"Todesland in Lebensland"

von Jürgen Hops Haßbach
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Für viele war es ein freudiges Wiedersehen, als sich die Teilnehmenden an der EUCOMmunity V am 6.8.95, nach fast einem Jahr, in Stuttgart- Vaihingen trafen. Aber auch einige neue Gesichter konnten unter den aus ganz Deutschland und den Niederlanden angereisten ausgemacht werden. Alle waren gekommen, um zum fünften Mal den Zaun des US-EUCOM aufzuschneiden, auf das Gelände zu gelangen und dort der Atombombenopfer zu gedenken. Fünfzig Jahre nach der Vernichtung Hiroshima wurde das EUCOM zum Ziel gewaltfreien Widerstands, da von hier aus ein nukleares Vernichtungspotential befehligt wird, welches das von Hiroshima bei weitem übertrifft.

Das EUCOM: In Stuttgart-Vaihingen ist die oberste Kommandozentrale der US-Streitkräfte in Europa, dem Nahen Osten und vielen Ländern Afrikas. Im Kriegsfall werden von dort die etwa 500 Atomwaffen der USA in Europa befehligt. Zugleich ist es zuständig für alle konventionellen Militäreinsätze in seinem Bereich (z.B. Libyeneinsatz 1986, Golfkrieg 1991, Balkan)

GEDENKEN AN HIROSHIMA

Schon am Samstagabend, den 7. August, erinnerten wir in einem großen Schweigekreis auf dem Stuttgarter Schlossplatz der durch die Atombomben umgekommenen Menschen. Anschließend zogen wir, begleitet von Stuttgarter BürgerInnen zu einem kleinen See neben dem baden-württembergischen Landtag, um dort, im Gedächtnis an das damalige Geschehen, hunderte von Schwimmkerzen, begleitet von unseren Wünschen und unserer Trauer im Wasser aussetzen.

Die EUCOMmunity: ist eine offene Gruppe von AktivistInnen und UnterzeichnerInnen (aus acht Ländern) des "Aufrufs zur gewaltfreien Abrüstung des EUCOM". Bereits zum fünften Male haben Mitglieder symbolisch und konkret damit begonnen, das EUCOM von Todesland in Lebensland umzuwandeln.

Am Sonntagmorgen hielten wir ab 8.00 Uhr eine Mahnwache vor der Haupteinfahrt des EUCOM ab. Um 8.15 durchbrach ein Gong das Schweigen der TeilnehmerInnen, es war der Zeitpunkt, an dem vor 50 Jahren mit einem Schlag 80000 Menschen getötet wurden...

Zwar durch, aber auch drunter und drüber

War die Polizei im letzten Jahr noch so kooperativ, daß AktivistInnen den Zaun des EUCOM unter den Augen der BeamtInnen gleich meterweise in Eingänge zur zweitwichtigsten US-Militäreinrichtung der Welt verwandelten, wurde die wohl als deeskalierend geplante Staatshaltung dieses Jahr ins Gegenteil umgekehrt. Wie aus Polizeikreisen zu erfahren war, sei die Devise ausgegeben worden, ein Betreten des EUCOMS durch AktivistInnen unter allen Umständen zu verhindern. Ohne Erfolg. Obwohl etwa zehn Bolzenschneider meist in Flagranti den Mitgliedern der EUCOMmunity entrissen wurden, gelangten doch zwei Menschen durch ein eher bescheidenes Loch, das sie in den Zaun geschnitten hatten, auf das US-Gelände. Während noch Einsatzkräfte zum Tatort stürmten, gingen 21 ihrer Bolzenschneider beraubten Außenstehende dazu über, den mit Stacheldraht gesicherten etwa drei Meter hohen Zaun zu überklettern beziehungsweise darunter durchzukriechen.

Stunde des Gedenkens; Fest der Hoffnung

Im Gelände begannen wir damit, Papierkraniche zu falten. In Japan fertigen sich Menschen gegenseitig Papierkraniche, um sich Glück und Gesundheit zu wünschen. Wir dachten dabei an die Menschen, die immer noch unter den Auswirkungen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zu leiden haben. Aber auch an jene, die, auch im Frieden, seit Jahrzehnten den verharmlosend als "Tests" bezeichnenden Atomschlägen ausgesetzt sind.

Zum Zeichen der Hoffnung pflanzten wir Blumen, teilten mitgebrachtes Essen unter uns (und mit einem Polizisten) und sangen gemeinsam. Aus Sonnenblumen und Papierkranichen legten wir Friedenszeichen und auf einem schwarzen Tuch platzierten wir zum Ausdruck unserer Trauer ein Kinderfoto aus Hiroshima. Wir erlebten eine stärkende Mischung aus Hoffnung, die daraus resultierte, zumindest einen kleinen Schnipsel dieses Todeslandes konvertiert zu haben und der Trauer, die sich aus den Gedanken an die Opfer der Bombe ergab. Außerhalb wurden wir von mehr als 50 Freunden und Freundinnen begleitet. Auf dem Gelände wurden wir von der Polizei und US- Militärpolizei beobachtet und nach etwa anderthalb Stunden, unter Feststellung der Personalien, Durchsuchungen und Fotografierens, mit Transportern vom Gelände gefahren.

Mehr Informationen gibt es bei: Ohne Rüstung Leben, Sophienstr. 19, 70178 Stuttgart, Tel.: 0711-60 83 96, Fax.: 0711-60 83 57, e-mail: AKMIR-ORL [at] Gaia [dot] CL [dot] SUB [dot] DE

 

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