Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Die Schwächen des Atomwaffensperrvertrages
Unbefristetes Risiko

Der Atomwaffensperrvertrag (Non-Proliferation-Treaty, NPT) trat auf Initiative der beiden Großmächte USA und UdSSR 1970 in Kraft. Die USA und die UdSSR hatten sich zum Ziel gesetzt zu verhindern, daß sich die Zahl der Atomwaffenstaaten - damals 5 - erhöht. Während die atomwaffenfreien Unterzeichnerstaaten auf den Erwerb von Atomwaffen verzichteten, mußten sich aber die Atomwaffenstaaten im Gegenzug zur Abrüstung ihrer Atomwaffenarsenale verpflichten (Artikel VI). Neben der Abrüstung verpflichteten sich die Atomstaaten zur Weitergabe von Materialien, Atomtechnologien und wissenschaftlichem Know-how zur Nutzung der Kernenergie.
Artikel VI des NPT - die Verpflichtung abzurüsten
Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.
25 Jahre nach dem Inkrafttreten des NPT, findet vom 17. April bis 12. Mai 1995 die »Verlängerungskonferenz« des NPT in New York statt. Die 165 Mitgliedsstaaten müssten hier eine unbefristete oder befristete Verlängerung oder eine Auflösung des Vertrages beschließen. Während insbesondere die Atomwaffenstaaten und ihre Bündnispartner eine unbefristete Verlängerung des Vertrages zum Ziel haben, empfindet ein großer Teil der atom- und blockfreien Staaten den Vertrag als diskriminierend und will ihn wenn überhaupt nur unter bestimmten Bedingungen, wie z. B. einer vorherigen Unterzeichnung eines umfassenden Atomteststoppvertrages, verlängern. Es zeichnet sich ab, daß es auf der Verlängerungskonferenz im Mai keinen Konsens zwischen den Staaten, die den NPT unbefristet verlängern wollen, und denen, die ihn an bestimmte Bedingungen knüpfen wollen, geben wird. Dies hätte u.U. zur Folge, daß die Konferenz im Mai ohne Ergebnis vorerst unterbrochen wird, um eine Entscheidung aufzuschieben. Es ist zur Zeit nicht absehbar, wie lange eine solche Unterbrechung andauern wird.
Unbefristete Verlängerung beinhaltet unbefristetes Risiko
Die gleichen Staaten, die heute nachdrücklich die unbefristete Verlängerung des NPT im Jahr 1995 propagieren, haben in den letzten 25 Jahren zur Verbreitung von Atomwaffen, Materialien und Technologie beigetragen. Sie wollen dieses auf unbegrenzte Zeit auch weiterhin tun - unabhängig von den Risiken, die die Weiterverbreitung mit sich bringt.
Artikel X
Die Verlängerung des NPT-Vertrags
"Fünfundzwanzig Jahre nach Inkrafttreten dieses Vertrags wird eine Konferenz einberufen, die beschließen soll, ob der Vertrag auf unbegrenzte Zeit in Kraft bleibt oder um eine oder mehrere bestimmte Frist oder Fristen verlängert wird. Dieser Beschluß bedarf der Mehrheit der Vertragsparteien."
Eine unbefristete Verlängerung des Atomwaffensperrvertrages in der gegenwärtig bestehenden Form würde von den Atomwaffenstaaten zur Legitimation von Atomwaffen genutzt werden und für unbegrenzte Zeit die Verbreitung von atomwaffentauglichen Materialien und Technologien bedeuten.
Die militärischen Führer in den Atomwaffenstaaten missbrauchen die drohende Proliferation von Kernwaffen als Rechtfertigung für noch mehr Atomwaffen. Dabei stellen sie die ursprüngliche Logik des NPT, die beinhaltet, daß Nicht-Verbreitung letztlich nur Verzicht auf Atomwaffen bedeuten kann, auf den Kopf.
