WAAhnsinn ... Widerstand hat Erfolg – warum eigentlich?

von Birgitt Meier

Es ist jetzt 21 Jahre her, da wurden die Aktivisten innerhalb und außerhalb Bayerns von einer kurzen Pressemitteilung überrascht: Der VEBA-Chef Bennigsen-Foerder verkündete den Rückzug seines Konzerns aus der geplanten atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf. Damit war das Projekt gestorben! Die bayrische Staatsregierung brauchte erst eine Pause, ehe sie die Sprache wiederfand. Tausende, die protestiert und demonstriert hatten, die CS-Gas eingeatmet hatten und kriminalisiert worden waren – sie waren verdutzt ob ihres plötzlichen Erfolges. Der harte Kern machte weiter. "... und auch nicht anderswo" hieß ja die Parole.

Die Bürgerinitiativen (BI) gegen die WAA haben sich mittlerweile aufgelöst. Aber die Aktiven sind nach wie vor aktiv: gegen AKWs und für erneuerbare Energien. Zum 20. Jahrestag ihres Sieges feierten sie ein rauschendes Fest "Blick zurück nach vorn", mit alten Freunden und ganz jungen Freundinnen!

Grund genug für uns,  im Friedensmuseum Nürnberg eine Ausstellung zum Widerstand damals und heute zu machen und die Erfolgsbedingungen wie ihre Übertragbarkeit zu hinterfragen. In zahlreichen Veranstaltungen und Interviews kristallisierten sich folgende 4 Punkte heraus:

„Sich nicht auseinanderdividieren lassen"
Gerade unsere bürgerlichen, beamteten GesprächspartnerInnen betonten dies immer wieder: Das Konzept der Staatsregierung, zwischen "guten" Einheimischen und "bösen" hergereisten Berufsdemonstranten zu unterscheiden, ging nicht auf. Ja, es herrschte eine Art Arbeitsteilung zwischen dem "bürgerlichen" Widerstand, der im zähen juristischen Kampf die Teilerrichtungsgenehmigung zum Einsturz brachte und auf die Erörterung  fokussierte, und den Autonomen am Bauzaun. Beide Seiten gingen aufeinander zu, lernten voneinander. Das sei die erste und wichtigste Erfolgsbedingung gewesen.

"Direkte Betroffenheit gibt langen Atem"
Die Oberpfalz gilt als konservativ, bodenständig – und stur. Parallelen zum Wendland (und zur Freien Heide) sind offensichtlich. 1981 – 1989 dauerte der Kampf der BI. In Universitätsstädten wären das zwei Studentengenerationen! Auf dem Land hält die Wut der Einheimischen länger. Sie ist eingebunden in die lokalen Strukturen und Netzwerke. Umgekehrt lassen sich kollektive Lernprozesse nicht übertragen: Die BI schickte Delegationen zu AKW-Baustellen nach Tschechien und nach La Hague, wo sie mit ihren Argumenten aber nur bei einer kleinen Minderheit Gehör fanden – ein niederschmetterndes Erlebnis.

„Den Preis hochtreiben"
Für die VEBA war die WAA zum Schluss angeblich eine Preisfrage. La Hague war billiger ... Also kein Erfolg des Widerstands? Von wegen, denn diese einfache Rechnung hätte schon immer gegolten. Es war vor allem der politische Preis, der den Konzernen zu teuer wurde, Siemens war als erstes ausgestiegen. Der "Herrschafts-Konsens" ging zunehmend verloren, das war gefährlich. Nach dem Tod von Strauß (3.10.88) hat außerdem kein deutscher Politiker mehr Atom-Ambitionen so ungeniert verfolgt: Personen sind doch nicht einfach austauschbar.

"Alternativen bieten"
Sehr früh schon machten sich die Bürgerinitiativen Gedanken über regenerative Energien. Viele entwickelten sich zu Experten, manch einer verdient mittlerweile seinen Lebensunterhalt damit. Dieses Wissen half beim Argumentieren und sicher auch psychologisch, denn es ist einfacher, "dafür" zu sein als "dagegen".

Lässt sich Erfahrung übertragen?
Die Berichte der Zeitzeugen vom erfolgreichen Widerstand lassen uns immer in euphorischer Stimmung zurück. Denn die Friedensbewegung kann leider auf keine einzige Kampagne zurückblicken, die in gleicher (!) Stärke so lange durchgehalten wurde. Woran liegt das?

- Die Einheit der Bewegung:  Nach den Ereignissen von Strasbourg  haben wir hierzu differenzierte Ansichten. Oder lässt sich das nicht vergleichen? Wir wissen es nicht.

- Die Betroffenheit über ferne Kriege (mit realen Toten) ist offensichtlich geringer als bei einer Nuklearbaustelle in der Nachbarschaft. Am stärksten war auch die Friedensbewegung, wenn sie aus einer unmittelbaren Betroffenheit heraus argumentieren konnte: Atombewaffnung und Nachrüstung fanden beide in unmittelbarer Nachbarschaft statt. Betroffenheit lässt sich aber nicht willkürlich herstellen, jedenfalls nicht dauerhaft.

- Preis hochtreiben und Alternativen bieten: Ja, diese beiden Punkte sind uns auch in der Friedensbewegung wichtig! Bei "Alternativen" wenigstens sind wir gut!

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Birgitt Meier ist seit 1980 in der Friedensbewegung aktiv, seit 1998 im Friedensmuseum Nürnberg (Ausstellungskonzepte und Begleitveranstaltungen). Eine CD mit dem Material der Ausstellung sowie den Mitschnitten von zahlreichen Zeitzeugen-Veranstaltungen kann für 10 Euro incl. Porto bestellt werden über: www.friedensmuseum.odn.de . Dort sind auch die anderen Ausstellungen des Museums verzeichnet, von denen einige ausgeliehen werden können.