25 Jahre Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden

Über den Versuch, Gewaltfreiheit in Politik und Alltag zusammenzubringen

von Christoph Besemer
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

In diesem Jahr feiert die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden ihr 25-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass möchte ich einen Blick hinter die „Kulissen“ dieser Einrichtung gewähren. Zugegeben kein „unparteiischer“ Blick - denn ich bin schon ein bisschen stolz auf unsere „Werkstatt“ und ihren Trägerverein Gewaltfrei Leben Lernen. Und das, obwohl ich durchaus kein „Vereinsmeier“ bin. Im Gegenteil, denn hierarchische Vereinsstrukturen sind mir ein Gräuel. Aber gerade das wollen wir anders machen.

Seit 25 Jahren haben wir z.B. auf das - immer auch VerliererInnen produzierende - Mehrheitsprinzip verzichtet und im Konsens entschieden. Das geht doch nicht oder braucht zu viel Zeit? Mit etwas Know-how, Training und Eingewöhnung geht’s doch! So wie in diesem Punkt versuchen wir auch sonst, Gewaltfreiheit in unseren Strukturen, in unserem Zusammenarbeiten und in unserem Leben umzusetzen.

Anti-Castor, BoA, Globalisierungskritik, Mediation ... – Gewaltfreiheit hat viele Gesichter
Nun ist unsere Einrichtung allerdings nicht nur dazu da, dass wir selbst Formen gewaltfreien Miteinanders entwickeln und leben. Vorrangig ist das Ziel, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Durch handlungsbezogene und aktionsorientierte Bildungsarbeit sollen Einzelne und Gruppen befähigt werden, Gewalt zu widerstehen, Konflikte konstruktiv auszutragen und strukturelle Gewalt gewaltfrei zu überwinden. Im Namen Werkstatt für Gewaltfreie Aktion kommt auch deutlich der politische Anspruch unserer Friedensbildungsarbeit zum Vorschein. Deren Wurzeln finden sich in der Friedens- und Ökologiebewegung der 80er-Jahre sowie weiter zurückreichend in den Gedanken und Aktivitäten von Gandhi, King und der anderen VordenkerInnen der Gewaltfreiheit.

Ziel unseres Projektes ist es in erster Linie, andere Menschen durch Trainings in gewaltfreiem Handeln zu unterstützen. Das kann bedeuten, dass wir eine Anti-Castor-Aktionsgruppe für eine gewaltfreie Blockade vorbereiten oder Gruppen für Zivilen Ungehorsam in Heiligendamm trainieren – wobei immer auch die innere Demokratie, der konstruktive Dialog und Grundfragen der Gewaltfreiheit Bestandteil des Trainings sind. Oder wir konzipieren mit VertreterInnen von Gewerkschaften, Betrieben, Kirchen oder Friedensorganisationen eine Erfolg versprechende Kampagne, z.B. zur Einhaltung von sozialen Mindeststandards bei Schlecker, dem Arbeitsplatzerhalt bei Schöpflin oder zur Beendigung der Minenproduktion bei Daimler-Benz.

Die Propagierung von Alternativen zum Militär ist seit Beginn ein weiteres Hauptthema. Die Werkstatt hat zahlreiche Seminare über Soziale Verteidigung durchgeführt, die Gründung des „Bundes für Soziale Verteidigung“ (BSV) mit angestoßen, die Kampagne „BoA – Bundesrepublik ohne Armee“ unterstützt, den Zivilen Friedensdienst mit konzipiert und an dessen Ausbildungsprogrammen mitgewirkt sowie Proteste gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr organisiert und das Konzept der Zivilen Konfliktbearbeitung als konstruktives Programm weiter vermittelt.

Gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus hat die Werkstatt handlungsanleitende Seminare zum Eingreifen und zur Zivilcourage bei Gewalt- und Diskriminierungssituationen durchgeführt.

In ausführlichen Kursen und Ausbildungen vermitteln Werkstatt-MitarbeiterInnen die Grundlagen und Basisfertigkeiten zur konstruktiven Konfliktaustragung und zur Vermittlung in Konflikten.

Die Werkstatt-Veröffentlichungen zum Thema „Konsens“, „Boykott“ und „Mediation“ sind Klassiker auf ihrem Gebiet - unter anderem weil sie ganz konkrete Anleitungen für gewaltfreies Handeln geben.

Das dezentrale, mobile Bildungszentrum
Die Struktur der Werkstatt ist dezentral: Menschen aus ganz Baden sind in ihr aktiv. Die Werkstatt manifestiert sich dort, wo die MitarbeiterInnen sich treffen. Wir brauchen kein eigenes Tagungshaus, denn entweder nutzen wir die Räumlichkeiten befreundeter Organisationen und kooperierender Bildungseinrichtungen oder wir kommen zu den Menschen vor Ort. Das verkürzt Anreisezeiten und erspart Kosten. Wichtig für die Werkstatt ist die Unabhängigkeit des Projektes. Anders als andere Einrichtungen trägt sich die Werkstatt weitgehend selbst.

So ganz „heimatlos“, ohne Räumlichkeiten, ist das Projekt allerdings doch nicht: Die Büros der zwei Hauptamtlichen sind in Heidelberg und in Freiburg. Dort besteht auch die Möglichkeit, sich zu treffen oder kleinere Seminare durchzuführen. Auch ein Team von derzeit ca. acht freiberuflichen MitarbeiterInnen kommt dort alle zwei Monate zusammen.

Eine friedenspolitische Einrichtung diesen Zuschnittes wurde vor 25 Jahren vielleicht noch belächelt und von manchen traditionellen Bildungsträgern nicht ernst genommen. Mittlerweile werden die Kompetenzen der TrainerInnen in gewaltfreier Konfliktbearbeitung jedoch weithin anerkannt und geschätzt. Selbst etablierte Einrichtungen wie Volkshochschulen, Akademien oder Hochschulen gehen auf uns zu und laden uns ein, bei ihnen Seminare und Ausbildungen durchzuführen. Und bei den sozialen Bewegungen hat die Werkstatt ohnehin schon seit langem einen guten Namen.

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