Falls der Sperrvertrag unbegrenzt verlängert werden sollte, würde sich künftig das Proliferationsrisiko vergrößern. Eine unbegrenzte Verlängerung eines unveränderten NPT-Vertrages würde bedeuten:
- daß der Abrüstungsdruck auf die Atomwaffenstaaten verschwunden wäre, die Anreize für über START-II hinausgehende Atomwaffenreduzierungen nach dem Jahr 2003 verringert wären. Der Status-Quo des Atomwaffen-Arsenals der Atomwaffenstaaten würde erhalten bleiben. Dadurch würden Fortschritte auf dem Weg zu weltweiter Entnuklearisierung unterminiert. Auch die französischen und britischen Atomarsenale würden dann wahrscheinlich weiterhin nicht in die Abrüstungsverhandlungen mit einbezogen werden.
- daß Kernwaffen in allen Atomwaffenstaaten fortwährend weiter modernisiert und auf Nicht-Atomwaffenstaaten gerichtet werden;
- daß das internationale Kontrollregime auch weiterhin nicht gewährleisten kann, daß spaltbares Material, welches für zivile Zwecke genutzt werden soll, nicht für militärische Zwecke eingesetzt werden soll;
-- daß weiterhin die ständige Vermehrung von waffentauglichem spaltbarem Material zugelassen wird und daraus resultierend der Bau von Atomwaffen gefördert wird;
- daß durch die vom NPT geförderte Atomenergie Länder verschuldet, die Umwelt kontaminiert und die heutige und künftige Generationen bedroht werden;
- daß einige Nicht-Atomwaffen-Staaten aus dem Vertrag ausscheiden, um sich selbst Atomwaffen anschaffen zu können.
1995 - ein Entscheidungsjahr
Das einzig wirksame Nichtverbreitungsregime besteht darin, alle Atomwaffen zu beseitigen, die Herstellung von waffentauglichem Material einzustellen und vorhandenes spaltbares Material unter internationale Kontrolle zu stellen und es weder für zivile noch für militärische Zwecke verfügbar zu machen. Der unzureichende und widersprüchliche gegenwärtige Vertrag sollte also nicht bedingungslos fortgeschrieben werden, da er das Proliferationsrisiko vergrößert.
Ein wirksames Nicht-Weiterverbreitungs-Regime sollte folgende Elemente beinhalten:
- die Verpflichtung, sofort mit Verhandlungen über eine weltweite Entnuklearisierung zu beginnen, die sich einen realistischen Zeitrahmen geben, in dem dieses Ziel erreicht werden kann;
- den baldigen Abschluß eines umfassenden Teststoppvertrags, welcher auch computersimulierte Tests mit einschließt;
- einen Stopp für die Modernisierung und Stationierung von Atomwaffen;
- die Ausdehnung verbindlicher Sicherheitsgarantien auf alle Vertragsunterzeichner;
- die Aushandlung eines uneingeschränkten Verbots, waffentaugliches spaltbares Material herzustellen, einschließlich der Wiederaufarbeitung;
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) wurde 1957 eingerichtet; sie entstand aus dem "Atoms for Peace"-Programm, das die USA 1953 begonnen hatten. Ihre Ziele beschreibt die Atomenergiebehörde so: "den Beitrag der Atomenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlergehen auf der ganzen Welt zu beschleunigen und zu vergrößern... und soweit sie dazu imstande ist, sicherzustellen, daß die Hilfe, die von ihr oder auf ihre Anfrage oder unter ihrer Aufsicht oder unter ihrer Leitung geleistet wird, nicht dazu verwendet wird, irgendeine militärische Absicht zu fördern".
- eine Änderung der Satzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), in der die atomenergiefördernde Funktion der Behörde gestrichen wird. So würde der Interessenkonflikt der IAEA ausgeräumt, der zwischen ihrer Hauptfunktion, die Atomenergie zu fördern, und ihrer anderen Aufgabe besteht, Atommaterial zu kontrollieren;
- die Verpflichtung zur Förderung und Entwicklung von Energieeinsparungsmaßnahmen und erneuerbaren Energiequellen, damit Staaten geholfen wird, ihre Energieversorgung auf langfristig globalökologisch tragfähige Weise zu lösen; beide Ziele sollten in den existierenden internationalen Institutionen einen vorrangigen Stellenwert erhalten, und gleichzeitig wäre eine neue internationale Institution zu schaffen, die sich vornehmlich diesen Zielen widmen soll.
