Desertion ein wichtiger Widerstand gegen den Krieg von unten. Das trifft auf hunderttausende Menschen in Russland, Belarus und der Ukraine zu.

„Asyl ist Menschenrecht. Dazu gehört das Recht auf Kriegsdienstverweigerung“, erklärte Tareq Alaows von PRO ASYL bei der Übergabe der Unterschriften in Berlin. „Es ist unerträglich, dass die Europäische Union den Zugang zum Recht auf Asyl aushebeln will. Auch Menschen, die vor dem Wehrdienst eines Terrorregimes fliehen, droht nach den Plänen der EU die Abweisung an ihren Grenzen."

Die Aktion in Berlin war Teil von Aktionswochen rund um den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, angeregt von der DFG-VK. So fanden in fast 20 Städten in Deutschland Aktionen zum Thema statt. Besondere Aufmerksamkeit erregten Aktionen vor dem Senat in Rom und bei der Europäischen Kommission in Brüssel, wo die Unterschriften an den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, übergeben wurden.

Die #ObjectWarCampaign wird weitergeführt. Es ist wichtig, dass dieses Thema auch bei anderen Aktionen immer wieder eingebracht wird. Das Bündnis will daher weitere Schwerpunkte setzen, z.B. zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2023. Damit fordern die beteiligten Organisationen die Regierungen Russlands, Belarus‘ und der Ukraine dazu auf, die Verfolgung von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen umgehend einzustellen. Von der EU und der Bundesregierung erwarten sie die Öffnung der Grenzen und den Schutz von Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine durch das Asylrecht.

Weitere Informationen sind zu finden unter www.Connection-eV.org/ObjectWarCampaign.

Rudi Friedrich ist Geschäftsführer von Connection e. V.

Bilder

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Von links: Rudi Friedrich (Connection e.V.), Maria Alexandrova (Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland), Olga Karatch (Nash Dom, Belarus), Michael Zimmermann (EAK), Tareq Alaows (Pro Asyl); Foto: Hendrik Haßel

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Übergabe der fast 50.000 Unterschriften. Foto: © Friedenskooperative

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Zug durch Berlin vor der Übergabe. Foto: © Friedenskooperative

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Von links: Olga Karatch (Unser Haus), Christine Hoffmann (pax christi) und Maria Alexandrova (Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland). Foto: © Regine Ratke / IPPNW.

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Kundgebung. Foto: © Regine Ratke / IPPNW.

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