UNPROFOR muss gehen, sagt Tudjman

von Derek McDonald
Krisen und Kriege
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In der Vergangenheit wiederholte die kroatische Regierung alle drei Monate das gleiche Ritual, wenn es um die Frage des Verbleibens der UN-Truppen (UNPFROFOR) in Kroatien ging: Jedes Mal drohte sie, das Mandat zu annullieren, wenn das Datum seiner Verlängerung näher­rückte. Sie behauptete, daß UNPROFOR nur die "serbischen Besatzer" schütze und nicht ihre im Vance-Plan festgehaltene Verpflichtung erfüllt habe, kroatische Vertriebene in der Krajina-Region wiederanzusiedeln.

Im letzten Moment änderte sie jedoch immer ihre Position und verlängerte das Mandat, gewöhnlich mit einer scharfen Warnung an UNPROFOR, daß sie den Wiederansiedlungsprozess beginnen müsse. Dieses Ritual sollte dazu dienen, zwei Gemeinschaften zu beruhigen: Die internationale Gemeinschaft wollte nicht, daß ein neuer Krieg in Kroatien begänne und übte daher Druck auf Kroatien aus, UNPROFOR das Bleiben zu erlauben. Die konservative kroatische Gemeinschaft, die einen Großteil der Vertriebenen wie eine große Gemeinde von ExilkroatInnen in anderen Ländern mit einschließt, wollte eine Reintegra­tion der Krajina und drängte daher auf den Rauswurf von UNPROFOR. Es ist diese Gemeinschaft, die Tudjman in sein Amt wählte.

Trotz der Hoffnungen derjenigen, die in ihre Häuser in die Krajina zurückkehren wollen, erwartete der Großteil der Be­völkerung, daß sich dieses Muster wie­derhole. Warum schließlich sollte die Zagreber Regierung einen teuren Krieg gegen die gutbewaffneten Serben an­streben, ein Krieg, der sich voraussicht­lich lange hinziehen und Tausende von Menschenleben kosten würde? Warum sollte sie die Gunst der internationalen Gemeinschaft zu einem Zeitpunkt ver­ächtlich abweisen, wo sie so dringlich wünscht, Mitglied der Europäischen Union zu werden? Warum sollte sie die laufenden Wirtschaftsgespräche sabotieren, die bereits einige Gewinne erga­ben? Und warum würde sie eine so große Einnahmequelle des Landes ver­weisen?

Eine Überraschung im Januar

Daher kam es etwas überraschend, als Präsident Tudjman seine Rede "an Kroaten und Bürger Kroatiens" am 12. Januar mit folgenden Worten begann: "Ich wende mich an Sie in einem histo­rischen Moment. In Übereinstimmung mit meiner verfassungsgemäßen Macht habe ich die Entscheidung gefällt, das Mandat der UN-Peacekeeping Truppen in der Republik am 31. März dieses Jah­res zu beenden, wenn das derzeitige Mandat ausläuft". Der Präsident fuhr damit fort, der UN für ihre Bemühungen zu danken, sagte aber, daß die Krajina-Serben ("Terroristen") mit der Hilfe "Großserbiens" für das Versagen der UN bei der Umsetzung des Vance-Plans und der UN-Sicherheitsratbeschlüsse verantwortlich seien. Daher müsse die UN gehen und Kroatien und der Tudj­man-Regierung es überlassen, das Pro­blem zu regeln.

Präsident Tudjman informierte dann seine BürgerInnen, daß die kroatische Regierung sich "in keiner Hinsicht von unserem Ziel abwende, die besetzten Gebiete auf friedlichem Wege zurück­zugewinnen". Er wandte sich sogar an alle Serben in Kroatien. "Das demokra­tische Kroatien garantiert Ihnen, Serben in Kroatien, alle Menschenrechte und ethischen Rechte in Übereinstimmung mit den höchsten Standards, den inter­nationale Konventionen setzen..."

Die Welt erlaubte sich zu zweifeln

Es scheint, daß die einzigen, die an eine 'friedliche Reintegration' glaubten, die kroatische Regierung war, die behauptete, daß eine friedliche Rückkehr der Flüchtlinge sogar schneller erreicht werden könne, wenn UNPROFOR aus dem Weg sei. Der Rest der Welt hatte große Zweifel. Erklärungen von UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali, vielen Regierungen in der Welt und den Regierungen Jugoslawiens sowie der Krajina drückten große Sorge über die Möglichkeit eines neuen und sehr bluti­gen Krieges nach Abzug von UNPRO­FOR aus.

Da die Möglichkeiten einer friedlichen Reintegration nicht groß schienen, wa­ren diese internationalen Sorgen sehr berechtigt. Der Verteidigungsminister der "Republik der Serbischen Krajina", Rodomir Tanjga, sagte in einem Inter­view für die unabhängige Belgrader Presse, daß die Krajina auf "den mögli­chen Krieg" am 31. März vorbereitet sei. Man muß nur Städte wie Pakrac, Osijek oder Lipik besuchen, um den Hass zu fühlen, den die Menschen dort gegen die Serben auf der anderen Seite der UN-Demarkationslinie empfinden. Selbst falls weder Zagreb noch Knin einen Krieg ausrufen, besteht die Wahr­scheinlichkeit, daß Kämpfe zwischen Bürgerwehren beginnen, wenn Men­schen versuchen, mit Gewalt ihre Häu­ser, ihr Land oder ihre Städte zurückzu­gewinnen. Die kroatische Regierung selbst gibt zu, daß es in aller Wahr­scheinlichkeit zu "Überfällen" kommen werde. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Krieg 1991 mit solchen Überfällen begann.

Tudjmans größter Bluff

Viele Leute hatten die Hoffnung, daß dies Tudjmans größter Bluff sei und daß vor dem 31. März ein Deal ausgehandelt werde, der UNPROFOR erlaube, zu bleiben. Das bewahrheitete sich in letz­ter Minute. Aufgrund westlichen Drucks machte Kroatien Mitte März den "Rauswurf" zumindest teilweise rück­gängig. Anstelle der derzeit 12.000 Blauhelmsoldaten sollen in Zukunft ca. 5.000 die Grenzen zwischen Kroatien und der Krajina wie die internationalen Grenzen bewachen.

 

Dieser Artikel gibt eine persönliche Meinung, nicht die des Projektes wider.

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Derek McDonald ist Freiwilliger des Brethren Voluntary Service und arbeitet seit Herbst 1994 mit dem Balkan Peace Team in Kroatien.