Artikel IV
für Förderung der Atomenergie
"(1) Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen, als werde dadurch das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien beeinträchtigt, unter Wahrung der Gleichbehandlung und in Übereinstimmung mit den Artikeln I und II die Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln."
"Alle Vertragsparteien verpflichten sich, den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu erleichtern, und sind berechtigt, daran teilzunehmen."
Es ist heute weithin anerkannt, daß die wirtschaftlichen und ökologischen Kosten der Atomenergie viel zu hoch sind, die Industrie unfähig ist, das Atommüllproblem in den Griff zu bekommen und die Sicherheitsrisiken und die Anzahl der Unfälle viel zu groß sind; trotzdem hat der NPT die Atomenergie aktiv gefördert.
Eine weitere Konsequenz der Atomenergieförderung ist der immense Bestand an spaltbarem Material. Auf dem ganzen Globus hat sich waffentaugliches spaltbares Material in Mengen angehäuft, die für die Produktion von Zehntausenden von Atomwaffen ausreichen.
25 Jahre atomare Weiterverbreitung
Die Tatsachen zeigen, daß es dem NPT nicht gelungen ist, substantielle Abrüstungsschritte auszulösen. Das atomare Wettrüsten hat uns fast 2.000 Atomwaffenversuche und über 127.000 Atomwaffen eingebracht. Die meisten der Waffen sind erst nach der Unterzeichnung des Sperrvertrags im Jahr 1968 stationiert worden.
Der NPT-Vertrag und Atomtests
"...durch dessen Vertragsparteien bekundeten Entschlossenheit, darauf hinzuwirken, daß alle Versuchsexplosionen von Kernwaffen für alle Zeiten eingestellt werden, und auf dieses Ziel gerichtete Verhandlungen fortzusetzen..."
Die Mehrheit der Staaten hat bei jeder NPT-Folgekonferenz, die alle 5 Jahre zur Überprüfung der Ergebnisse stattfanden, ein Ende der Kernwaffenversuche und die Verkleinerung der Atomarsenale gefordert. Doch ihre Forderungen sind übergangen worden. Zwar laufen unermüdliche Anstrengungen, einen Vertrag über das vollständige Verbot von Kernwaffenversuchen (CTBT - Comprehensive Test Ban Treaty) fertigzustellen. Doch es ist nicht wahrscheinlich, daß man sich noch vor der NPT-Konferenz einigen wird. Unter anderem macht die Uneinigkeit über die Frage der Einbeziehung von computersimulierten Atomtests einen Abschluß unwahrscheinlich.
Nach 20 Jahren ist jetzt endlich ein Abbau der Atomwaffenarsenale der USA und Russlands im Gange (sie haben angekündigt, 3.000 Atomwaffen pro Jahr abzurüsten), aber die atomaren Modernisierungsprogramme laufen in beiden Ländern weiter. 1995 wird es weltweit noch immer mehr als 20.000 Atomwaffen geben. Und zudem bleiben die Atomrüstungsprogramme Großbritanniens, Frankreichs und Chinas von den derzeit bestehenden Abrüstungsverträgen unberührt.
Der Atomwaffensperrvertrag: gestern, heute, morgen
Mit der Entscheidung über die Verlängerung des NPT wird 1995 nicht nur über die Zukunft des Vertrags selber, sondern auch über die des atomaren Zeitalters entschieden: Entweder wird ein Weg in ein atomfreies 21. Jahrhundert eingeschlagen, oder es wird die Fortdauer des Alptraums von Atomproliferation, Plutoniumschmuggel und radioaktiver Kontaminierung der Umwelt weiter bestehen.
25 Jahre hat der Sperrvertrag als Eckpfeiler der Nicht-Verbreitung gegolten. Zwar haben die Unterzeichnung und das Inkrafttreten des NPT beträchtlich dazu beigetragen, die horizontale Atomproliferation in einigen Ländern zu erschweren. Doch wegen der unerfüllt gebliebenen Vertragspflichten der Atomwaffenstaaten und wegen seiner immanenten Widersprüche und Schwächen ist er nicht geeignet, als Rahmenwerk für ein wirksames internationales Nicht-Verbreitungsregime zu dienen.