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"Tausche Verstand gegen Gehorsam"
von
Am 27. 3. 92 fand vor dem Amtsgericht in Neuwied der Prozess gegen mich wegen des Vorwurfes der Beleidigung und Volksverhetzung statt. Ich hatte am 5. Juni 1991 mit mehreren Leuten gegen die Gelöbnisfeier eines Fernmeldebataillons der Bundeswehr im Schlosshof von Neuwied unter dem Motto "Tausche Verstand gegen Gehorsam" demonstriert. Wir haben dabei Transparente mitgeführt und Flugblätter verteilt, in denen wir unsere unmissverständliche Ablehnung der Bundeswehr und aller Armeen zum Ausdruck brachten. Während der Rede des Neuwieder Landrates, in der dieser die sogenannten Verdienste der Bundeswehr hervorhob, und das nur kurz nachdem der Golfkrieg nochmals deutlich zeigte, daß Armeen nur die Aufgabe haben zu töten, zu zerstören, tätigte ich den Ausspruch "Mördertruppe". Zwei Polizisten, die dauernd hinter uns standen und sich scheinbar unbedingt profilieren mußten, haben diesen Ausspruch gehört und mich angezeigt. Die Staatsanwaltschaft zimmerte schließlich daraus den Vorwurf der Volksverhetzung.
Auf Grund einer hervorragenden Öffentlichkeitsarbeit der "Neuwieder Alternative", einer Friedens- und Umweltinitiative, bei der ich mitarbeite, wurde das Thema in Neuwied von Schulen bis zu Stammtischen sehr breit diskutiert. Durch ausführliche Berichterstattung in der regionalen Presse und einer Informationsveranstaltung im Vorfeld mit über 60 BesucherInnen kam es am Morgen des Prozesstages vor dem Amtsgericht zu einer Kundgebung von ca. 150 Menschen. Der Verhandlung konnten dann aber nicht mehr als 100 Leute beiwohnen, da das Gericht nicht bereit war, noch mehr hineinzulassen.
Während der ZeugInnenanhörung taten sich die beiden Polizeibeamten durch offensichtliche Falschaussagen, sogar unter Eid hervor. Ihre Aussagen waren dermaßen widersprüchlich, daß sich der Staatsanwalt dann auch genötigt sah, den Vorwurf der Volksverhetzung fallen zu lassen. Der dritte Zeuge der Anklage, ein Oberstleutnant, der Verantwortliche des kriegerischen Spektakels am 5. Juni, konnte vor Gericht lediglich zu Protokoll geben, daß keiner der Soldaten meinen Ausspruch gehört habe. Die ZeugInnen der Verteidigung, ebenfalls Anwesende bei besagter Gelöbnisfeier, verdeutlichten nochmals, daß die Äußerung "Mördertruppe" in normaler Lautstärke an die MitdemonstrantInnen gerichtet gewesen sei und nicht geschrien worden wäre, wie die beiden Polizisten behaupteten.
Im Schlussplädoyer wies Rechtsanwalt Burchard aus Bonn darauf hin, daß es hier offensichtlich darum gehe, einen engagierten und kritischen Menschen mundtot zu machen. Er plädierte im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft auf Freispruch, die ihrerseits eine Bestrafung zu 50 Tagessätzen forderte.
Die Richterin kam in ihrer Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang nach und verurteilte mich zu 50 Tagessätzen Geldstrafe wegen Beleidigung. Zusätzlich muß ich die Gerichtskosten tragen. Auch die gegenteiligen Beteuerungen der Richterin können mich nicht davon abbringen, hierin ein politisches Urteil zu sehen. Es geht darum, Menschen, die die Sache des Mordens und Zerstörens von Militärs auf den Punkt bringen, mundtot zu machen. Spätestens der Golfkrieg hat gezeigt, wie Tausende von Soldaten zu tätigen Mördern wurden. Damals war die Bundeswehr noch nicht dabei. Doch die Bundesregierung und die Militärs setzen ihren ganzen Ehrgeiz daran, sich im Rahmen der sogenannten Neuen Weltordnung auch militärisch stärker einzubringen und so auch den Bundeswehrsoldaten zu der zweifelhaften Ehre zu verhelfen, Mörder zu werden.
Vor diesem Hintergrund sind die aktuell laufenden Verfahren gegen AntimilitaristenInnen wegen "Beleidigung" zu sehen. Sie sind ein Versuch, radikale Militärkritik zu kriminalisieren. Auf diese Weise soll die Bundeswehr zur Überwindung ihrer Legitimationskrise verholfen und Kriege in den Köpfen der BürgerInnen als Mittel der Politik wieder denkbar gemacht werden. Dem müssen wir unseren entschlossenen Widerstand entgegensetzen.
Auch ich werde das gegen mich gesprochene Urteil keinesfalls akzeptieren und in die Berufung gehen.